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Der Kampf um Flächen

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Die Hochlandrinder von Dennis Bruce sind das ganze Jahr im Freien. lenz (2) © Myriam Lenz

Glauburg - Flächen sind in der Region rar und hart umkämpft. Tiergerechte Weidehaltung, wie sie die Ökomodellregion Wetterau bewirbt, wird dadurch erschwert. Ein Beispiel aus Oberhessen zeigt: Streuobstwiesen sind scheinbar wichtiger als artgerechte Tierhaltung.

Seit 2020 züchtet Dennis Bruce aus Stockheim Hochlandrinder. Das Ziel des gebürtigen Büdingers ist, qualitativ hochwertiges Fleisch von artgerecht gehaltenen Rindern zu produzieren. Für seine Tiere benötigt er Flächen. Doch die sind rar und hart umkämpft. Zudem wird der Flächenschutz über eine artgerechte Tierhaltung gestellt.

Flächen sind begehrt: vom Naturschutz, den Landwirten, den Kommunen, den Pferdehaltern. Dennis Bruce hält 31 Rinder. Sein Betrieb Natur Pur Wetterau ist mittlerweile in der Region eine Marke. Das Fleisch seiner Rinder ist begehrt: Schließlich werden die Tiere ganzjährig auf den Weiden gehalten und keinen langen Schlachttransporten ausgesetzt. Seine Rinder fährt er persönlich zu einem Schlachtbetrieb nach Altenhaßlau in der Gemeinde Freigericht. Seine Vermarktung ist professionell. Der 42-jährige Diplom-Betriebswirt könnte weit mehr Fleisch verkaufen, als er hat. Bruce bietet auch Tierpatenschaften an, „damit die Leute ein Gefühl für die Tiere entwickeln“. Das Ganze sollte, so könnte man meinen, perfekt in das Konzept der Ökomodellregion Wetterau passen.

Für die Betreuung seiner Rinder macht er Kilometer, weil seine 15 Hektar in Glauburg, Florstadt und der größte Teil in Maintal verstreut sind. In Stammheim stampfen neun zottelige und handzahme Rinder auf dem hangigen Grundstück. Es ist vorwiegend grün, doch auf der unteren Ebene, wo auch die Futterraufe steht, matschig-braun. Das ist ebenso wie beim Heckrinder-Projekt des Naturschutzfonds Wetterau in Stockheim der Witterung geschuldet. Etwa 30 Hektar benötigt Dennis Bruce für seine Zucht. Doch seine über drei Jahre dauernden Bemühungen waren wenig erfolgreich.

Am 4. März veröffentlichte er auf Facebook einen Hilferuf. „Nichts als Absagen oder Hinhalten - daneben haben wir erst eine öffentliche Fläche von 900 qm (!) in der Wetterau pachten können. Sonst haben wir null - bei insgesamt gefühlten 100 Telefonaten und Bewerbungen. Teils werden wir einfach nur als lästig abgetan. Teils angehört und nie mehr kontaktiert. Teils seit Jahren angeblich auf Listen gesetzt. Es wundert wohl kaum, dass immer weniger Rinder in unserer Landschaft stehen.“

NATURSCHUTZFONDS

Wie gelangt man an Flächen des Naturschutzfonds? „Grundsätzlich finden nur wenige Bewirtschaftungswechsel auf Flächen des Naturschutzfonds statt, da wir eine langfristige und vertrauensvolle Zusammenarbeit anstreben“, antwortet die Pressestelle des Wetteraukreises auf Anfrage dieser Zeitung.

Steht ein Wechsel des Bewirtschafters an, erfolge die Auswahl der Folgenutzung nach dem obersten Ziel der Erhaltung und Förderung des Biotops. Die Anforderungen an die richtige Pflege einer Fläche könnte je nach Standort individuell sein. Bei der Suche werde je nach Sachlage mit Kommunen und Verwaltung sowie lokalen Partnern aus den Bereichen Naturschutz und Landwirtschaft gesprochen und individuell nach Akteuren vor Ort geschaut.

Eine Liste mit potenziellen Interessenten für Flächenbewirtschaftung bestehe. Wichtig sei zudem naturschutzfachliches als auch landwirtschaftliches Know-how. myl

Mit seiner öffentlich formulierten Kritik und seinem selbstbewussten Auftreten eckt er an. Florstadts Bürgermeister Herbert Unger erklärte ihm in einem Brief die Vergabekriterien der Gemeinde, wirkte verschnupft. Für künftige Entscheidungen, so warnt der Florstädter Rathauschef durch die Blume, wollte er doch ungern den Magistrat verärgern. In Stammheim darf Dennis Bruce nicht mehr über einen unbefestigten Feldweg fahren, wenn er mit seinem Fahrzeug Futter oder anderes zur Koppel transportieren will. Der Reifendreck führte im Ort zu Beschwerden.

Bei der Gemeinde Glauburg hatte er bislang ebenfalls kein Glück. Viele Flächen seien an den Landschaftspflegeverband Naturschutzfonds Wetterau verpachtet, kritisiert Bruce. Diese Flächen seien somit aus der Lebensmittelproduktion herausgenommen. Aktuell bemüht er sich um die Aufnahme in die Bewirtschaftung des Naturschutzfonds.

Zudem bekommt Dennis Bruce Ärger mit der Unteren Naturschutzbehörde: Die Trittstellen um die Futterstelle entsprächen nicht den landschaftspflegerischen Gesichtspunkten, wurde ihm schriftlich mitgeteilt. Die Beweidung diene der Landschaftspflege, dem Schutz von Biotopen und Streuobstwiesen. Daher müsse die Anzahl der Tiere an die zur Verfügung stehende Weidefläche angepasst sein. Auch die Einzäunung müsse nach der Beweidung entfernt werden, schreibt die Behörde.

Eine Zufütterung mit Heu auf den Flächen ist unerwünscht, aber geduldet. Für die verloren gegangene Grundfläche für vorhandene oder geplante Unterstände müsse er Ausgleichsflächen schaffen, für die Winterhaltung einen Acker pachten. Dennis Bruce erhielt eine lange Liste mit zu beantwortenden Fragen und eine fast so umfangreiche mit Auflagen für das Gelände. Keine Frage, der Mann ist gefrustet: „Mein Konzept und meine Vermarktung habe ich im Griff, das Land ist ein Landkampf.“ Der Fleischkonsum der Deutschen sei sehr hoch. In der Wetterau werde weniger als zwei Kilo Rindfleisch pro Kopf produziert - bei einem Pro-Kopf-Verbrauch von 12,5 Kilo. Dennis Bruce konstatiert: „Statt dieser Abwehrhaltung könnte mal jemand kommen und sagen, ,das ist gut, was du machst‘.“ Er hofft auf bessere Möglichkeiten in diesem Jahr.

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Dennis Bruce, Rinderhalter aus Stockheim. © Myriam Lenz

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