Qualen im Stall
Der Kreis-Tierschutzbericht listet erschütternde Beispiele auf. Laut Veterinäramt wurden 26 Tierhalter wegen Vernachlässigung aus Vorsatz und Rohheit angeklagt.
Schmerzen, Vernachlässigung, Desinteresse: Auch der Jahresbericht für 2016, den das Veterinäramt des Wetteraukreises jetzt vorgestellt hat, listet wieder zahlreiche haarsträubende Verstöße gegen das Tierschutzgesetz auf. Dass hier nur die Spitze des Eisbergs sichtbar ist, legt schon ein Blick auf die Zahlen nahe: Die Behörde ist für 1900 landwirtschaftliche Betriebe zuständig, in denen etwa 20 000 Schweine, 20 000 Rinder, 7500 Schafe, 4300 Pferde, 920 Ziegen, 150 000 Hühner und 6700 sonstiges Geflügel gehalten werden – außerdem für Zoogeschäfte, Tiertransporte, Hundezuchten, Tierheime und Zirkusse.
Im Wetteraukreis habe man im vergangenen Jahr „ungewöhnlich häufig besonders massive und erschreckende Tierschutzfälle“ aufgedeckt, berichtet das Veterinäramt. Man müsse hier von „Vorsatz und Rohheit der Tierhalter“ sprechen. In 26 Fällen wurde ein Ordnungswidrigkeitsverfahren mit Geldbußen bis zu 1000 Euro eingeleitet. In vier Fällen waren die Verstöße so massiv, dass sie vor Gericht landeten. Dabei sei Tierschutz ein Staatsziel, wie Landrat Joachim Arnold (SPD) bei der Vorstellung des Berichts betonte.
Die Beispiele, von denen Veterinäramtsleiter Rudolf Müller berichtete, lassen ahnen, was die untersuchten Tiere durchmachen mussten. Ein „schlimmer und erschreckender Fall“ betraf ein halb verhungertes Pferd, das extrem abgemagert und ungepflegt war. Im Verlauf der Kontrolle, die auf eine Anzeige hin folgte, wurde auf demselben Grundstück außerdem ein blinder Hund in einem Schuppen gefunden, der hier offensichtlich schon länger ohne jede Pflege eingesperrt war. Beide Tiere mussten vor Ort eingeschläfert werden. Die Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen den Besitzer erhoben.
Bei einer Routinekontrolle entdeckten die Veterinäre bei einem Landwirt eine Kuh mit riesiger eitriger Kopfwunde – offenbar war hier eine Verletzung ein halbes Jahr überhaupt nicht behandelt worden. Auch dieses Tier wurde eingeschläfert, gegen den Landwirt Strafanzeige erstattet.
Aufgrund einer Anzeige überprüfte das Veterinäramt auch einen Schrebergarten mit Hühnerhaltung, in dem sich den Veterinären ein Bild schlimmster Vernachlässigung bot: Von den hier gehaltenen neun Hühnern waren lediglich drei noch lebendig, Futter wurde nicht gefunden. Der Tierhalter zeigte sich gleichgültig. Gegen ihn wurde ebenfalls Strafanzeige gestellt.
In sieben Fällen wurde 2016 ein generelles Tierhalteverbot ausgesprochen, unter anderem gegen die Tochter eines ehemaligen Landwirtes. Er hatte bereits ein Haltungsverbot und deshalb den gesamten Betrieb seiner Tochter überschrieben. Bei einer Kontrolle zeigte sich, dass sich die Tierhaltung so massiv verschlechtert hatte, dass die Beschlagnahmung und anderweitige Unterbringung der Tiere, insgesamt 14 Hunde, zwei Pferde, zehn Schafe, 31 Rinder und 64 Hühner angeordnet wurde.
Für das Veterinäramt seien die Anzeigen der Bürger essentiell, betonte die Behörde. Man könne nur gegen Missstände vorgehen, wenn diese bekannt seien. Die Bearbeitung von Tierschutzanzeigen stelle einen Großteil der Tierschutzarbeit dar. aph