AWO Wiesbaden: Murat Burcu weist jede Schuld von sich

Der Sozialverband fordert von dem Ex-Geschäftsführer 24 Millionen Euro Entschädigung. Aber das Arbeitsgericht schlägt eine andere Lösung vor: Die Versicherungen sollen sich einigen.
War es Fahrlässigkeit oder Vorsatz? Die Frage, ob der frühere stellvertretende Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt Wiesbaden (AWO), Murat Burcu, dem Sozialverband aus Überforderung und Unkenntnis schadete oder bewusst und eventuell zum eigenen Vorteil, hat das Arbeitsgericht Wiesbaden am Mittwoch intensiv beschäftigt.
Die Fehlerliste ist lang
Die heutige AWO verlangt von Burcu vor dem Gericht Schadensersatz von 24 Millionen Euro, weil dieser seiner kaufmännischen Verpflichtung aus ihrer Sicht so schlecht nachgekommen sein soll, dass der Sozialverband in die Insolvenz rutschte. Die Liste der Fehler, die die AWO-Rechtsanwälte vorlegen, reicht von mangelhafter Buchführung, unsachgemäßer Verhandlung um Pflegesätze und falschen Berechnungen von Sozialversicherung und Steuern zu hohen Maklerprovisionen von 2008 bis 2020 und einigem mehr. Diese vermuteten Fehler sind Teil der Misswirtschaft und Günstlingswirtschaft, wegen der die Staatsanwaltschaft Frankfurt gegen frühere Führungspersönlichkeiten der Wiesbadener und Frankfurter AWO ermittelt, darunter auch gegen Burcu. In diesen Fällen geht es jedoch um überhöhte Gehälter, teure Dienstwagen und Scheinarbeitsverhältnisse.
Ehepaar Richter entschied, wohin das Geld ging
Vor dem Arbeitsgericht sind nur Burcus Pflichtverletzungen im Rahmen der Berufstätigkeit von Belang. Burcu hält die Vorwürfe gegen seine Person für konstruiert. Bis 2018 habe die AWO kostendeckend gewirtschaftet und seine Geschäfte seien erfolgreich gewesen, sagt er vor Gericht. Wohin das Geld geflossen sei, hätten aber die frühere Geschäftsführerin Hannelore Richter und der Vorstand, zu dem auch Richters Ehemann Jürgen gehörte, entschieden. Die wirtschaftlichen Probleme ab 2019 seien durch die teuren Dienstwagen, Scheindarlehen und Scheinarbeitsverhältnisse entstanden, die die Richters zu verantworten hätten. Gleichzeitig beteuern er und sein Rechtsanwalt, dass Burcu etwa bei der Verhandlung um Pflegesätze für die Altenpflegeeinrichtungen keine freie Hand gehabt habe. Seine Vorgesetzte Richter habe sich jede Einmischung verbeten.
Weisungsabhängig beschäftigt
Auch Arbeitsrichter Falko Börner räumt ein, dass Burcu weisungsabhängig beschäftigt gewesen sei. Um zu klären, an welcher Stelle von Vorsatz oder Fahrlässigkeit auszugehen sei, müsste jede von der AWO angeführte Position überprüft werden - eine langwierige Prozedur, die wahrscheinlich einen Ritt durch die Instanzen zur Folge hätte. Ein Vergleich, der gerne vor dem Arbeitsgericht verhandelt wird, kommt für die beiden Streitparteien vorerst nicht infrage. Abgesehen davon, dass allen Beteiligten klar ist, dass Burcu keine 24 Millionen Euro zahlen kann, haben die Rechtsanwälte die Interessen der Versicherungen ihrer Mandanten und im Falle der AWO auch des Treuhänders zu berücksichtigen. Keine will für den Schaden aufkommen oder darauf sitzenbleiben.
Die Beteiligten vereinbaren, das Verfahren ruhen zu lassen. So bleibe Zeit, mit den Versicherungen Lösungen auszuarbeiten, sagt der Richter. Erkenntnisse aus den folgenden Strafverfahren sollten noch einfließen können. Sollte Burcu dort verurteilt werden, ändert sich die Lage.