Auf den Ernstfall vorbereiten

Unwetter, Pandemie, gefundene Weltkriegsbombe: Wie sich die Bevölkerung auf solche Ausnahmesituationen vorbereiten kann, vermittelt der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) regelmäßig in kostenfreien Kursen - auch in Karben. Koordinator Marcel Bildhäuser spricht im Interview über die wichtigsten Tricks, Panikmache - und wie er das Risiko für die Wetterau einschätzt.
Der ASB gibt Kurse zur Krisenvorbereitung, zuletzt Anfang März in Karben. Warum ist das aus Ihrer Sicht nötig?
Weil wir der Meinung sind, dass die Bevölkerung nicht gut oder teilweise sogar falsch vorbereitet ist. Ein Sinnbild dafür waren die Toilettenpapier-Hamsterkäufe in der Corona-Pandemie: Ein solcher Vorrat nutzt nichts mehr, wenn - beispielsweise aufgrund einer Evakuierung - die Wohnung verlassen werden muss. Ein anderes Beispiel: Es bringt ebenso wenig, Nudeln in riesigen Mengen zu bevorraten, ohne andere Bausteine mitzudenken. Denn wenn kein Wasser mehr da ist, weil eine Wasserleitung gerissen ist oder Verunreinigungen bestehen, sind die Nudeln nutzlos.
Bewegen wir uns, wenn so viele Szenarien mitgedacht werden, nicht schnell auf einer Gratwanderung zur Panikmache?
Das hat nichts mit Panikmache zu tun! In der Woche unseres Kurses in Karben Anfang März wurden gerade zwei Weltkriegsbomben in Offenbach und Hanau gefunden. Die Menschen mussten innerhalb von zwei Stunden die Wohnung verlassen - auf unbestimmte Zeit, da unklar war, wie lang die Entschärfung dauern würde. Das traf viele völlig unvorbereitet! Und in zwei Stunden das Wichtigste in der Wohnung zusammenzusuchen, ist keine einfache Aufgabe. Deshalb ist das Vorhalten einer Notfalltasche eine unserer Empfehlungen.
Gibt es eine Art Checkliste, mit der sich Menschen auf solche Situationen einstellen können?
Ja. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe gibt eine solche Checkliste an die Hand. Die bekommen die Teilnehmer unserer Kurse immer ausgehändigt. Sie umfasst alles vom Grundvorrat über die Hausapotheke bis hin zum Notgepäck, beispielsweise für eben solche Bombenfunde. Einige Fragen, die darin aufgeführt sind, haben viele Menschen gar nicht auf dem Schirm: Gibt es im Haushalt ein Rundfunkgerät, das auch bei einem Stromausfall funktioniert? Können Dokumente auf einem USB-Stick gesichert werden? Denn bei einer Flutkatastrophe unzählige Ordner zu retten oder zu durchforsten, ist schlichtweg nicht möglich.
Sind solche Empfehlungen 1:1 auf jeden Haushalt übertragbar?
ZUR PERSON
Marcel Bildhäuser ist Koordinator für die Breitenausbildung und den Sanitätsdienst im Regionalverband Mittelhessen des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB). Teils gibt er auch selbst Kurse zur Krisenvorbereitung.
Der ASB gibt regelmäßig Kurse unter dem Titel „Fit für die Krise - Vorbeugung und Reaktion in Notlagen“. Im ersten Quartal waren 18 Termine in Wetterau und Main-Kinzig-Kreis geplant.
Die nächsten Kurse finden in Niddatal an zwei Freitagen im März, 17. und 31., jeweils von 18 bis 20 Uhr, in Niddatal im Weißen Saal im Haus St. Gottfried, Im Kloster 6, und in Karben am Donnerstag, 30. März, von 19 bis 21 Uhr, in der Dieselstraße 9 statt. Die Kurse sind kostenfrei, eine vorherige Anmeldung ist nötig unter www.asb-mittelhessen. de/ausbildung.
Die Seminare zur Krisenvorbereitung sind Teil des Programms „Erste Hilfe mit Selbstschutzinhalten“, das in acht Module unterteilt ist. Vorbeugung und Reaktion in Notlagen ist Modul zwei. jkö
Es gilt, die Faustregeln auf die persönlichen Bedürfnisse anzupassen. In unseren Kursen arbeiten wir daher auch viel in kleinen Gruppen, wir wollen keine reine Präsentation. Die Teilnehmer sollen ihre eigenen Ideen einbringen und passende Schritte für sich identifizieren. Zwei Überlegungen sind dabei essenziell: Platz und Lage. Wer ein Eigenheim und einen kühlen Keller hat, kann natürlich mehr bevorraten als ein Single-Haushalt in einer Zweizimmerwohnung. Damit einher geht die Überlegung, wie viele Menschen im Haushalt leben. Darüber hinaus geht es um die geografische Lage des Zuhauses: Auf einem Berg ist eine Flutkatastrophe natürlich weniger wahrscheinlich als im Tal.
Auf welche Notsituationen sollten sich denn die Menschen im Wetteraukreis gezielt einstellen?
Das kann man nicht pauschal beantworten. Dafür gibt es zu viele potenzielle Situationen, die schlichtweg nicht voraussehbar sind, etwa eine Kälteperiode oder Energieausfall. Das gilt aber flächendeckend für ganz Deutschland, nicht nur für die Wetterau.
Wie gut sind die Karbener vorbereitet?
Menschen machen sich - nicht zuletzt aufgrund der Erfahrungen in der Corona-Pandemie - mehr Gedanken zum Thema. Meist sind es Personen über 40 Jahre. Jüngere und gerade junge Familien, für die es so wichtig wäre, haben das Thema hingegen nicht auf dem Schirm. Sie sind oft schlecht vorbereitet und würden in eine Notlage kommen, etwa mit Blick auf die Bevorratung von Babynahrung. Wir versuchen, zu sensibilisieren und Werbung zu machen. Hochbetagten hingegen ist das Thema oft bewusst, sie haben die Erfahrung der Nachkriegsjahre.
Inwiefern bewirken Ihre Kurse ein Umdenken?
Neben den praktischen Tipps nehmen die Teilnehmer oft neue Gedanken mit. Ein Beispiel: Wir sind Technik im Alltag gewohnt. Die wenigsten denken darüber nach, was das in einer Krise bedeutet: Ohne Strom geht in manchen Supermärkten nicht mal mehr die Ladentür auf, geschweige denn funktionieren Tiefkühltruhe und Kasse. Das ist vielen nicht bewusst. Nach unseren Kursen denken sie neu - und sehen, dass Bauer oder Metzger im Ort eine wichtige Anlaufstelle wären, weil sie auch ohne Maschinen noch produzieren können.
Interview: Jana Sauer