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Ahnenforschung im Stall

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Von: Corina Silvia Socaciu

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„Weniger Fleisch, und wenn, dann gutes“, lautet die Philosophie von Philipp Weber aus Kaichen. Seit 2017 züchtet der 31-Jährige Wagyu-Rinder. soemer © Coralie Soemer

Eine Kuh mach muh, viele Kühe machen Mühe. Das weiß auch Wagyu-Bauer Philipp Weber aus Kaichen. Das Fleisch der japanischen Rinder gilt als Luxusgut. Mit DNA-Tests wird die Echtheit erkannt. Wertvolle Wagyu - für Philipp Weber auch mit Blick auf das Tierwohl.

„Ich war immer schon landwirtschaftlich interessiert“, sagt Philipp Weber, der auf einem Bioschweinehof in Kaichen aufwuchs. Sein 20 Jahre älterer Bruder Christian Weber übernahm den elterlichen Betrieb. Aber auch Philipp Weber blieb der Landwirtschaft treu und schloss zunächst eine Ausbildung zum Landmaschinenmechaniker und später zum Maschinenbautechniker ab. Heute arbeitet der 31-Jährige als Vertriebsleiter bei Köckerling-Landmaschinen.

Großes Hobby und Nebenverdienst ist aber die Zucht der hierzulande noch wenig verbreiteten Wagyu. Die Rinder kommen ursprünglich aus Japan und wurden zunächst als Arbeitstiere auf Reisfeldern oder im Bergbau eingesetzt. Als der Fleischkonsum in Japan zunahm, entwickelte sich Wagyu-Fleisch zur Delikatesse.

Heute gilt es als das edelste Fleisch der Welt. Regelmäßig knacken Wagyu-Rinder auf Auktionen Rekorde. In Japan sei ein Wagyu für stolze zwei Millionen Euro versteigert worden, berichtet das TV-Magazin Galileo 2016 auf ProSieben. Durchschnittlich kostet ein Rind etwa so viel wie ein Kleinwagen. Philipp Weber sieht die Sendung und ist gleich fasziniert von den Tieren. Also beschließt der Kaichener, selbst Wagyu zu züchten.

VOM JAPANISCHEN ZUGTIER ZUM EDELRIND

Als Wagyu werden spezielle Rinderrassen aus Japan bezeichnet. Übersetzt heißt »Wagyu« aber schlicht »japanisches Rind«. Die kräftigen schwarz bis braunen Tiere wurden zunächst zum Lastenziehen eingesetzt, informiert der Wagyu-Verband Deutschland.

Aufgrund buddhistischer Lehren sei das Essen von Rindfleisch in Japan für Jahrhunderte per Gesetz verboten gewesen. Mit der Meiji-Dynastie um 1867 und der damit verbundenen Entwicklung Japans zum Industriestaat wurde das Verbot wieder aufgehoben. Erst jetzt habe sich die besondere Fleischqualität der Rinder herumgesprochen. Als Luxusgut wird vor allem das streng geschützte Kobe-Fleisch gehandelt. Als Kobe dürfen nur Wagyu aus der japanischen Region Kobe gehandelt werden.

Viele Kriterien wie Region, Fettgehalt, Futter und schließlich auch die Nachfrage bestimmen den Preis. Dieser kann zwischen 25 bis mehrere Hundert Euro pro Kilogramm betragen. cos

Die Umsetzung gestaltete sich nicht einfach. Japan hatte zur Jahrtausendwende die Ausfuhr von Wagyu-Genetik in jeglicher Form gestoppt: egal ob lebende Tiere, Embryonen oder Sperma. Allerdings hatten sich bereits einige Betriebe in den USA und Australien auf die Zucht der Rinder spezialisiert. Über diese Wege gelangten Wagyu auch nach Deutschland. Philipp Weber nahm Kontakt zu einem Züchter in Thüringen auf, der ihm Wagyu-Embryonen verkaufte. Diese wurden zwei gewöhnlichen Milchkühen eingesetzt, die schließlich zwei Wagyu-Kälbchen zur Welt brachten.

Um das Fleisch als Wagyu vermarkten zu dürfen, musste Philipp Weber einen DNA-Test erbringen. Hierfür wurden den Tieren Haarproben entnommen und diese im Labor untersucht.

Heute stehen die Wagyu nur etwa 500 Meter vom elterlichen Hof in Kaichen entfernt in gepachteten Stallungen von Volker Zimmermann. Rund sechs Jahre nach dem Start misst die Herde von Philipp Weber 40 Tiere. Davon sind 13 reinrassig Wagyu, drei sind Angus-Rinder und sieben sind Wangus - Kreuzungen von Wagyu und Angus. Der Wagyu-Anteil werte das Fleisch auf, durch die Angus-Komponente bleibe es günstig. Je höher der Fettgehalt, desto teurer wird Wagyu-Fleisch. In einigen japanischen Betrieben dürften sich die Tiere deshalb kaum bewegen, sagt Philipp Weber. Der Kaichener legt Wert auf Tierwohl: Von April bis Ende Oktober kämen seine Rinder auf die Weide und im Stall hätten die Tiere Stroh, Licht und ausreichend Platz. Sie würden mit nachhaltigem Kleegras gefüttert und die Kälber nicht von ihren Müttern getrennt.

Geboren, aufgewachsen, geschlachtet und vermarktet in Kaichen. „Fleisch soll wieder einen höheren Stellenwert bekommen“, sagt Weber. Der junge Bauer könnte sich einen Weg wie vor 60 Jahren vorstellen, als der Sonntagsbraten noch etwas Besonderes war.

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