Heute wird es kämpferisch

Im 21. Jahrhundert gibt es beim Thema Gleichberechtigung aller Menschen - egal welchen Geschlechts - noch viel zu tun. Auch hier in Deutschland, in der Wetterau, liege einiges im Argen, sagen Malin Potengowski und Lisa Steinbrück vom neuen „Feministischen Bündnis Friedberg 8. März“. Sie organisieren eine Demo, die heute laut und kämpferisch durch die Kreisstadt zieht.
Proteste im Iran gegen das Mullah-Regime, Frauen, die in Friedberg als angebliche Hexen ermordet worden sind - ob in der Ferne oder in der Nähe, ob vor Jahrhunderten oder heute: Es gibt viele Gründe, warum am Internationalen Frauentag für Gleichberechtigung und gegen Verfolgung und Diskriminierung demonstriert wird. So auch in Friedberg.
Für den heutigen Mittwoch ruft das neu gegründete „Feministische Bündnis Friedberg 8. März“ zu einer Demonstration auf (siehe Info-Kasten). Diese Zeitung hat im Vorfeld der Demo mit zwei der Initiatoren, Malin Potengowski und Lisa Steinbrück, darüber gesprochen, wo aus ihrer Sicht hier und heute noch Diskriminierung und Benachteiligung aufgrund des Geschlechts vorkommen.
Der Internationale Frauentag, den es seit 112 Jahren gibt und der seit 102 Jahren auf dem 8. März liegt, trägt auch die Bezeichnung Frauenkampftag. Die Friedberger Akteurinnen verwenden den Begriff „Feministischer Kampftag“ und geben sich entsprechend kämpferisch. In der Einladung zur Demo heißt es: „Unser Bündnis stellt sich klar und deutlich an die Seite derer, die vom patriarchalen System unterdrückt werden, und wehrt sich mit der Veranstaltung gegen jede Form der geschlechtsspezifischen Gewalt. Klargestellt werden soll: Der achte März ist und bleibt Kampftag! Die Gleichstellung von Frauen ist auch in Deutschland noch lange nicht erreicht, ob in Beziehungen, auf dem Arbeitsmarkt oder in der Forschung. Noch größerer Nachholbedarf besteht bei trans* und nichtbinären Personen.“
„In Deutschland trifft einen vor allem dieser strukturelle Alltagssexismus“, sagt Lisa Steinbrück. Auch wenn das kein Vergleich zur Lage im Iran sei. Steinbrück hat fünf Jahre Psychologie studiert, ist in der Jugendarbeit tätig, arbeitet zudem als Vertretungslehrerin. Demnächst wird sie eine Therapeutenausbildung beginnen. Dennoch sagt sie: „Ich stehe immer noch Männern gegenüber, die total überrascht sind, was ich mache.“ Malin Potengowski schildert seine Erfahrungen aus der LGBTQ-Sicht. Er werde nach seinem Äußeren beurteilt, sagt er, werde auf sein Geschlecht reduziert. „Alles, was meine Person ausmacht, ist, dass ich mich als sexuelles Objekt gut eigne“, beklagt Potengowski.
Die ländlichen Strukturen der Wetterau machten es queeren Frauen und Menschen schwer, Schutzräume und -strukturen gebe es hier kaum. Bevor im Friedberger Junity der „Farbenfroh“-Treff für queere Menschen etabliert worden sei, habe man sich eher Richtung Frankfurt orientiert.
DIE VERANSTALTUNG
Unter dem Motto „Feminismus raus aus dem Dunkeln. Wir holen uns die Nacht zurück“ findet am heutigen 8. März in Friedberg die Demonstration anlässlich des Internationalen Frauentages statt.
Los geht es um 19 Uhr am Burgvorplatz, Ziel ist die Stadtkirche. Organisiert wird die Demo vom neu gegründeten „Feministischen Bündnis Friedberg 8. März“. „Wir haben uns getroffen, weil wir endlich was machen wollten, weil hier seit Jahren nichts passiert ist“, sagt Lisa Steinbrück. Die Veranstalter rechnen, wie sie sagen „optimistisch“, mit 150 Demo-Teilnehmenden.
Auf jeden Fall werde es eine laute und fordernde Veranstaltung. „Wir zeigen: Wir sind hier, ihr seid nicht alleine“, sagt Lisa Steinbrück. „Jetzt haben wir uns als Gruppe, und wir fühlen uns unglaublich wohl in dieser Gruppe.“ agl
Es sei schwierig, außerhalb solcher „Schutzräume“ als queere Person in der Gesellschaft aktiv zu sein. Beispiel Sportverein: „Der Körper wird gesehen, der Körper wird wahrgenommen, und es ist sehr offensichtlich, dass queere Körper anders sind“, sagt Malin Potengowski.
Problematisch sei die Situation für queere Menschen und für Frauen auch in der Kirche. Diese stehe immer schon für Konservatismus und Rückschritt, kritisiert Potengowski. Die Kirche bestimme noch das Gesellschaftsbild vieler Menschen. „Das Frauenbild in der Kirche ist unglaublich schwierig“, äußert sich Steinbrück ähnlich. „Warum spielen Frauen immer die Rolle der Hausfrauen, der Mütter. Das können sie ja gerne tun, aber bitte selbstbestimmt.“
Steinbrück beklagt auch: „Wir leben leider in einem System, in dem man Erfolg haben kann, wenn man wie ein Mann agiert.“ Könne man aber weibliche Qualitäten wie zum Beispiel Emotionalität und Empathiefähigkeit vorweisen, dann werde man leicht abgestempelt. Dabei seien solche Eigenschaften doch genauso wichtig für den Erfolg.
Um die Situation für Frauen und queere Menschen in der Gesellschaft zu verbessern, sieht Lisa Steinbrück auch die Schulen in der Pflicht. „Wenn die Kinder lernen, dass mein Gegenüber ein Mensch ist, und erst mal das wahrnehmen, dann ist eine Klasse stark. Ich verstehe zum Beispiel nicht, warum es nicht eine Stunde Ethik pro Woche verpflichtend gibt. Das könnte die Problematik verbessern.“
Bei der Demonstration am heutigen Mittwoch in Friedberg werden Bögen geschlagen in andere Länder, in andere Zeiten und in die Gegenwart. Ein Straßenschild in der Kreisstadt schlägt einen Bogen in ein dunkles Kapitel der eigenen Geschichte: Es erinnert an Susanna Edelhäuser, die als angebliche Hexe zum Tod durch das Schwert verurteilt und am 31. März 1665 hingerichtet worden ist.