Eine Ära geht zu Ende

Bad Nauheim - Über 60 Jahre währte die Epoche der Rosen-Union in Steinfurth. Damit ist es fast vorbei. Die Genossen haben an einen Investor verkauft, der laut Medienberichten eine Brauerei ansiedeln will. Der bisherige Geschäftsführer Siegfried Karlin ist nun im Ruhestand und blickt zurück.
Es war einmal eine Gruppe von Rosenbauern in einem Dorf bei Bad Nauheim, die vor 62 Jahren die Rosen-Union gründeten. Jahrzehntelang war ihr Modell erfolgreich, doch nun geht es zu Ende. „1961 schlossen sich sieben Betriebe zusammen, um dem ruinösen Preiskampf entgegenzutreten“, erzählt der langjährige Geschäftsführer Siegfried Karlin. Der 67-Jährige kommt im Pullunder und nicht im Arbeitskittel zum Gespräch, denn Anfang April ging er in den Ruhestand.
Damals wurde eine gut funktionierende Verkaufsstruktur geschaffen. „Wir hatten in der Spitzenzeit über 80 Betriebe, die der Rosen-Union angeschlossen waren“, schildert Karlin. Wie er erzählt, hatten die meisten die Rosenzucht als Nebenkultur. Ansonsten betrieben sie Ackerbau und Viehzucht. Die Produktion lief geplant, die Rosen-Union legte genau fest, wer welche Sorten übernahm. In die 80er und 90er Jahre fiel die Hochzeit der Genossenschaft, die damals Marktführerin und größte Rosenanbieterin in Deutschland war. Die Mitglieder stammten ausschließlich aus Steinfurth, das war per Satzung festgeschrieben; Wisselsheim war dabei, Oppershofen wurde „geduldet“.
Karlin: „Wir haben ja Rosen gebraucht, 1,5 Millionen Stück im Jahr war das Minimum.“ Die Rosen-Union war dabei stets innovativ: Erstes Mantelkühlhaus in Deutschland, Pionierin beim Rosenverkauf in SB-Verpackung, Erste bei der sogenannten Netzballierung und im pflanzfähigen Topf. In fast allen Samenfachgeschäften der Bundesrepublik gab es Rosen aus Steinfurth. „Wenn jemand Rosen haben wollte, kam er an uns nicht vorbei.“
Dann aber traten Krisen ein: Der Markt veränderte sich durch Konkurrenz aus dem Ausland. Viele Käufer hielten sich zurück, als die Umstellung auf den Euro erfolgte. Die öffentliche Hand musste sparen, als die Flüchtlingswelle einsetzte. Bis die Genossenschaft das plötzliche Überangebot an Pflanzen jeweils an die tatsächliche Nachfrage anpassen konnte, dauerte es in der Regel ein bis zwei Jahre. „Ein Auf und Ab gab es im Laufe der Jahre immer“, stellt Karlin fest. Als er 2006 Geschäftsführer wurde, investierte die Rosen-Union noch einmal: „In neue Gewächshäuser und ein neues Glashaus mit Cafébetrieb.“
Mit der Zeit brachen Betriebe nach und nach weg, weil ihre Inhaber sie aus Altersgründen aufgaben. „In den letzten zehn Jahren hatten wir mehr Mitglieder von außerhalb als aus Steinfurth. Aus Schleswig-Holstein, Thüringen, Nordrhein-Westfalen, zuletzt war auch ein Anbauer aus Polen dabei.“ Zum Schluss veräußerte die Rosen-Union noch 400 000 Rosen im Jahr, wovon 300 000 Stück in eigener Produktion entstanden.
Sieben Anbauer waren es noch am Ende, nur einer kam noch aus dem Rosendorf. Insofern musste sich etwas ändern. „Wir hätten uns neu erfinden oder neue Absatzwege finden müssen. Die Struktur der Rosen-Union war in der Form nicht mehr machbar“, stellt Karlin fest. Da sein Ruhestand bevorstand und sich kein adäquater Nachfolger fand, beschlossen die Genossen den Verkauf.
Seit drei, vier Jahren beschäftigte sich Karlin mit der Abwicklung der Rosen-Union. Vier Interessenten wollten die Genossenschaft übernehmen, drei waren aus dem gärtnerischen Gebiet. Den Zuschlag bekam der Bad Nauheimer Investor Gottfried Langstrof, dessen Angebot die 24 Genossen einstimmig befürworteten. Langstrof kaufte nicht das Grundstück, das der Kirche gehört - vielmehr ging im Januar die Genossenschaft in sein Eigentum über. Der Name „Rosen-Union“ bleibt bestehen, laut Presseberichten ist geplant, eine Bierbrauerei aus Ockstadt und eine Veranstaltungs-Location der Steinfurther Metzgerei Michel-Weitzel anzusiedeln. Die 14 langjährigen Mitarbeiter der Genossenschaft werden teilweise übernommen. Bis Sommer sollen die Pflanzen abverkauft sein.
Für Karlin war die Tätigkeit bei der Rosen-Union ein Traumjob, wie er bekennt. „Es gab nie einen Tag, an dem ich gesagt habe, ich gehe nicht gern zur Arbeit. Ich hatte ein gutes Team und es hat Spaß gemacht.“ Dass er die Rosen-Union durch schwierige Zeiten brachte und sich die Genossenschaft so lange halten konnte, erfüllt ihn mit Zufriedenheit. Rosenpark Dräger, Rosenhof Schultheis und Rosenschule Ruf sind die letzten drei verbliebenen Rosenbetriebe im Dorf. So lebt die Rose weiter in ihrem Königreich.