Union sucht ihre Sündenböcke

In der Union bröckelt der Rückhalt für Roland Koch als Ministerpräsident in Hessen. Der Wirtschaftsflügel gibt Bundeskanzlerin Merkel eine Mitschuld an den Stimmenverlusten der CDU.
Berlin (rtr/dpa) - In der Union bröckelt der Rückhalt für Wahlverlierer Roland Koch als Ministerpräsident in Hessen. Der bayerische Regierungschef Günther Beckstein (CSU) sagte Dienstag, er hoffe, dass Koch weiter eine wichtige Rolle in der Politik spielen werde - "sei es nun als Ministerpräsident oder sei es in sonstigen Funktionen". Koch werde gebraucht, "ob in Hessen oder in Berlin". Der CDU-Politiker selbst legte seine Zukunft als Ministerpräsident in die Hand des Landesverbandes.
Er und auch SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti luden die im Wiesbadener Landtag vertretenen Parteien bis auf die Linkspartei zu Gesprächen über die schwierige Regierungsbildung ein.
Teile des Wirtschaftsflügels der Union gaben Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Mitschuld an den Stimmenverlusten der CDU bei den Wahlen in Hessen und Niedersachsen. "Angela Merkel fährt in der großen Koalition einen Linkskurs, der von den bürgerlichen Stammwählern in der Union nicht mitgetragen wird", sagte der Chef der CDU/CSU-Mittelstandsvereinigung, Josef Schlarmann. Es gebe eine ganze Reihe von Vereinbarungen in der Koalition, die "nicht unionsgeprägt" gewesen seien. Dagegen nahm der Chef des Parlamentskreises Mittelstand in der Unions-Bundestagsfraktion, Michael Fuchs, Merkel in Schutz. Die hessische CDU habe mit überzogenen Forderungen beim Thema Jugendgewalt Fehler gemacht.
Spekulationen über Wechsel von Jung nach Hessen
Koch hat nach seinem Wahldebakel den Anspruch für die CDU erhoben, die Regierungsbildung in Hessen zu übernehmen. Darin wird er von der Parteivorsitzenden Merkel und der Führungsspitze der Union unterstützt. Im CDU-Präsidium sowie in mehreren großen Landesverbänden wie der einflussreichen baden-württembergischen CDU gibt es allerdings starke Vorbehalte, dass Koch am Ende weiter Ministerpräsident bleiben soll. Koch hat angekündigt, notfalls geschäftsführend im Amt zu bleiben, wenn bis zum Stichtag am 5. April keine neue Landesregierung zustande kommt.
Beckstein ging als erster Spitzenvertreter der Union offen auf Distanz zu einem Verbleib Kochs im Ministerpräsidentenamt. Koch könne in der Landespolitik eine wichtige Rolle spielen, je nach dem wie sich die Lage entwickele, sagte der CSU-Politiker im Deutschlandfunk. Welche sonstigen Funktionen für ihn infrage kämen, müsse sich Koch selbst überlegen.
Der CDU-Wirtschaftsrat macht sich dafür stark, Koch im Jahr 2009 als Bundeswirtschaftsminister nach Berlin zu holen. "Koch wäre mit Sicherheit nach der nächsten Bundestagswahl ein sehr glaubwürdiger Kandidat für den Wirtschaftsminister", sagte der Vorsitzende des Wirtschaftsrates, Kurt Lauk, der "Leipziger Volkszeitung".
Weiter halten sich auch in der Hessen-CDU Gedankenspiele über eine Ablösung Kochs zugunsten seines engen Vertrauten, Verteidigungsminister Franz Josef Jung. Damit könnte der SPD unter Spitzenkandidatin Ypsilanti die Zustimmung zu einer großen Koalition unter CDU-Führung erleichtert werden. Dies hätte eine Kabinettsumbildung in Berlin zur Folge, die aber in Merkels Umfeld für unwahrscheinlich gehalten wird: Wirtschaftsminister Michael Glos könnte - nur mit Zustimmung seiner CSU - in das Verteidigungsressort wechseln und Koch das Wirtschaftsressort übernehmen. Ein Wechsel Kochs auf einen Spitzenposten in der Wirtschaft wird aber auch nicht ausgeschlossen.
Ypsilanti: Auch ohne Koch keine große Koalition
Beckstein wandte sich gegen eine neue Aufgabe für Glos. "Die Fragen, was in Berlin wäre wenn, muss die CDU sich überlegen", sagte er. Koch selbst sagte am Montagabend im ZDF auf die Frage, ob er für eine große Koalition in Hessen das Feld räumen würde, jede Partei entscheide selbst über ihr eigenes Führungspersonal.
"Es geht hier nicht so sehr um die Diskussion um Personen, sondern um politische Programme." Ypsilanti sagte, selbst wenn Koch auf das Amt des Ministerpräsidenten verzichten würde, sehe sie wegen des CDU-Programms keine Chance für eine Koalition. Für das Regierungsbündnis in Berlin erwartet SPD-Parteichef Kurt Beck dennoch keine negativen Auswirkungen.
SPD-Fraktionschef Peter Struck forderte die FDP in Hessen auf, ihren Widerstand gegen eine Ampelkoalition mit SPD und Grünen aufzugeben. Der SPD-Umweltexperte Hermann Scheer, der von Ypsilanti als Wirtschaftsminister vorgesehen war, brachte im RBB eine Tolerierung einer rot-grünen Minderheitsregierung durch die FDP ins Spiel. FDP-Chef Guido Westerwelle bekräftigte, seine Partei stehe in Hessen nicht für eine Ampelkoalition zur Verfügung.