Das „Wir“ in Landwirtschaft

Ober-Mörlen - Vergangenes Jahr hat sich die Solidarische Landwirtschaft („SoLaWi“) an der Hüftersheimer Mühle in Ober-Mörlen noch in der Testphase befunden. Ab April soll es dort jetzt richtig losgehen - am besten mit 100 Anteilnehmern. Nina Miehling, Schatzmeisterin des Verein, erklärt das Konzept und warum auch Vertrauen dazugehört.
Viele Gemüsepflanzen auf den Feldern und in den Gewächshäusern rund um die Hüftersheimer Mühle warten darauf, dass das Wetter besser wird. Nicht mehr lange, bis die erste Ernte kommt - die Radieschen sind bald schon reif. Auf einem Acker sind Reihen abgeteilt - vor Kurzem wurden dort 500 Erdbeerpflanzen gesetzt. „Das sieht jetzt nach nichts aus, kommt aber noch“, sagt Nina Miehling und lacht. Sie ist als Schatzmeisterin Teil des Mitte März gegründeten Vereins „SoLaWi Hüftersheim“ und für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig.
Ihr Mann Stefan und sie haben den Hof vorher als Selbstversorger geführt, er gehört seiner Mutter Adelheid. Als Stefan Miehling länger ausfiel, fanden sich junge Interessenten, die ehrenamtlich weitermachten. Vergangenes Jahr gab es so viel Gemüse, dass sie das Konzept einer solidarischen Landwirtschaft - kurz „SoLaWi“ - testeten. 15 Anteile wollten sie anbieten, um zu schauen, wie das ankommt. „Das hat so gut funktioniert, am Ende waren es 20 bis 30“, sagt Nina Miehling. Damals hatte das Team noch keine Lagermöglichkeit - wohl aber den Plan, im kommenden Jahr mehr Anteile anzubieten.
„Jetzt machen wir das professionell“, sagt Miehling. Für dieses Jahr hat der Verein 100 Anteilnehmer angepeilt. „Das ist das, was wir erreichen müssten“, sagt Miehling im Hinblick auf die Kosten. Mit dem Geld können eineinhalb bis zwei Stellen für Gärtner gedeckt werden. Die sollen fest angestellt sein und fair bezahlt werden. „Also nicht am Mindestlohn kratzen“, sagt Miehling.
Auch die Schafhaltung wird damit unterstützt. Die Tiere tragen zu einem geschlossenen Hofkreislauf bei, sind in der Landschaftspflege eingesetzt. Ihr Mist ist Bestandteil des Komposts zum Düngen. Ab April geht es los - bis Ende April können sich Interessenten noch ihren Anteil sichern. Der kostet 95 Euro pro Monat. Dafür gibt es jede Woche eine Kiste mit frischem Obst und Gemüse. Alles biodynamisch, wenn auch ohne Zertifikat. „Die Kisten packen wir nicht selbst“, sagt Miehling.
KONTAKT
Wer sich für einen Anteil bei der „SoLaWi Hüftersheim„ interessiert, kann unter info@solawi-hueftersheim. de oder Tel. 01 57/58 17 94 45 Kontakt aufnehmen. Die Internetseite solawi- hüftersheim.de ist noch einige Tage in Bearbeitung und steht dann rund um die Uhr zur Verfügung.
Der Ernteanteil misst sich am durchschnittlichen Bedarf eines Zweipersonenhaushalts oder einer kleinen Familie. Singles können sich einen Anteil mit einer weiteren Person teilen. Es können sich auch Interessierte aus dem Raum Frankfurt melden. Die Verträge gelten ab April bis Ende Februar. keh
Es soll zwei Ausgabetage geben: Einen an der Mühle in Ober-Mörlen. Und einen dort, wo die meisten Kunden herkommen. Regionalität ist wichtig, also auch kurze Wege. Dazu hat der Verein einen Wagen gekauft, auf dem Kartoffeln, Karotten, Tomaten und Co. liegen werden. „Wir schreiben aus, wie groß der jeweilige Anteil ist. Die Mitglieder wiegen und packen selbst“, sagt Miehling. Überhaupt dürfen, können und sollen die Anteilnehmer mitbestimmen, „in welche Richtung es geht“. Möchten sie zum Beispiel mehr Erdbeeren oder Spargel haben, könne das arrangiert werden. Ende es Jahres soll es eine Mitgliederversammlung geben, in der überlegt werde, wie ein mögliches Plus reinvestiert werden könne. Zwar sei so kalkuliert, dass kein Gewinn entstehe, dennoch sei ein Teil des Budgets für etwaige Reparaturen der Maschinen bestimmt.
Zudem sei es nicht nur erwünscht, sondern absolut willkommen, dass sich die Kunden einbringen und mithelfen auf dem Hof. „Das ist ein Wir“, sagt Miehling. „Jeder, der sich einbringen möchte und kann, darf.“ Es sei nicht eine kleine Gemeinschaft von Leuten, die alles mache. Das könne und solle gemeinsam entstehen - der solidarische Gedanke eben. „Mit dem Unterschied, dass die Kunden nicht auf dem Acker rumstiefeln müssen.“
Die Menge an Obst und Gemüse schwankt nach Saison, sagt Miehling. Im Sommer könne viel - für manchen vielleicht zu viel - in der Kiste sein, im Winter dafür weniger. Der Verein hat die Idee, dass Mitglieder einen Überschuss angeleitet einkochen können. Dazu soll es auch Rezeptideen geben. Eine der Gärtnerinnen hat Miehling zum Beispiel gezeigt, wie sie Chilis zu Paste fermentieren kann. Zudem werde Wintergemüse angepflanzt - Rote Beete, Schwarzrettich, Kohl und Co. - und einiges eingelagert, damit es auch im Winter variantenreich bleibe. Da jetzt noch nicht viel auf den Feldern zu erkennen sei, brauchten Kunden etwas Vertrauen. „Die Ergebnisse kommen, die Vorarbeit muss aber gemacht und bezahlt werden“, sagt Nina Miehling. Gehe man im Supermarkt einkaufen, sehe man die Vorarbeit nicht. „In der Landwirtschaft muss aber erst etwas gemacht werden, damit hinterher geerntet werden kann.“
Die „SoLaWi Hüftersheim“ hat bisher zwei Folientunnel. In einem reifen Salate, Rettich, Brokkoli, Auberginen, Paprika, Radieschen, Spinat und Mangold. Einer wird später nur für Tomaten genutzt, deshalb will sich der Verein bei nächster Gelegenheit noch um einen Dritten kümmern. „Je breiter wir aufgestellt sind, desto besser können wir die Eigenarten des Jahres abfangen“, sagt Miehling mit Bezug auf das Wetter. Vergangenes Jahr um diese Zeit sei es schon länger 20 Grad gewesen, jetzt soll es nachts wieder frieren. „Die Leute müssen lernen, wieder hinzuschauen und zu erkennen, was das Land uns wann gibt“, sagt Miehling. „Wenn wir da ankommen, haben wir es geschafft.“


