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Weniger Plastik im Alltag der Hessen

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Von: Jutta Rippegather

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Roter Paprika mit Plastik kostet hier 2,38 Euro pro Kilo, ohne Plastik 4,99 Euro. Manche Handelsketten machen umweltfreundliches Einkaufen schwer.
Roter Paprika mit Plastik kostet hier 2,38 Euro pro Kilo, ohne Plastik 4,99 Euro. Manche Handelsketten machen umweltfreundliches Einkaufen schwer. © Michael Bayer

Ministerin Hinz will Initiativen in Handel und Wirtschaft fördern. Sie wird auch mit der Autoreifenindustrie reden, denn der Abrieb landet über die Abwasser ins Meer.

Mit dem Pfand-Kaffeebecher in Wiesbaden in den Zug einsteigen. Und ihn in Frankfurt wieder abgeben: Was in einzelnen Städten wie Frankfurt, Darmstadt oder Kassel funktioniert, müsste doch auch hessenweit umsetzbar sein, meint Hessens Umweltministerin Priska Hinz (Grüne). Sie ist da ganz optimistisch: Die Aktion Becher-Bonus habe ja auch ganz klein mit vier Gastronomen angefangen. Inzwischen bieten 130 hessische Unternehmen mit rund 900 Filialen ihren Kunden Rabatt, wenn sie ihr Mitnehm-Trinkgefäß selbst mitbringen.

Der Hessen-Becher ist Teil der am Dienstag von Hinz präsentierten „Plastikvermeidungsstrategie“. Die vereint vier Handlungsfelder, mit denen die Landesregierung dem wachsenden Umweltproblem Paroli bieten will. Weniger Plastikverbrauch, weniger Plastikmüll in der Umwelt, weniger Mikroplastik, mehr Wiederverwendung und Recycling.

Der Wettbewerb für Vereine endet am 31. Januar. Wer bis dahin Ideen zur Plastikvermeidung einreicht, kann 500 Euro gewinnen, um sie umzusetzen.

Der Mehrwegbecher steht im Mittelpunkt einer ganztägigen Vernetzungs-Veranstaltung am Donnerstag, 28. November, im Frankfurter Saalbau Griesheim. Praktiker aus verschiedenen Kommunen in und außerhalb Hessens berichten von ihren Erfahrungen.

Empfehlungen für Unternehmer und Verbraucher gibt es in Broschüren des Ministeriums und im Internet. 

www.umwelt.hessen.de

Viele Ansätze basieren auf Freiwilligkeit der Wirtschaft, des Handels und der Verbraucher. So will Hinz eine Gesprächsplattform bieten, auf der Interessierte Ideen entwickeln können. Das Land selbst hat nur wenig Handlungsspielraum. Kunststoffrasen werden nicht mehr gefördert. Sportvereine bekommen künftig nur noch Zuschüsse, wenn sie auf Sand oder Kork umsteigen. Auf Bundesebene habe Hessen die Verbannung festen Mikroplastiks in Körperpeelings und Waschmitteln durchgesetzt, sagt Hinz. Die meisten Entscheidungen zu dem Thema fielen allerdings auf Ebene des Bundes oder Europas. Dort werde sie sich auch weiter einsetzen, will aber parallel dazu das Thema in Hessen vorantreiben. Im Fokus ihrer Strategie stehen Wegwerf-Verpackungen und Mikroplastik, das über die Kanalisation ins Meer gelangt und über den Fisch in den menschlichen Magen: Die Kunststoffmenge einer Scheckkarte verzehre ein Bundesbürger im Schnitt pro Jahr, sagt die Grünenpolitikerin.

Verbraucher sollten die Möglichkeit erhalten, plastikarm einzukaufen. Etwa indem sie für den Einkauf an der Fleisch- oder Käsetheke einen Edelstahlbox mitbringen. Was unter hygienischen Aspekten zu beachten ist, erklärt das Merkblatt „Umgang mit kundeneigenen Behältnissen“, das das Ministerium für den Handel entworfen hat. Für Käufer gibt es die Broschüre „Umweltbewusst Einkaufen“, die unter anderem den Vorteil der Mehrwegflaschen erklärt.

Dass hessische Unternehmen illegal ihren Plastikmüll exportieren, ist Hinz nicht bekannt. Gleichwohl will sie deren Recyclingquote stärker kontrollieren. Einige Firmen arbeiteten schon an Alternativen. Etwa der Darmstädter Merck-Konzern, der an Ersatz für Verpackungen aus Styropor und Plastik tüftelt. „Ich hoffe auf die Vorbildfunktion“, sagt die Ministerin. Sie kündigt an, bei der Autoreifenindustrie anzuregen, an Alternativen zu forschen. Denn der Gummiabrieb sei ein großes Problem. Das bestätigt Ralf Schodlok, Vorsitzender der hessischen Landesgruppe des Verbandes kommunaler Unternehmen: Täglich gelangten weltweit winzige Plastikteile über den Abfluss in die Gewässer und die Umwelt. Dieses Mikroplastik sei in Kosmetik, Wasch- und Putzmitteln enthalten und könne in Kläranlagen nicht vollständig herausgefiltert werden. „Einer der Haupteintragungspfade von Mikroplastik ist mit Abstand Reifenabrieb.“ Das belaste den weiteren Wasserkreislauf. Um Mikroplastik zu reduzieren, müsse bereits bei den Produktherstellern angesetzt werden.

Bei ihren Bemühungen hat Hinz also Unterstützung. Und sie fängt nicht bei null an. Viele hessische Unternehmen hätten sich dem Problem bereits gestellt, sagt sie. Rund 1000 sind in der sogenannten Umweltallianz, mit der sich die Ministerin im ersten Quartal des nächsten Jahres treffen will, um gemeinsam die Strategie weiterzuentwickeln. Auch die Bevölkerung ist gefragt. Vereine mit kreativen Ideen können sich an das Ministerium wenden. Das unterstützt diese finanziell bei der Umsetzung: 500 Euro können Vereine dafür erhalten.

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