1. Startseite
  2. Rhein-Main
  3. Wiesbaden

Am Rande von Wiesbaden lagert ein Schatz

Erstellt:

Von: Diana Unkart

Kommentare

Sabine Philipp ist seit 2018 Direktorin der Stiftung Stadtmuseum Wiesbaden.
Sabine Philipp ist seit 2018 Direktorin der Stiftung Stadtmuseum Wiesbaden. Rolf Oeser © Rolf Oeser

Sie zeigt 500000 Jahre Geschichte der Region. Aus der Öffentlichkeit verschwunden. Nun soll die bedeutende Sammlung Nassauischer Altertümer wieder sichtbar werden.

Wiesbaden beherberge einen Schatz, aber dessen Potenzial werde verkannt, findet Sabine Philipp. Der größte Teil dieses Schatzes lagert wenig prunkvoll am Rand der Stadt in Kartons und Kisten. Nur ein Bruchteil ist für die Öffentlichkeit sichtbar. „So wie bei einem Eisberg“: Nur die Spitze ragt aus dem Wasser, der Rest bleibt verborgen. So ähnlich sei es um die etwa 340 000 Objekte umfassende Sammlung Nassauischer Altertümer (SNA) bestellt, eine der bedeutendsten kulturhistorischen Sammlungen der Region. Ein sehr kleiner Teil ist im Stadtmuseum am Markt, kurz „sam“, in Wiesbaden zu sehen. Fast 2400 Objekte sind verliehen, unter anderem an Museen in Frankfurt, Darmstadt, Mainz und Bonn. Doch nun soll dieser Schatz wieder sichtbar werden.

Das ist eine Herausforderung, denn im Detail kennt man ihn nicht. Deshalb soll die Sammlung generalinventarisiert werden. Alle Objekte werden überprüft und detailliert katalogisiert.

Karteikarten in Sütterlin

Bisher sind maximal zehn Prozent des Sammlungsbestandes digital erfasst und nach aktuellen Standards inventarisiert. „Wir arbeiten teilweise mit Karteikarten in Sütterlin. Das geht nicht mehr“, sagt Sabine Philipp. Die Kunsthistorikerin leitet seit 2018 die Stiftung Stadtmuseum Wiesbaden, die das Museum betreibt. Eine zeitgemäße Inventarisierung ist notwendig, um die Objekte der Forschung und der Öffentlichkeit – zunächst virtuell – zugänglich zu machen. In diesem Jahr soll mit dem Aufbau einer Internetpräsenz begonnen werden. Um die Sammlung zu inventarisieren, werden ausreichende Räumlichkeiten gebraucht. Die beiden Depots sind mit Kisten, in denen die Sammlungsgegenstände verstaut sind, übervoll. Deshalb wird nach einem Zwischendepot gesucht. Zum Bestand des „sam“ gehört neben der Sammlung Nassauischer Altertümer die jüngere stadtgeschichtliche Sammlung, die sich der Kultur- und Alltagsgeschichte Wiesbadens vom 19. bis zum 21. Jahrhundert widmet – zusammen umfassen die beiden Bereiche rund 500 000 Objekte. Die Satzung benennt als eine der Stiftungsaufgaben die weitere Sammlungstätigkeit. Künftig soll es eine Sammlung zur Fernsehgeschichte geben. Aber wohin mit den Stücken?

Perspektivisch wird ein Großdepot gebraucht. Der Kulturausschuss hat 2022 den Magistrat aufgefordert, ein zentrales Depot zu suchen, das genügend Platz für die Sammlungen und für die Einlagerung weiterer Objekte bietet. Doch damit ist es nicht getan.

Die nächsten Ausstellungen

Faszinierende Einblicke in die Geburtsstunde der Kunst vor 40 000 Jahren bietet die Ausstellung „Urformen – Figürliche Eiszeitkunst Europas“, die ab 1. März im Stadtmuseum am Markt in Wiesbaden zu sehen sein wird.

Die nächste Schau „Dieter Rams. Ein Blick zurück und voraus“ widmet sich ab 28. Juni dem in Wiesbaden geborenen Industriedesigner Dieter Rams. Rams leitete unter anderem die Designabteilung der Firma Braun und prägte mit seinem Design deren Geräte - und inspirierte Unternehmen wie Apple.

Dem Maler Kaspar Kögler , der vor 100 Jahren in Wiesbaden starb und dessen Werke beim Wiesbadener Bürgertum sehr beliebt waren, wendet sich die Ausstellung „Kaspar Kögler. In kleinem Kreis“ zu, die am 15. November eröffnet. diu

Die Sammlung Nassauischer Altertümer war im Museum Wiesbaden zu sehen, bevor sie 2002/2003 abgebaut wurde und aus der Öffentlichkeit verschwand. Dieses Museum, das 1973 an das Land überging, hatte die Stadt Wiesbaden 1913 bis 1915 bauen lassen – als Haus für die Sammlungen des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung. Der dreigliedrige Neubau spiegelte die Sammlungsschwerpunkte Kunst, Natur und Altertümer wider. Die 2002/2003 entfernten Altertümer wurden 2010 vom Land Hessen an die Stadt übergeben – als Grundstock für ein seit den 1980er Jahren geplantes historisches Museum.

Dieses Museum beschäftigt Politik und Stadtgesellschaft mit wechselnder Intensität und Emotionalität seit nunmehr knapp 40 Jahren. Der vorerst letzte Anlauf für einen Museumsbau scheiterte 2014. Dort, wo er nach einem Entwurf des deutsch-amerikanischen Architekten Helmut Jahn errichtet werden sollte, an der repräsentativen Wilhelmstraße, öffnet in diesem Jahr das Museum Reinhard Ernst, in dem abstrakte Kunst gezeigt wird.

Die Museumslandschaft verändert sich. Die Gäste haben andere Ansprüche. Was ankomme, seien Sonderausstellungen, Begleitveranstaltungen zu Ausstellungen, seien Vernissagen und Finissagen, sagt Sabine Philipp. Das Stadtmuseum, untergebracht im denkmalgeschützten Marktkeller, bietet für derartige Publikumswünsche denkbar schlechte Voraussetzungen. Der Platz ist limitiert, die Höhe ist es auch. Größere Skulpturen können nicht gezeigt werden. Es fehlen Räume für Workshops oder Lesungen, Treff-Orte. „Der Marktkeller ist kein Museumsgebäude.“ Er war nach den gescheiterten Neubauplänen als Zwischenlösung präsentiert worden. Seit das Stadtmuseum dort 2016 eröffnet wurde, ist die Debatte um einen Museumsbau nahezu verstummt.

Aber das Thema Museum müsse in den kommenden Jahren wieder auf die Agenda rücken, so Sabine Philipp. Nicht nur, weil die Kapazitäten im Marktkeller und in den Depots ausgereizt seien. Sie ist überzeugt, dass die Sammlungen bei entsprechender Präsentation das Potenzial haben, Besucher:innen anzuziehen. Vom Wert der Sammlungen zeugten auch die zunehmenden Anfragen renommierter Museen.

Allein mit den knapp 2400 verliehenen Objekten ließe sich ein neues Museum bestücken und erfolgreich vermarkten. „Wir müssen prüfen, was in der Region fehlt, welchen Mehrwert dieses Museum neben dem Museum Wiesbaden und dem Museum Reinhard Ernst bieten kann.“ Welche Botschaft könnte aufgrund der Sammlungen vermittelt werden? „Da steckt ein riesiges Potenzial drin.“ Für die Region, für den Tourismus und für die Belebung der Innenstadt.

Auch interessant

Kommentare