Bundestagswahl: Wetterau entsendet ein sozial-liberales Duo nach Berlin

Natalie Pawlik (SPD) gewinnt das Direktmandat im Wahlkreis 177 (Wetterau I), zu dem 17 der 25 Kreiskommunen gehören. Peter Heidt schafft den Einzug in den Bundestag über die Landesliste der hessischen FDP.
Update vom Montag, 27.09.2021, 8.30 Uhr: Seit den frühen Morgenstunden ist klar: Die Wetterau wird in der neuen Wahlzeit mit Natalie Pawlik (SPD) und Peter Heidt (FDP) mit gleich zwei Bundestagsabgeordneten in Berlin vertreten sein. Heidt, der auf Platz sieben der hessischen Landesliste der FDP stand, teilte am frühen Montagmorgen ein Bild mit der Unterzeile „Um 04:51: Drin“ und einem lächelnden Smiley.
Laut dem vorläufigen Wahlergebnis kam Pawlik bei den Erststimmen auf 29,7 Prozent. Armin Häuser, der frühere Bad Nauheimer Bürgermeister und amtierende Vorsitzende des Wetterauer Kreistags, der nicht über die CDU-Landesliste abgesichert war, landete mit 28,3 Prozent der Stimmen auf dem zweiten Platz. Für die Grünen-Kandidatin Michaela Colletti wurden 13,9 Prozent, für FDP-Mann Heidt 11,0 Prozent und für den AfD-Bewerber Andreas Lichert 8,3 Prozent der Stimmen abgegeben.
Wetterau: SPD löst CDU als stärkste politische Kraft ab
Bei den Zweitstimmen löste die SPD die CDU als stärkste politische Kraft in der Wetterau ab. Die SPD kam in ihrem einstigen Stammland auf 26,2 Prozent und legte um dreieinhalb Prozentpunkte zu. Die CDU verlor 8,4 Prozentpunkte und kam mit 23,6 Prozent auf Platz zwei.
Die Grünen legten 6,5 Prozentpunkte auf 16,0 Prozent zu, die FDP erhielt 13,9 Prozent (+1,1), die AfD 8,5 Prozent (-3,1) und die Linke 3,6 Prozent (-3,2). Die Wahlbeteiligung im Wahlkreis 177 lag mit 78,5 Prozent 0,2 Prozentpunkte unter dem Wert der Bundestagswahl 2017.
Bundestagswahl: Der Wahlkreis 177 - Wetterau war einst eine SPD-Hochburg
Erstmeldung vom Freitag, 24.09.2021, 19:30 Uhr: Die Wetterau galt viele Jahrzehnte lang als Hochburg der Sozialdemokratie in Hessen. Von 1949 bis 1980 gewannen Wilhelm Knothe, Kurt Moosdorf, Willi Richter, Lucie Beyer und Georg Schlaga bei den Bundestagswahlen jeweils die Direktmandate in den früheren Landkreisen Büdingen und Friedberg und dann im Wahlkreis Wetterau, der zuletzt 2013 neu zugeschnitten wurde.
Die jahrzehntelange Dominanz der SPD endete erst 1983 nach dem Ende der sozialliberalen Koalition in Bonn, als der damalige Bundespostminister Christian Schwarz-Schilling bei der ersten Bundestagswahl nach der Wahl von Helmut Kohl (beide CDU) zum Bundeskanzler das Direktmandat erringen konnte. Erst 1998 gelang es der späteren Wetterauer SPD-Vorsitzenden Nina Hauer, Schwarz-Schilling zu besiegen und das Direktmandat zwei Mal – 2002 und 2005 – zu verteidigen.
Wahlkreis 177: CDU Wetterau inzwischen stärkste politische Kraft
Die politischen Verhältnisse im einstigen Stammland der SPD haben sich in den vergangenen Jahrzehnten allerdings gewandelt. Bei der Kommunalwahl im Frühjahr konnte die CDU ihre Rolle als stärkste politische Kraft in der Wetterau behaupten.
Und auch der geänderte Zuschnitt des Bundestagswahlkreises 177 mit dem Verlust von acht Städten und Gemeinden kam der CDU entgegen, weil vor allem in den größten Städten in der Wetterau die Wählerinnen und Wähler der CDU ihre Stimmen geben. Ob dies auch bei der Bundestagswahl am kommenden Sonntag so sein wird, bleibt abzuwarten.
Wahlkreis 177
17 der 25 Wetteraukommunen gehören zum Bundestagswahlkreis 177 (Wetterau I) - darunter mit Bad Nauheim, Bad Vilbel, der Kreisstadt Friedberg und Butzbach die vier Städte mit den meisten Einwohnerinnen und Einwohnern. Zum Wahlkreis gehören ferner die Kommunen Echzell, Florstadt, Karben, Münzenberg, Nidda, Niddatal, Ober-Mörlen, Ranstadt, Reichelsheim, Rockenberg, Rosbach, Wölfersheim und Wöllstadt.
Acht Kommunen – Altenstadt, Büdingen, Gedern, Glauburg, Hirzenhain, Kefenrod, Limeshain und Ortenberg – gehören zum Wahlkreis 175 (Main-Kinzig – Wetterau II – Schotten). Damit soll sichergestellt werden, dass die Wahlkreise ähnlich viele Wählerinnen und Wähler im Bundestag repräsentieren.
Zur Wahl am 26. September sind in 308 Wahlbezirken rund 178 000 Bürgerinnen und Bürger wahlberechtigt. jjo
Wahlkreis 177 - Wetterau I: Ministerium und Vorstandsposten statt Bundestag
Nach der Wetterauer CDU-Vorsitzenden Lucia Puttrich, die nur ein Jahr nach dem Einzug in den Bundestag ihr Mandat niederlegte, um als Umweltministerin nach Wiesbaden zu wechseln, gewann zuletzt zwei Mal Oswin Veith für die CDU den Wahlkreis. Doch auch Veith zog es im März 2020 vor, einen lukrativen Vorstandsposten bei der Oberhessischen Versorgungsbetriebe AG in Friedberg anzunehmen und legte ebenfalls sein Mandat nieder.

Vor vier Jahren wurden 36,4 Prozent der Erststimmen für den CDU-Kandidaten Veith abgegeben, 29,0 Prozent für die SPD-Kandidatin Natalie Pawlik, die auch diesmal wieder antritt. Knapp elf Prozent bekam der AfD-Kandidat, während die Kandidatin der Grünen und Peter Heidt (FDP) auf etwas mehr als acht Prozent kamen.
Wetterau: Im Wahlkreis 177 leben viele Pendlerinnen und Pendler
Im Wahlkreis Wetterau I, der den Westen und die Mitte des Landkreises umfasst und in dem rund 243 000 Menschen leben, wurde in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten viel in den Straßenbau investiert. Derzeit werden zwischen Bad Vilbel und Frankfurt zusätzliche Gleise für die S-Bahn gebaut und auch der Friedberger Bahnhof wird modernisiert.
Diese Investitionen freuen viele Menschen, die täglich mit dem Auto zu ihrer Arbeitsstelle pendeln. Mehr als die Hälfte aller Wetterauer Berufstätigen verlässt mittlerweile auf dem Weg zur Arbeit die Grenzen des Landkreises. Sie sind auf gute Verkehrswege angewiesen und werden es in Zukunft noch mehr sein. Denn die Bevölkerung in der Wetterau wächst seit Jahren stetig.
Wahlkreis 177: In der Wetterau sind viele Wohnquartiere entstanden
Große Wohngebiete sind in Bad Vilbel, Karben und Friedberg entstanden – also in den Städten, die über einen S-Bahn-Anschluss verfügen und die durch den viergleisigen Ausbau der S-Bahn-Linie 6 künftig noch besser und pünktlicher angebunden werden sollen. Aber auch in den Kommunen in der Nähe der Autobahn 5, wie etwa in Rosbach und Bad Nauheim, sind in den vergangenen Jahren neue Wohnquartiere entstanden.
Der Bund will die auch bei Pendlern beliebte Autobahn perspektivisch zwischen dem Gambacher Kreuz im Norden der Wetterau und dem Frankfurter Nordwestkreuz von sechs auf acht Fahrspuren verbreitern.
Bad Vilbel ist die größte Stadt im Wahlkreis 177 - Wetterau I
Entlang der A5 sowie im südlichen Teil des Wahlkreises residieren große Arbeitgeber, allen voran der Arzneimittelhersteller Stada in Bad Vilbel mit mehr als 1000 Beschäftigten. Bad Vilbel ist die an Einwohnern größte Stadt der Wetterau. Die zahlreichen Heil- und Mineralwasserquellen machen die Stadt überdies zu einem bedeutenden Zentrum der deutschen Mineralwasserindustrie. Etwa zehn Prozent des in der Bundesrepublik getrunkenen Mineralwassers stammt aus dem Wahlkreis. Die zweitgrößte Stadt der Wetterau, Bad Nauheim, ist als Kur- und Klinikstandort weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt.
Gleich mehrere mittelständische Unternehmen haben sich in ihrer Branche einen Namen gemacht, zum Beispiel der Büromöbelhersteller König + Neurath in Karben oder der Biomodehersteller Hessnatur in Butzbach. Ferner prägen kleinere und mittelständische Unternehmen die Wetterauer Wirtschaft.
Trotz der dynamischen wirtschaftlichen Entwicklung hat sich die Region ihre Ursprünglichkeit bewahrt. Fast die Hälfte der Kreisfläche wird landwirtschaftlich genutzt. Die Natur ist von Feldern und einer Hügellandschaft geprägt.
Die Kandidatinnen und Kandidaten
CDU: Armin Häuser (57) wird ganz oben auf den Wahlzetteln stehen. Der frühere Erste Stadtrat von Nidda und Bad Nauheim war von 2011 bis 2017 Bürgermeister von Bad Nauheim. Seit 2018 leitet der Diplom-Verwaltungswirt das hessische Kompetenzzentrum für Telemedizin und E-Health in Gießen als Geschäftsführer. Seit 2016 ist Häuser Vorsitzender des Wetterauer Kreistags.
SPD: Natalie Pawlik (29) wurde 1992 im sibirischen Wostok geboren. Nach einem Bachelorstudium der Geschichts- und Kulturwissenschaften an der Justus-Liebig-Universität Gießen arbeitet Pawlik derzeit als leitende Angestellte. Zudem absolviert sie den Masterstudiengang Gesellschaft und Kulturen der Moderne, ebenfalls an der Universität in Gießen. Bei der Bundestagswahl 2017 unterlag Pawlik Oswin Veith, dem Direktkandidaten.
FDP: Peter Heidt (56) ist derzeit der einzige Bundestagabgeordnete aus der Wetterau. Der Rechtsanwalt rückte im Juli 2019 über die Landesliste in den Bundestag nach, nachdem die frühere FDP-Generalsekretärin Nicola Beer in das Europaparlament gewechselt war. Heidt, der auch dem Kreisvorstand der Wetterauer FDP angehört und Fraktionsvorsitzender der FDP im Wetterauer Kreistag ist, ist auch als Stadtverordneter in Bad Nauheim aktiv.
AfD: Andreas Lichert (46) absolvierte ein duales Studium der Informationstechnik an der Berufsakademie Mannheim. Seit 2003 ist der Bad Nauheimer geschäftsführender Gesellschafter der Lichert GmbH. Von 1998 bis 2002 war er Mitglied der FDP. 2013 trat er in die AfD ein. Seit Januar 2019 ist Lichert Abgeordneter des hessischen Landtags. Kreissprecher der Wetterauer AfD ist Lichert seit 2018. Von 2016 bis 2021 war er als ehrenamtlicher Kreisbeigeordneter Mitglied des Kreisausschusses.
Grüne: Michaela Colletti (57) aus Nieder-Rosbach leitet seit 25 Jahren einen Sprachenservice. Die Wirtschaftsdolmetscherin spricht sechs Sprachen. Erst vor sieben Jahren entschloss sich Colletti, in der Kommunalpolitik aktiv zu werden. Sie engagiert sich im Ortsverband und in der Fraktion der Grünen in Rosbach. Colletti gehört auch der Rosbacher Stadtverordnetenversammlung und dem Wetterauer Kreistag an und ist zudem Vorstandssprecherin des Kreisverbands der Grünen.
Die Linke: Julian Eder (23) bewirbt sich, ebenso wie Natalie Pawlik, zum zweiten Mal um das Direktmandat im Wahlkreis Wetterau I. 2017 hatten 4,9 Prozent der Wählerinnen und Wähler für Eder gestimmt, der in Bad Nauheim wohnt und eine Ausbildung als Fachkraft Abwassertechnik in einer Kläranlage macht.
Freie Wähler: Cenk Gönül (51), ausgebildeter Elektrotechniker, betreibt seit mehr als zwei Jahrzehnten als Gastronom ein Bistro in Reichelsheim.
Piratenpartei: Stephan Flindt (62) arbeitet als Systemprogrammierer bei einer Versicherung in Frankfurt. Bei der Piratenpartei engagiert sich Flindt seit elf Jahren. Vier Jahre lang gehörte er dem Wetterauer Kreistag an.
Die Basis: Eva Rosen (36) ist Anhängerin der „Querdenken“-Bewegung. Die Karbenerin trat im vorigen Jahr der Partei „Wir 2020“ bei, wurde stellvertretende Bundesvorsitzende und verließ die Partei im Januar wieder. jjo