Untersuchungsausschuss zu Hanau-Anschlag: Zeugin vorab per Chat informiert
Dezernentin Susanne Simmler erhielt Nachrichten über die vorherige Befragung im Hanau-Ausschuss. Der Kreis nimmt nicht konkret Stellung dazu, weist Kritik aber zurück.
Zeuginnen und Zeugen sind einzeln und in Abwesenheit der später zu hörenden Zeuginnen und Zeugen zu vernehmen.“ So lautet Paragraf 21, Absatz 1 des Hessischen Untersuchungsausschussgesetzes. Dies hat, ähnlich wie bei Gericht, gute Gründe: Die zu Befragenden sollen Aussagen zum Beispiel nicht abstimmen können.
Im Untersuchungsausschuss zum Anschlag von Hanau ging es kürzlich um die Waffenerlaubnisse des Täters. Als Zeug:innen geladen waren eine Sachbearbeiterin der Waffenbehörde des Main-Kinzig-Kreises, ein leitender Beamter und die Erste Kreisbeigeordnete Susanne Simmer (SPD). Nach FR-Informationen, die von mehreren Anwesenden bestätigt wurden, hat ein Mitarbeiter von Simmler – der oben auf der Tribüne saß und zuhörte – sie während der Sitzung per Chat teils umfangreich und detailliert über Fragen und Aussagen bei der vorangegangenen Befragung informiert. Simmler, deren Rechtsbeistand ebenfalls in einer Chatgruppe aufgeführt wurde, stellte auch Rückfragen.
Kreis weist Kritik zurück
Auf eine Bitte um Stellungnahme der Beteiligten teilt ein Kreissprecher schriftlich mit: Der Kreis habe die „öffentlichen“ Termine in den vergangenen Monaten regelmäßig besucht. Zum Inhalt „rechtlich zulässiger interner oder privater Kommunikation“ während der Sitzung am 6. März, die in beiden Fällen vertraulich sei, werde nicht Stellung genommen. „Hingewiesen wird aber auf die datenschutz- und strafrechtlich problematische Verwendung solcher Daten ohne Einwilligung der Betroffenen.“
Der Ausschussvorsitzende Marius Weiß (SPD) sagt, ihm sei nichts aufgefallen. Wenn ein Mitarbeiter Simmler entsprechende Inhalte übermittelt habe und der Vorsitzende es gemerkt hätte, hätte er das Wort ergriffen, so Weiß. Es sei grundsätzlich wichtig, dass bei Befragungen kein Informationsaustausch über Aussagen, der sich nie ganz ausschließen lasse, stattfinde. In dem Fall sei ein Austausch seiner Ansicht nach inhaltlich aber nicht relevant gewesen, auch weil Simmler „andere Sachen gefragt“ worden sei, beispielsweise nicht zu konkreten Aktennotizen.
Maximilian Pichl, Rechts- und Politikwissenschaftler an der Universität Kassel, erklärt auf Anfrage: „Es gibt im Untersuchungsausschussgesetz das Abwesenheitsgebot von Zeug:innen bei anderen Vernehmungen.“ Dies stelle einen wichtigen Verfahrensgrundsatz dar, damit die Zeug:innen unvoreingenommen dem Ausschuss gegenübertreten könnten, sagt Pichl, der sich in seiner Forschung mit Untersuchungsausschüssen beschäftigt. Wenn Mitarbeiter:innen von Zeug:innen sich für diese im Ausschuss befinden und bei der Vernehmung mitschreiben sollten, stelle dies eine Umgehung dieses Verfahrensgrundsatzes dar.