Die Kommissarin und der Taxifahrer

In der Nacht auf Montag, 31. Oktober 1988, erstach ein Raubmörder den Taxifahrer Horst Heinz Krug in Bad Nauheim. Hauptkommissarin Jana Weisenfeld und ihr Team haben über 85 Hinweise erhalten, nachdem „Aktenzeichen XY…“ den bislang ungelösten Fall im März beleuchtet hatte.
Nachdenklich schaut Hauptkommissarin Jana Weisenfeld auf die zwei Ordner, die in der Regionalen Kriminalinspektion in Friedberg vor ihr liegen. „Raubmord zum Nachteil von Horst Heinz Krug“ steht auf dem Rücken. Krug war ein Taxifahrer aus Bad Nauheim. Mit 34 Messerstichen tötete ein Unbekannter den Mann in der Nacht auf den 31. Oktober 1988. Es war kurz nach Mitternacht, Tatort der Parkplatz des Usa-Wellenbades in Bad Nauheim. Der Mörder des 61-Jährigen war mutmaßlich dieselbe Person, die ein halbes Jahr später Christel Rink mit einer seltenen Pistole des Typs „Frommer Baby“ erschoss. Rink fuhr ebenfalls Taxi. In der Sendung „Aktenzeichen XY…“ zeigte das ZDF jüngst beide Fälle.
„Wir haben seither über 85 Hinweise erhalten, die wir nach und nach abarbeiten. Das ist sehr aufwendig“, sagt die Hauptkommissarin. Wegen der unterschiedlichen Tatwaffen brachte die Kripo die zwei Fälle lange nicht miteinander in Verbindung. 2018 nahmen sich ein neues Ermittlungsteam und die Staatsanwaltschaft Gießen der Morde wieder an. Beim Studium der Akten fiel Weisenfeld der Zusammenhang auf: Die „Frommer Baby“ dürfte dem Waffensammler Krug gehört haben, der auch eine „Frommer Stop“ besaß. „Wir haben 20 Zeugen befragt, von denen ein Großteil sagte, dass er eine Waffe unter dem Sitz hatte. Wir gehen davon aus, dass es diese Waffe war.“
Krug muss wenig angepasst, verschlossen und ein Einzelgänger gewesen sein. Seinen Kollegen habe er manchmal erklärt, wie sich ein Taxifahrer schützen müsse: „Er sagte Dinge wie: ,Ihr müsst immer einen Baseballschläger oder ein Messer dabei haben.’“ Er stammte aus Düsseldorf, Angehörige sind nicht bekannt. Das US-Militär hatte ihn in Bad Nauheim aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft entlassen. Er spielte in einer Kapelle im Parkhotel als Geiger, anschließend begann er, Taxi zu fahren. Manchmal verlor er wohl die Kontrolle über sich: 1968 schoss er auf einen fahnenflüchtigen GI, mit dem er handgreiflich aneinandergeraten war. Einen Zusammenhang zu dem Mord vermutet die Polizei nicht.
ERMITTLUNGSSTAND
Das Phantombild des Tatverdächtigen entstand nach den Aussagen zweier Zeugen. Wie genau die Darstellung ist, lässt sich nicht sagen. „Es ist kein Foto“, erklärt Jana Weisenfeld. Ein Mann, circa 25 bis 30 Jahre alt, hatte sich am Samstag nach der Ermordung der Taxifahrerin Christel Rink bei der Schließfachaufsicht in der Frankfurter Hauptwache gemeldet. Er wollte eine Plastiktüte aus dem abgelaufenen Schließfach 419 abholen.
In der Tasche hatten die Mitarbeiter bereits die Tatwaffe, eine „Frommer Baby“, Rinks Geldbörse sowie ihre Kfz- und Hausschlüssel gefunden. Die Pistole war schon aktenkundig. Ein Unbekannter hatte damit am Montagabend 5. Dezember 1988 oder in der Nacht auf den darauffolgenden Dienstag auf die Glasscheibe der Apotheke in Niddatal-Assenheim geschossen.
Nicht aus Rinks Besitz waren eine Unterhose, zwei Tennissocken mit Anhaftungen von Erde sowie eine Arbeitsschutzbrille ohne Seitenteile. An den Fußsohlen der Socken befanden sich braune Katzenhaare; ein bis vier Zentimetern lang.
Der Unbekannte war laut der Zeugenaussagen schlank und sportlich, trug kurze dunkelblonde Haare und einen dünnen Oberlippenbart. Er hatte ein weißes T-Shirt und eine Sommerhose an. Der Zugriff auf den Abholer scheiterte zweimal kurz hintereinander. Eine DNA-Spur mit Tatbezug konnte die Kripo ermitteln - bislang aber niemandem zuordnen.
Für Hinweise , die in begründeten Fällen auch vertraulich behandelt werden können, meldet man sich bei der Polizei unter Tel. 0 60 31/60 12 22 (Anrufbeantworter), alternativ unter Telefon: 0 60 31/60 10 oder per E-Mail an die Adresse ag-frommer.ppmh@ polizei.hessen.de. ihm
Im Hügelweg, wo Krug gelebt hatte, fanden die Ermittler eine Art Warenlager, darunter 300 Herrenhemden und 80 Hüte. Angestellt war Krug beim Taxiunternehmen Josef Stanzel, wohin er Mitte und Anfang des Monats stets seine Fahrgast-Einnahmen brachte. Das Geld soll er unter dem Autositz mit sich geführt haben. „Aufgrund des Datums konnte man herausfinden, dass er ungefähr 2000 bis 2500 D-Mark bei sich hatte“, sagt Weisenfeld. Krug war einer der wenigen Taxifahrer, die so lange die Einnahmen bei sich hatten. „Dann ist es wahrscheinlich, dass der Täter aus irgendeiner Information wusste, dass er das Geld hat. Es kann aber auch sein, dass er schlicht Glück mit der hohen Beute hatte.“
Seine letzte Fahrt trat Krug vermutlich gegen 23.45 Uhr ab dem Hauptbahnhof Bad Nauheim an, wo Kollegen ihn zuletzt sahen. Die Taxi-Uhr zeigte hinterher den Betrag von 8,80 D-Mark an. „Das weist nicht zwingend, aber sehr wahrscheinlich auf den Abfahrtsort Bahnhof hin“, erläutert Weisenfeld. Krug hatte gerade auf „Kasse“ gestellt, als ihn die Messerstiche unvermittelt trafen. Der Täter zerrte Krug aus dem Pkw, stach immer wieder zu und flüchtete. Vermutlich war es ein Einzeltäter. Für ein persönliches Motiv gibt es laut der Ermittler keine Hinweise.
Die Brutalität, mit der der Täter vorging, war im Fall Rink ähnlich: Die 48-Jährige starb in ihrem Taxi auf einem Feldweg bei Florstadt: Ermordet durch fünf Schüsse und zwei Schläge auf den Schädel mit einem Basaltstein. Tatzeitpunkt war die Nacht von Pfingstmontag auf Dienstag, 16. Mai 1989. Ein Verdächtiger wäre am Samstag darauf beinahe auf der Hauptwache in Frankfurt geschnappt worden. Dabei konnte die Polizei die Pistole und weitere Gegenstände sichern. Es gibt ein Phantombild und eine DNA-Spur, wie Weisenfeld erklärt. „Eine heiße Spur haben wir im Moment noch nicht.“

