Weniger Wild für mehr Wald

Schälschäden nehmen weiter zu / Abschussquote wurde verfehlt
HOCHTAUNUS - Das gab es noch nie: 1136 erlegte Stücke Rotwild im Jagdjahr 2022. Das klingt viel, ist sicher auch viel, am Ende aber immer noch zu wenig. Wie die kürzlich zur Hegeschau für das Rotwildgebiet Taunus im Neu-Anspacher Bürgerhaus versammelten Rotwildjäger vom Rotwildsachverständigen Ralf Heitmann erfahren mussten, konnte trotz dieser Rekordstrecke keine Reduzierung der Schälschäden erreicht werden - im Gegenteil. Es wurden sogar noch mehr.
Zurückzuführen ist das unter anderem darauf, dass die Abschussvorgabe beim männlichen Wild in den Rotwildbezirken Hoch-, Mittel- und Osttaunus mit 467 Tieren insgesamt nur dadurch erfüllt wurde, weil auch im rotwildfreien Gebiet 43 Hirsche erlegt wurden. Beim weiblichen Wild wurde die Quote mit nur 84 Prozent bei 527 statt der vorgegebenen 631 Stück sogar deutlich verfehlt, was auch nur dadurch erreicht wurde, dass 21 Schmaltiere aus dem rotwildfreien Gebiet dazukamen. Die Jäger sehen dafür mehrere Ursachen, unter anderem die durch Käfer und Dürresommer verursachte großflächige Entwaldung, zuvorderst aber die 2019 erlassene hessische Schalenwildverordnung.
Der Vorsitzende der Rotwildjägervereinigung Taunus, Stefan Sorg, freute sich, dass es nach langer Pandemie-Pause wieder eine Hegeschau gab, bedauerte zugleich aber, dass man mit nur 127 Hirsch- und vier Muffeltrophäen weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist. Allerdings gehe es nicht um Trophäenkult und glückliche Jagderinnerungen, sondern mehr darum, ein Abbild des Jagdgeschehens und der Rotwildbestände zu geben, was bei den wenigen ausgestellten Stangen aber nur unvollständig sein könne.
Erster Kreisbeigeordneter Thorsten Schorr (CDU) lobte die Besonnenheit der Jäger, durch angemessene, tierschutzgerechte und das Sozialgefüge beim Rotwild erhaltende Bejagung für eine Verringerung von Schälschäden verantwortungsvoll beizutragen. Schorr hoffe, dass der Hirsch in Zukunft doch wieder als der „König des Waldes“ und nicht mehr nur als dessen Schädling wahrgenommen wird. Die Arbeit der Jäger, durch Besucherlenkung Ruhezonen zu schaffen, in denen das Wild ungestört äsen kann, würden von der UJB nach Kräften gefördert. Den Vorwurf Sorgs und später auch Heitmanns, man unterstütze die Jagd nicht genug und arbeite sogar gegen sie, wies Schorr zurück. Der Datenschutz verbiete es der Behörde, die gewünschten Daten preiszugeben. Wenn es, wie eventuell geschehen, rechtlich haltbare andere Erkenntnisse gebe, wolle man die gern prüfen und rasch zur alten Praxis zurückkehren, sagte Schorr.
Überleben im Taunus gesichert
Ralf Heitmann sprach in seinem Fachvortrag von einer schwierigen Gemengelage. Durch die riesigen Kahlflächen sei dem Rotwild Lebensraum entzogen worden und die sensiblen Wiederaufforstungsflächen seien „schalenwildfeindlich“. Zu wenig Wald fördere die Bildung von Großrudeln mit zum Teil mehr als 100 Tieren, die in das „rotwildfreie Gebiet“ verdrängt werden und dort Schäden anrichten, die es vorher nicht gab. Am Ende werde es dort mehr Rotwild geben als im Rotwildgebiet. Vielleicht, so Heitmann, müsse die Klassifizierung in Gebiete mit und ohne Rotwild aufgehoben werden. Trotz der nötigen stärkeren Bejagung mit einer Verschiebung vom männlichen zum weiblichen Rotwild sei dessen Überleben im Taunus gesichert. Hinderlich im Sinne gebietsübergreifender Jagdstrategien sei, dass es im Rotwildgebiet Taunus sieben Untere Jagdbehörden mit unterschiedlichen Regeln gebe.