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Ausstellung in Wiesbaden: Über den Wert des Wassers

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Von: Madeleine Reckmann

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Kurator Hannes Lerp vor dem Rhein-Schaubild bei Kilometer 474.
Kurator Hannes Lerp vor dem Rhein-Schaubild bei Kilometer 474. © Michael Schick

Eine Ausstellung im Landesmuseum zeigt, wie alles mit der flüssigen Materie zusammenhängt.

Das Schaubild des Rheins bei Kilometer 474 südlich von Wiesbaden hat neue und alte Bewohner und Bewohnerinnen des großen Stroms versammelt: Der Biber, der seit ein paar Jahren in der Gegend wieder Burgen im Wasser baut, Ente, Fischreiher, Kormoran hocken friedlich neben Nilgans und Nutria, die vor wenigen Jahren eingewandert sind.

Das siebenköpfige Team der naturhistorischen Abteilung des Landesmuseums in Wiesbaden hat sich für die Ausstellung „Vom Wert des Wassers. Alles im Fluss?“ an den Sujets unserer Zeit abgearbeitet. Klimawandel, Artenschwund, Grundwasserverseuchung, Waldsterben und Hochwasser sind einige der Themen der Ausstellung, das eine mit dem anderen verbunden, das eine nicht ohne das andere lösbar. Da wird anschaulich erklärt, was weniger Autoverkehr mit gesundem Wasser zu tun hat: Reifenabrieb und Luftschadstoffe landen irgendwann im lebensnotwendigem Nass. Das Schaubild des Rheins bei Kilometer 474 zeigt auch eine zerbeulte Getränkedose am Strand. Eingewanderte Tiere, die Biolog:innen nennen sie Neozoen, sind heimisch geworden. Nutria und Nilgans richten keinen großen Schaden an, dafür der amerikanische Flusskrebs, dessen Treiben die Ausstellung erläutert, umso mehr.

Es fließt im großen Strom, plätschert in Bächen, rieselt aus Quellen und erfrischt aus dem Wasserhahn – die Landeshauptstadt hat dem Wasser ein ganzes Jahr gewidmet. Bis in den Winter sind in Wiesbaden zahlreiche Veranstaltungen vorgesehen, die die Bedeutung der flüssigen Materie für die Natur, die Menschen und die Landeshauptstadt beleuchten. Das Landesmuseum plant gleich zwei Ausstellungen zum Wasser. Neben der Kunstausstellung „Wasser im Jugendstil – Heilsbringer und Todesschlund“ befasst sich das naturhistorische Museum mit der naturwissenschaftlichen Seite des Wassers und welchen Stellenwert das Wasser für die Landeshauptstadt hat.

Es ist nicht nur am Namen der Stadt erkennbar, dass Wiesbaden einen besonderen Bezug zum Wasser hat. Nicht nur der Kaiser und die alten Römer schätzten ihre Thermalquellen. Selbst in der letzten Kaltzeit suchten Menschen die heißen Quellen auf, ist in der Ausstellung zu erfahren. Das belegen Knochenreste an den Quellen. Der Biograf Karls des Großen berichtet im Jahr 830 von Wisibada, einem Bad in den Wiesen. Seit dem 14. Jahrhundert bevorzugten es die Gäste, das Bad in Badehäusern zu nehmen.

Die Stadt ist wie wenige andere vom großen Strom, dem Rhein, dem Main, vielen kleinen Bächen und ihren Heilquellen geprägt. „Ich wünsche mir, dass die Menschen erkennen, dass Wiesbaden eine Wasserstadt ist und dass Wasser zur Identität der Stadt gehört“, sagt Ausstellungskurator Hannes Lerp. Aber auch, dass „Wasser alles verbindet und ein Leben ohne Wasser nicht möglich ist.“

Bei Starkregen ist Wiesbaden besonders gefährdet, da alle Bäche aus den Taunushängen in den Salzbachkanal münden, der schnell überlastet sein kann. 55 Bäche, haben die Kurator:innen gezählt, plätschern durch das Stadtgebiet, 22 von ihnen in enge Bachbetten, unterirdische Rohre oder Kanäle gezwängt. Die Kurator:innen haben abschreckende Fotos dazu aufgestellt. Käsbach und Belzbach fließen in engen gemauerten Rinnen und können sich ohne Platz zum Versickern und Ausbreiten bei Gewittergüssen in reißende abwärts sausende Wassermassen verwandeln. Wie das aussehen kann, verdeutlicht ein Video vom Hochwasserereignis 2014, als sich der Rambach zu riesigen Fluten aufbäumte und in die Innenstadt schoss. Das Foto vom renaturierten Klingenbach zeigt dagegen Felsbrocken im Bach und natürlich gestaltetes Steinufer, die zumindest bei leichteren Sturzfluten das Abwärtsfließen verzögern können. In normalen Zeiten böten sie Lebensraum für Insektenlarven, berichtet Lerp. Manchmal ändere sich eben auch etwas zum Guten.

Ein Film zeigt auch die andere Seite des Klimawandels in Wiesbaden: An der Hohen Wurzel im Taunus stirbt der Wald, weil das Wasser fehlt. Riesige gerodete Flächen sind aus der Vogelperspektive zu sehen. Was gegen die Austrocknung der Böden zu tun ist, zeigen Schaubilder aus der Landwirtschaft: Wasser soll gezielt und sparsam einsetzt werden, anstatt es großflächig übers Feld zu spritzen. Überhaupt die Landwirtschaft: Weniger Gülle, weniger Dünger und weniger chemische Pflanzenschutzmittel würden das Grundwasser schützen. Denn von dort beziehen wir unser Trinkwasser. Und wer möchte schon Giftstoffe im Wasserglas oder im Kochtopf haben? „Die Stoffe können zum Riesenproblem werden“, sagt Lerp, auch weil das Trinkwasser unter anderem aus dem Oberflächenwasser des Rheins gewonnen wird.

Wobei wir bei der chemischen Wasseranalyse angekommen sind, ebenfalls ein echt Wiesbadener Thema. Denn sie wurde von Carl Remigius Fresenius erfunden, als der seit 1848 in der Wiesbadener Kapellenstraße ein Labor betrieb. Die Ausstellung widmet dem Gründervater der modernen Chemie ein Kapitel, zeigt, wie Natrium, Kalzium, Kohlendioxid und andere Stoffe aus Wasser gelöst werden können, stellt Laborgefäße aus.

Jeder und jede könne sich ein Bewusstsein für den sparsamen Umgang mit Wasser aneignen. Lerp versteht darunter nicht nur, „beim Zähneputzen den Wasserhahn zuzudrehen“, sondern auch nachzuvollziehen, wie viel Wasser in den Konsumgütern stecke. Für die Herstellung einer Jeans würden 11 000 Liter Wasser benötigt, erläutert er. Deshalb sei Mülltrennung auch wasserschonend. Denn Recyceln verbrauche weniger Wasser, als wenn die Materialien neu hergestellt würden. „Recyceltes Papier zu benutzen, spart viel Wasser“, sagt er, denn gerade bei der Papierherstellung werde viel der kostbaren Materie benötigt.

Was die Menschen gegen Dürre tun können, zeigt die Ausstellung anschaulich: Versiegelte Flächen entsiegeln, Rasengittersteine anstatt Pflastersteine verlegen oder Regenwasser auffangen, um damit den Garten zu wässern.

Naturschutz weist auch Erfolge auf. An einer Wand sind die 23 Fische als Präparate wirkungsvoll ausgestellt, deren Brüder und Schwestern heute im Rhein vorkommen. Hecht, Bachforelle, Kaulbarsch und Aal sind in Lebensgröße zu sehen.

„Heute haben wir im Rhein wieder eine Situation von vor 1950“, berichtet der Kurator, einige eingewanderten Arten seien dazugekommen. Nur der Rheinstör sei ausgestorben. Die Ausstellung zeigt ein eindrucksvolles Exemplar mit einer Länge von über zwei Metern.

23 Fischarten leben im Rhein.
23 Fischarten leben im Rhein. © Michael Schick

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