Historiker jetzt mit im Boot

Über die weitere Zukunft des Bad Nauheimer Ehrenmals hat am Dienstagabend der städtische Ausschuss für Sport und Kultur diskutiert. Das Gremium einigte sich auf eine Vorgehensweise, die auch die AG Geschichte einbezieht.
„Welche Verbrechen haben die Bad Nauheimer denn begangen? Bleiben die Tafeln hängen? Was habt ihr denn vor?“ Scharf hakte Steffen Tüscher (FW) in der Sitzung des Ausschusses für Sport und Kultur bei der Koalition aus Grünen, CDU und SPD nach. Da die Sanierung des Ehrenmals ansteht, hatte die Koalition im Stadtparlament angeregt, damit eine inhaltliche Botschaft an die Nachfolge-Generationen zu verknüpfen. Vorschlag im Dezember war gewesen, das Ehrenmal im Rahmen der Sanierung „zur Gedenkstätte für Opfer von Krieg und Vertreibung umzuwidmen und umzubenennen“.
In der Vorwoche hatte sich der Kernstadt-Ortsbeirat einstimmig gegen diese und andere Formulierungen positioniert. In dem Antrag der Koalition, den der Kulturausschuss am Dienstagabend verabschiedete, änderten die Urheber jetzt auch Begriffe. Statt „Umwidmung und Umgestaltung“ heißt es nun „Neugestaltung“. Eine „Benennung und kritische Betrachtung von Kriegsverbrechen“ ist ebenfalls nicht mehr beabsichtigt, sondern eine Benennung und kritische Betrachtung von Krieg. Nicht mehr nur der Ortsbeirat, sondern auch die AG Geschichte soll einbezogen werden.
Zu der Ausschusssitzung war Ortsvorsteher Kurt Linkenbach (CDU) gemeinsam mit Armin Häfner von der AG gekommen. „Der Antrag der Koalition hat zu Irritationen in der Bevölkerung geführt, denn auf den Gedenktafeln stehen die Namen der Angehörigen vieler Bürgerinnen und Bürger. Die Verknüpfung der Gräueltaten mit den gefallenen Soldaten finden die Leute unmöglich“, sagte Linkenbach. Der Ortsbeirat stellte stattdessen einen eigenen Antrag vor: Ziel ist eine Sanierung, die noch in diesem Jahr abgeschlossen sein soll. Außerdem plädierte das Gremium dafür, das Denkmal mit Infotafeln auszustatten, erarbeitet durch die AG Geschichte. Kulturausschuss-Mitglied Tüscher fand das richtig und beantragte, dem Wunsch des Ortsbeirats zu folgen.
Wie Benjamin Pizarro (FDP) argumentierte, liegen zwischen der damaligen und heutigen Bevölkerung Generationen, weshalb sich eine neue Erklärungsweise empfehle. Ausschussvorsitzender Sinan Sert (SPD) gab ihm recht. Wie Sert gleichzeitig klarstellte, sei es nicht Intention gewesen, die Namen zu entfernen. Er räumte ein, dass der Begriff „Kriegsverbrechen“ missverstanden werden könnte. „Vielleicht wäre ,Kriegsfolgen‘ das bessere Wort. Es geht darum, nachfolgende Generationen darauf hinzuweisen, was Krieg bedeuten kann“, betonte er.
1933 EINGEWEIHT
Das Ehrenmal steht am Fuß des Johannisbergs, es verzeichnet die Namen der Bad Nauheimer Gefallenen aus zwei Weltkriegen. Einweihung war am Sonntag, 13. August 1933, dies unter großem NS-ideologischen Aufgebot. So waren laut der damaligen Berichterstattung 4500 bis 5000 SA-Leute und 500 „Stahlhelmer“ anwesend.
Der Grund , weshalb das Ehrenmal trotzdem als Kulturdenkmal geschützt ist, hat etwas mit der Bauzeit und der Bauweise zu tun. Es war bereits vor der Machtergreifung der Nazis in Arbeit gewesen, geplant durch den Architekten August Metzger, der ein bedeutender Regierungsbaurat gewesen sein soll. Auch für das Kerckhoff-, das Balneologische Institut und den Anbau des Schweizer Milchhäuschens zeichnete er verantwortlich. Die Formensprache des Denkmals geht auf das Neue Bauen der 20er Jahre zurück. ihm
Joachim Lorych (Grüne) erklärte, eine kritische Betrachtung und Würdigung nach knapp 100 Jahren für erforderlich zu halten. Er schlug vor, auch eine Verbindung zu den Gefallenen der Partnerstädte herzustellen. Seine Parteikollegin Adelheid Treffer begrüßte diese Idee, da der weltkriegsbedingte Zusammenbruch den Europa-Gedanken gefestigt habe. Diese Ansätze gingen Gisela Babitz-Koch und Albert Möbs (beide CDU) zu weit. „Sinn solcher Ehrenmäler war, der Toten zu gedenken - da steht das Politische nicht im Vordergrund“, sagte Möbs.
Matthias Lüder-Weckler (FW) plädierte dafür, den einstimmigen Beschluss des Ortsbeirats zu respektieren. Stadtverordnetenvorsteher Oliver von Massow (CDU) merkte an, dass es zuerst einmal nur um ein Konzept gehe - über das erst später zu beschließen sei. Erster Stadtrat Peter Krank (parteilos) erachtete eine Beteiligung der AG Geschichte als sinnvoll. „Es ist ein offener Kreis; und andere können dazu kommen. Das ist doch eine hervorragende Basis.“
Wie Ausschussvorsitzender Sert erklärte, stehe der Antrag des Ortsbeirats nicht im Widerspruch zum Antrag der Koalition. Ein großer Unterschied besteht in der Tat vermutlich nicht mehr, da die Koalition in einer Sitzungspause besagte Worte in ihrem Antrag ersetzte. Darin ergeht auch eine Empfehlung an den städtischen Haupt- und Finanzausschuss, den Sperrvermerk für die eingestellten 360 000 Euro zur Sanierung aufzuheben.
Mit sieben zu drei Stimmen ging der Antrag durch. Für den Antrag der FW, dem Ortsbeirat zu folgen, stimmten nur die Freien Wähler. Weiter diskutieren die Stadtverordneten im Haupt- und Finanzausschuss (Donnerstag, 16. März, 19.30 Uhr, Rathaus) und in der Stadtverordnetenversammlung (Donnerstag, 23. März, 19.30 Uhr, Trinkkuranlage).