Warnstreik: Leere Bahnhöfe und verwaiste Haltestellen

Wegen des bundesweiten Warnstreiks sind in Hessen am Montag viele Busse und Bahnen nicht gefahren. Das große Verkehrschaos bleibt aus. Die Gewerkschaften sind dennoch zufrieden.
Der bundesweite Warnstreik im öffentlichen Verkehr hat am Montag weite Teile Hessens lahmgelegt. Der Fernverkehr auf der Schiene wurde komplett und der regionale Verkehr größtenteils eingestellt. Von den S-Bahn-Ausfällen waren Hunderttausende Pendlerinnen und Pendler im gesamten Rhein-Main-Gebiet betroffen. Auch am Frankfurter Flughafen gab es keinen regulären Passagierbetrieb. Für Montag waren ursprünglich rund 1170 Starts und Landungen mit rund 160 000 Passagier:innen geplant.
In Frankfurt blieben außerdem die Straßen- und U-Bahnen im Depot. In Kassel fuhren keine Straßenbahnen und Busse. Die Busse blieben auch in Wiesbaden stehen. Zu dem Warnstreik hatten die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) und die Gewerkschaft Verdi aufgerufen.
Die EVG fordert zwölf Prozent mehr Lohn, mindestens aber 650 Euro mehr
„Unsere Erwartungen sind mehr als übertroffen worden“, freute sich Uwe Reitz, Gewerkschaftssekretär der EVG bei einer Kundgebung am Haus des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Frankfurt. Die Kolleginnen und Kollegen hätten eine große Eigeninitiative gezeigt, an dem Ausstand teilzunehmen. „Das zeigt, wie groß die Wut ist über die Verweigerungshaltung der Arbeitgeber“, so Reitz. Die EVG fordert zwölf Prozent mehr Lohn, mindestens aber 650 Euro.
Die Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände hält den Streik für überzogen und unverhältnismäßig. „Das Vorgehen der Gewerkschaften ist rechtlich äußerst fragwürdig und in den Ausmaßen und Schäden für unsere Wirtschaft und unsere Gesellschaft völlig überzogen“, sagte Wolf Matthias Mang, Präsident der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände (VhU). Er forderte eine gesetzliche Regelung des Streikrechts.
Die Linke kritisiert: „Viel zu lange wurden die Krisenkosten auf Beschäftige abgewälzt“
Die Linke in Hessen hält die Einlassungen von Mang für völlig daneben und spricht von einem Angriff auf das in der Verfassung verankerte Grundrecht der Koalitionsfreiheit. „Es ist erschreckend, dass in Deutschland absurde Forderungen als Teil einer antidemokratischen Agenda, die Gewerkschaften weiter schwächen soll, salonfähig geworden sind“, teilten die Linken mit. Wenn dem Bund und den Kommunen tatsächlich daran gelegen sei, einen Erzwingungsstreik abzuwenden, dann sollten sie den Gewerkschaften schleunigst ein akzeptables Angebot vorlegen. „Viel zu lang wurden die Krisenkosten auf Beschäftigte abgewälzt.“
Bereits um 6 Uhr am frühen Montagmorgen versammelten sich die ersten Eisenbahnerinnen und Eisenbahner in orangenen und roten Streikwesten vor und im Frankfurter Hauptbahnhof. Die Bahnsteige waren wie leergefegt. Nur einzelne Fahrgäste waren mit Koffern unterwegs und ließen sich am Schalter der Deutschen Bahn beraten. Auf der Anzeigetafel standen exakt fünf Abfahrten – vier davon waren Busse, die nach Mörfelden fahren. Ein Ehepaar aus Dresden, das am Vortag den Anschlusszug verpasst hatte, erzählte, dass es ein Auto mieten müsse, um zurück in die Heimat zu kommen: „Mit Sprit zusammen sind das 400 Euro.“
Warnstreik in Hessen: Das befürchtete Verkehrschaos in Frankfurt bleibt aus
Einen großen Andrang gab es am Hauptbahnhof lediglich auf der Südseite des Fernbahnhofs beim Warten auf die Busse. Im gesamten Bahnhofsareal lagen und standen Dutzende E-Scooter herum. In der Innenstadt kam es auf den ohnehin viel befahrenen Straßen im Berufsverkehr zu Verzögerungen. Neben Autos waren auch viele mit dem Rad oder dem E-Roller unterwegs.
Das befürchtete Verkehrschaos auf den Autobahnen ist dagegen in Hessen ausgeblieben. Am frühen Morgen habe es zwar mehr kleine Staus gegeben, im Verlaufe des Vormittags sei die Lage aber sogar ruhiger gewesen als an einem normalen Montag, sagte eine Sprecherin des ADAC. Aus ihrer Sicht haben die frühe Ankündigung und die Berichterstattung dafür gesorgt, dass viele Menschen sich auf den Warnstreik eingestellt hätten. So seien viele im Homeoffice geblieben.
Die lokalen Verkehrsgesellschaften in Frankfurt sprechen von einem entspannten Tag
Bei der Frankfurter Nahverkehrsgesellschaft Traffiq war von einem „erstaunlich ruhigen Tag“ die Rede. Die Busse seien nicht so voll gewesen, wie man das erwartet hätte, sagte Traffiq-Sprecher Klaus Linek. Bei einzelnen Linien wie dem M30 und 61 habe man umgeschichtet und mehr Gelenkbusse eingesetzt. Die Menschen in Frankfurt hätten sich gut auf den Streik eingestellt. Das sieht auch die Verkehrsgesellschaft Frankfurt (VGF) so. „Da ist niemand auf dem falschen Fuß erwischt worden“, sagte Sprecher Bernd Conrads. Es sei frühzeitig und weitreichend informiert worden. Einige U-Bahnhaltestellen, wie die Alte Oper, wurden gleich mit Rollgittern ganz dichtgemacht. Ansonsten liefen überall Informationen auf den Anzeigetafeln.
Schulausfälle wie in anderen Bundesländern gab es in Hessen nicht. Kinder, die wegen des Streiks nicht in die Schule gebracht werden konnten, bräuchten eine Entschuldigung, teilte das Kultusministerium mit. Einige Schulen hatten am Montag auf Distanzunterricht umgestellt.
Warnstreik in Hessen: Am Abend fuhren die ersten S-Bahnen und Regionalbahnen wieder
„Der Streik hat gezeigt, wie wichtig die Berufe sind“, sagte EVG-Mann Uwe Reitz. Die Sorge der Gewerkschaft sei, dass bei fehlenden Lohnerhöhungen Bussen und Bahnen die Beschäftigten davonlaufen. „Dann werden wir häufiger als bisher Zug- und Busausfälle haben. Das ist nicht, was wir wollen.“ Bis Ostern werde nicht mehr gestreikt. Sollten die Forderungen der Gewerkschaften dann jedoch nicht erfüllt sein, sei man bereit, weitere Schritte zu gehen.
Einige vom bundesweiten Warnstreik betroffene Züge der Regional- und S-Bahn-Linien in Hessen sind am Abend wieder angefahren. Die einzelnen Linien fuhren seit dem Nachmittag, wie die Deutsche Bahn am Montag mitteilte.

