Hessen: Bürger-Protest im Landtag

Bürgerinitiativen gegen Straßenausbaubeiträge sind verärgert über die schwarz-grüne Koalition.
Mit Murren, Gelächter und anderen Unmutsäußerungen verfolgten am Dienstagabend zahlreiche Besucher die Debatte über die Straßenausbaubeiträge. „Wie ein Schlag ins Gesicht“ wirke so mancher Redebeitrag, sagte Andrea Müller-Nadjm, eine Sprecherin der Bürgerinitiativen.
Es geht um Beträge von oft Tausenden oder sogar mehreren Zehntausend Euro, die Grundstücksbesitzern von den Gemeinden in Rechnung gestellt werden, wenn die Straße vor ihrer Haustür saniert wurde. Die Bürgerinitiativen fordern, dass das Land diese Summen übernimmt.
Entsprechende Gesetzentwürfe brachten Günter Rudolph (SPD) und Hermann Schaus (Linke) in den Landtag ein. SPD wie Linke verlangen, dass Hessen den Kommunen 60 Millionen Euro erstattet, die dafür auf die Erhebung der Beiträge verzichten müssten. Auch die AfD hält das für richtig, wie ihr Abgeordneter Arno Enners erklärte.
Nach Ansicht der SPD soll das Geld allen Städten und Gemeinden zugutekommen. Die Linke will reiche Städte wie Frankfurt, Wiesbaden oder Eschborn von dem Geldsegen ausnehmen, die ohnehin keine Straßenbaubeiträge kassiert haben.
Hessen: 350 Städte und Gemeinden bitten Eigentümer zur Kasse
Der CDU-Innenpolitiker Alexander Bauer nannte den Gesetzentwurf der SPD „verlockend, aber nicht seriös“. Zudem löse er nicht die Probleme jener Bürger, die bereits einen Bescheid erhalten hätten. Der Grünen-Abgeordnete Markus Hofmann warf SPD und Linken vor, sie trügen zur „Verunsicherung der Bevölkerung“ bei, indem sie bestehende Gesetze infrage stellten – was die Bürgerinitiativen mit Unmut quittierten.
Innenminister Peter Beuth (CDU) warb wie die Abgeordneten der schwarz-grünen Koalition für das Gesetz, das CDU und Grüne im vergangenen Jahr gemeinsam mit der FDP beschlossen hatten. Danach können Kommunen darauf verzichten, die Beiträge zu erheben, bekommen aber das Geld nicht vom Land erstattet. Beuth sagte, die Kommunen seien „ordentlich“ ausgestattet. Allein über den Kommunalen Finanzausgleich erhielten sie 2019 fast 300 Millionen Euro mehr als 2018.
Für die FDP hob Jörg-Uwe Hahn hervor, dass die kommunale Selbstverwaltung nicht angegriffen werden dürfe. Daher müsse vor Ort entschieden werden, ob Beiträge erhoben würden oder nicht. Allerdings schlug er vor, den Kommunalen Finanzausgleich aufzustocken, um den Gemeinden einen Verzicht auf die Beiträge zu ermöglichen.
Rund 350 hessische Städte und Gemeinden bitten Grundstückseigentümer zur Kasse, wenn Straßen ausgebaut werden. Die meisten tun dies einmalig, wenn gebaut wurde. Andere verlangen regelmäßige Beiträge.
37 Städte und Gemeinden erheben schon lange keine Straßenausbaubeiträge, darunter Frankfurt und Wiesbaden. Weitere gut 40 Kommunen haben sie in den vergangenen Monaten abgeschafft. pit
Neues Bündnis in Hessen
Vier Verbände unterstützen die Forderung nach Abschaffung der Straßenausbaubeiträge. Der Verband der Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft, die Eigentümer-Organisation Haus & Grund, der Verband Wohneigentum Hessen und der Bund der Steuerzahler forderten am Dienstag „ein möglichst breites, fraktionsübergreifendes Zeichen zur Entlastung der Bürger“. Oft entscheide der Zufall, ob der Einzelne einen vier- oder fünfstelligen Betrag zahlen müsse. pit