Literatur gemeinsam erleben

Lesen, über ein gutes Buch sprechen oder einfach „nur“ zuhören, wenn jemand liest. Das und mehr beinhaltet das Konzept „Shared Reading“, das seinen Ursprung in England hat. Kirsten Hofmann bringt das „Geteilte Lesen“ nach Bad Nauheim in die Buchhandlung Rühs und ins Bibliothekszentrum nach Friedberg.
Kirsten Hofmann hat schon immer gern gelesen. Als Kind war es für sie eine Möglichkeit, in eine andere Welt abzutauchen. Die Bad Nauheimerin hat immer ein Buch auf dem Nachttisch und im Wohnzimmer liegen, momentan „Deutschstunde“ von Siegfried Lenz. „Ich lese, um andere Sichtweisen und Lebensformen kennenzulernen“, sagt sie. Sie genießt, sich in einem Buch verstanden zu fühlen und findet Sprache spannend.
Eines Tages stieß sie auf das Konzept des „Shared Reading“ (Geteiltes Lesen), das aus Liverpool kommt. Entwickelt hat diese Methode Literaturwissenschaftlerin Jane Davis zusammen mit ihrem Mann. „Ihre Absicht war, auch Menschen für Literatur zu interessieren, die nicht so einen Zugang zu Büchern haben. Sie fing an, bei Obdachlosen und in Gefängnissen zu lesen“, erzählt Hofmann. Das „Shared Reading“ möchte sie nun auch in Bad Nauheim anbieten. Und zwar am Dienstag, 14. März, von 18 bis 19.30 Uhr in der Buchhandlung Rühs. Jeder ist willkommen und eingeladen - egal ob Leser oder Nicht-Leser. Ein elitärer Zirkel soll es nicht sein.
Während des „Shared Reading“ animiert Hofmann zum Lesen, wählt eine Kurzgeschichte oder ein Stück eines Romanes aus. Den Text teilt sie in drei Abschnitte ein und fängt an, vorzulesen. In einer kurzen Pause stellt sie fest, wie die Zuhörenden reagieren und spricht sie darauf an. Dazu bereitet sie Fragen vor.
„Dann reden wir über den Inhalt oder die Protagonisten. Etwa durch Fragen wie ,Kennt ihr so einen Menschen?‘“ Auf diese Weise versucht Hofmann, die Gruppe ins Gespräch zu bringen.
Beim geteilten Lesen spielt keine Rolle, wer den Text schrieb, wann die Geschichte entstand und welche geschichtlichen Hintergründe es gibt. „Es geht nur um die Worte und was man damit assoziiert.“ Beim zweiten Textabschnitt fragt sie in die Runde, ob jemand vorlesen möchte. Wenn nicht, liest sie weiter. Es folgt der dritte Abschnitt, und am Ende kommt ein Gedicht.
VERANSTALTUNGEN
Das Konzept „Shared Reading“ mit Kirsten Hofmann steigt erstmals in der Buchhandlung Rühs (Bad Nauheim, Karlstraße 17A) am kommenden Dienstag, 14. März, von 18 bis 19.30 Uhr. Weitere Termine sind Dienstag, 18. April, und Dienstag, 16. Mai, jeweils von 18 bis 19.30 Uhr. Eine Anmeldung für die Termine ist unter der Telefonnummer 0 60 32/15 00 erforderlich.
Auch in Friedberg wird es „Shared Reading“-Veranstaltungen geben. Hofmann bietet das Lesen gemeinsam mit Ulrike Ludwikowski im Bibliothekszentrum Klosterbau an. Los geht es am 14. März. Die Treffen finden jeden zweiten Dienstag von 18.30 bis 20 Uhr statt. Anmeldung telefonisch unter 0 60 31/8 82 77. Vorkenntnisse sind für die Teilnahme am „Geteilten Lesen“ nicht erforderlich. Der Eintritt ist frei. ihm
Auf „Shared Reading“ kam die Bad Nauheimerin, weil ihr eine Freundin davon erzählte. Das Literaturhaus in Frankfurt machte das Angebot des „Geteilten Lesens“, und bald nahm Hofmann regelmäßig teil. „Es hat mich begeistert, so an einen Text heranzugehen und mit anderen Menschen zu erleben“, erinnert sie sich.
Die Zuhörenden müssen nichts tun, es sei denn, sie möchten - dann gern. Sie können aber auch einfach nur dasitzen und genießen, dass jemand etwas vorliest. „Das erlebt man ja eigentlich nur als Kind, vorgelesen zu bekommen. Man kann lauschen und entspannen - es ist ganz stressfrei.“
Studien hätten die wohltuende Wirkung des „Shared Reading“ auf die Gesundheit nachgewiesen, was sie einleuchtend findet. „Man ist in diesen Momenten von sich abgelenkt“, stellt sie fest.
Nachdem Hofmann an den Angeboten im Literaturhaus teilgenommen hatte, wollte sie die Ausbildung zur Gruppenleiterin machen, was pandemiebedingt online geschah. Dabei formierte sich eine Übungsgruppe, die sich nach wie vor regelmäßig trifft und von den Ausbildern super-visiert wird.
Buchhändlerin Kirsten Rühs ist von der Idee, „Shared Reading“ in ihrem Geschäft anzubieten, angetan. „Während der Corona-Zeit konnten wir nichts machen, aber zu einem guten Bucheinzelhandel gehören Veranstaltungen. Die Kunden vermissen das“, sagt sie. Das Konzept hält sie für eine gute Möglichkeit, sich vom Online-Buchhandel abzuheben. Dass Menschen zusammenkommen, sei fördernswert - in einer Zeit, in der viele überwiegend am Bildschirm läsen. „Vielleicht bildet sich auch eine Gemeinschaft“, sind die zwei Frauen gespannt.
Welchen Text Kirsten Hofmann mit den Teilnehmenden liest, steht derzeit noch nicht fest: „Es soll eine Überraschung sein“, sagt sie und strahlt.