Poller für mehr Sicherheit

Bad Nauheim - Seit einigen Tagen sollen Absperrpfosten verhindern, dass Autos in die Bad Nauheimer Synagoge rasen können. Die Mitglieder der Jüdischen Gemeinde zeigen sich empört, dass es so weit kommen musste in diesem Land, und schätzen trotzdem das Sicherheitsgefühl in der Karlstraße.
Wer in der Karlstraße in Bad Nauheim an der Synagoge vorbeispaziert, sieht zunächst die lila blühenden Bäume, die den Frühling feiern. Seit letzter Woche jedoch bietet sich dort auch ein Bild, das sofort ein Gefühl von Angst und Schrecken entfacht. Denn die neu installierten Poller, im Boden befestigte Absperrpfosten, sind Sicherheitsmaßnahmen, die die Bundesregierung und die Polizei dringend empfohlen haben.
„Der Antisemitismus weitet sich spürbar wieder aus. Das spiegelt sich nun auch in Bad Nauheim wider. Unsere Synagoge sieht von außen mittlerweile aus wie ein Gefängnis“, klagt Manfred de Vries, der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde.
Anlass für die Installation von Pollern und Gittern waren auch zwei fürchterliche Terroranschläge. Am 9. Oktober 2019, an Jom Kippur, dem jüdischen Fest der Versöhnung, hatte ein antisemitischer Attentäter versucht, mit Gewalt in die Synagoge in Halle einzudringen. Seine erklärte Absicht war es, die im Gebet versammelten Gemeindemitglieder und ihre Gäste zu ermorden. Nur eine Holztür hat den Attentäter daran gehindert, seinen mörderischen Plan in die Tat umzusetzen. Das geplante Massaker misslang, dennoch starben zwei unbeteiligte Bürger durch die Schüsse des Täters.
Beim Anschlag in Hanau am 19. Februar 2020 erschoss ein Mann neun unschuldige Menschen mit Migrationshintergrund sowie seine Mutter in deren Wohnhaus, bevor er sich selbst tötete. Seitdem herrscht höchste Alarmstimmung im Land.
Am vergangenen Freitag versammelten sich etwa 50 Gläubige beim Shabbat, dem jüdischen Ruhetag; in Bad Nauheim. „Fast alle haben den Anblick der Poller als Katastrophe empfunden“, erzählt Manfred de Vries, bei dem aber dennoch das Sicherheitsgefühl an erster Stelle steht. In diesem Punkt sind er und viele seiner Mitglieder zwiegespalten.
Zuvor hatten bei den Versammlungen meist Polizeiwagen in der Karlstraße gestanden, was kein schöneres Bild ergeben hat. Die Poller sollen nun auch an anderen Synagogen des Landes verhindern, dass Autos oder Lkw in den Eingang rasen könnten. „In einigen Städten wurde sogar Stacheldraht vor den Fenstern und Türen angebracht. Und das möchte ich auf keinen Fall hier in Bad Nauheim“, betont der Vorsitzende.
Die erste Bad Nauheimer Synagoge wurde 1867 eingeweiht und befand sich beim Durchgang Alicestraße und Karlstraße. Seit 1928 gibt es das jetzige Gebäude, in dem sich etwa 280 Mitglieder der Jüdischen Gemeinde bewegen.
„Ich hatte mal die Idee, vor dem Eingang einfach ein Halteverbot-Schild aufzustellen. Aber das hätte wohl nicht ausgereicht“, sagt Manfred de Vries, der dennoch bedauert, dass nun auch die Kunden der Metzgerei Tuppi nebenan durch die Poller ihre kurzen Parkmöglichkeiten verloren haben. „Mein Ziel war es immer, den Menschen hier ein angenehmes jüdisches Leben zu ermöglichen. Das wird auch weiter die Intention sein“, erklärt de Vries, dem aber klar sei, wie er sagt, dass er sich angesichts der traurigen Entwicklung im Land nun an die Poller gewöhnen muss.