Chefinnen sind noch zu selten

Nur 15 Prozent der Führungskräfte im Bad Nauheimer Rathaus sind weiblich, wie der neue städtische Frauenförderplan besagt. Um an diesem und an anderen Punkten etwas zu ändern, wollen die Stadtverordneten mehr Kennzahlen haben.
Eine Diskussion hat sich um den neuen Frauenförderplan für die Mitarbeitenden des Rathauses entsponnen, als das Bad Nauheimer Parlament jüngst in der Trinkkuranlage getagt hat. Die städtische Frauenbeauftragte Patricia Mayer hatte die 35 Seiten starke Broschüre gemeinsam mit dem Fachdienst Personal vorgelegt. In dem Heft stehen neben vielen anderen Aspekten auch aufschlussreiche Zahlen im Fokus. Beispielsweise beschäftigt die Stadt 488 Personen, 55,04 Prozent davon sind Frauen. Beamtinnen sind allerdings nur 44,4 Prozent. Auf der ersten und der zweiten Führungsebene gibt es 17 männliche, aber nur drei weibliche Führungskräfte.
Ein Missverhältnis. Doch dass die FDP den Frauenförderplan nicht einfach durchwinken wollte, lag nicht daran. Nach Ansicht der Fraktion fehlte es an vielen anderen Stellen an einer Ist-Analyse und an konkreten Kennzahlen, ohne die die Parlamentarier nicht evaluieren könnten.
Die Liberale Paula Preiß griff verschiedene Punkte heraus, einer war die sexuelle Diskriminierung und Belästigung am Arbeitsplatz. „Es wird die Erarbeitung einer Kampagne vorgeschlagen, was grundsätzlich auch nach einer guten Maßnahme klingt.“ Der FDP war die Benennung des Problems aber nicht konkret genug. „Wie lautet die Kennzahl, wie viele Fälle gibt es jährlich?“, hakte Preiß nach.
Bei einer vorausgegangenen Debatte im städtischen Haupt- und Finanzausschuss war bekannt geworden, dass sich nur wenige Bewerberinnen im Rathaus um eine Stelle bemühten. Es stellt sich nach Ansicht von Preiß die Frage, wieso die Stadt als Arbeitgeberin für Frauen nicht interessant sei. Die FDP beantragte erfolglos, den Plan bis März um die fehlenden Kennzahlen zu erweitern.
ZIELE DER FÖRDERUNG
Wie aus der Sitzungsvorlage des Stadtparlaments hervorgeht, verfolgt die Stadt Bad Nauheim mit dem Frauenförderplan neben der Förderung von Frauen ein weitergefasstes Ziel: Es geht darum, die gesellschaftliche Vielfalt auch in ihrer Verwaltungsorganisation abzubilden.
„Sie ist in ihrer Funktion als Arbeitgeber konzernweit Vorbild für Chancengleichheit“, heißt es in dem Papier. Dazu seien einerseits innerorganisatorische Barrieren abzubauen, die der Gleichstellung und geschlechtlichen Vielfalt in der Belegschaft entgegenstehen, und andererseits Fördermaßnahmen zu ergreifen.
„Grundsätzlich sind die Maßnahmen in gleicher Weise für alle nutzbar. Dies gilt insbesondere für die Maßnahmen, die mit tradierten Stereotypen brechen.“ ihm
Alexander von Bischoffshausen (CDU) sagte: „Wir unterstützen den Frauenförderplan vorbehaltlos, aber haben an zwei Stellen Bedenken.“ Er sprach die Stellenausschreibungen an, die im Hinblick auf die „Charta der Vielfalt“ erfolgen, auf die sich der Förderplan beruft. In der Charta steht unter anderem: „Menschen, die uns vielfältiger machen, haben bei gleicher fachlicher Eignung bessere Chancen auf eine Einstellung.“ Diese Kriterien seien schwer zu fassen und könnten gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen, argumentierte von Bischoffshausen. Als weiteres Problem sehen die Christdemokraten, Stellenanwärterinnen bei der Stadt einen Kita-Platz zu garantieren. Das sei ein nicht gerechtfertigtes Privileg gegenüber der übrigen Bevölkerung.
Bürgermeister Klaus Kreß (parteilos) dankte der Frauenbeauftragten für das „sehr gute, engagierte Werk“. Die Stadt ist nach Ansicht von Kreß als Vorbild im Personalbereich vorn dabei. Was das Stichwort Evaluation angehe, seien die Kennzahlen bei den Fortschreibungen bisheriger Frauenförderpläne stets dabei gewesen. Das vorliegende Papier sei aber eine Neuauflage. Laut Kreß war der Kita-Platz-Anspruch in allen anderen Frauenförderplänen enthalten. „Ich würde es gern beibehalten“, sagte er und versicherte, es komme nur sehr selten vor. Den monierten Stellenausschreibungstext verwende die Stadt bereits seit circa eineinhalb Jahren erfolgreich. Es gab laut Bürgermeister damit noch keine Probleme.
Ein Antrag des FDP-Fraktionsvorsitzenden Benjamin Pizarro auf Überweisung in den Haupt- und Finanzausschuss scheiterte an der Gegenrede des SPD-Co-Fraktionsvorsitzenden Sinan Sert, der den Frauenförderplan lobte. „Auch wir finden es wichtig, Kennzahlen zu definieren, um evaluieren zu können“, räumte er ein. Die große Koalition aus CDU, Grünen und SPD halte es aber für angebrachter, die Zahlen mit der „Charta der Vielfalt“ zu verbinden, in der es um Diversität in der Arbeitswelt geht. Als Beispiele nannte Sert Fragen wie „Welche Kriterien sind angebracht, wie werden sie erhoben?“ Er kündigte einen Antrag an, der sich damit befasst.
„Glaubt denn wirklich irgendjemand diese sehr theoretische Diskussion, dass Frauen durch solch einen Plan gefördert werden?“, fragte Markus Theis (FW). Letztlich kann sich die Kommune nach Ansicht des Freien Wählers nur leisten, Personal nach der Qualifikation auszuwählen.
Als die Parlamentarier die Hände hoben, überwog die Zustimmung: Geschlossen gab es - bei fünf Enthaltungen - grünes Licht für den Förderplan.
