Trauer um ein Stück Rettershof

Bürger schlagen eine Spendenaktion für den Wiederaufbau der abgebrannten Stallungen des Rettershofes in Kelkheim vor.
Das Drama liegt noch immer in der lauen Sommerluft. Ab dem großen Parkplatz nahe der B 455, von dem Wege zum Gutshof, zum Romantik-Hotel Rettershof und zur Waldgaststätte „Zum Fröhlichen Landmann“ führen, riecht es verbrannt. Auch vier Tage danach noch. „Zwei Pferde sind gestorben“, erklärt der kleine Justus Noltenius mit ernstem Gesicht. Die dreijährige Schwester Livia weiß das auch, ohne die Posts der Autorin Nele Neuhaus auf Facebook gelesen zu haben, die Dutzende Trauerbekundungen nach sich zogen.
Die Menschen zwischen Fischbach und Schneidhain kennen den Rettershof, irgendwie gehören sie in diesen Tagen alle zur Trauergemeinde. Sind „ganz entsetzt“, wie die Verfasserin der Taunus-Krimis, „furchtbar traurig“ oder „fassungslos“. Der Rettershof ist ein Stück Heimat für alle, die hier leben, wie es Justus‘ Vater beschreibt. Und liebgewordener Ausflugsort. Andere kennen den Gutshof als „Hofgut Bodenstein“ aus den verfilmten Neuhaus-Krimis, die Eltern des beliebten Kommissars Oliver von Bodenstein leben dort. Vor kurzem haben sie da noch gedreht.
Von den denkmalgeschützten Stallungen aus dem 19. Jahrhundert sind nach dem Feuer nur noch Ruinen übrig. Der Hof davor ist gesperrt, durch ein Sperrgitter blickt eine Gruppe junger Mädchen auf das Desaster. „Schlimm sieht es aus“, sagt eine ältere Dame mit Hund gefasst. Mehr als 30 Jahre ist sie hier als Reiterin fast täglich ein- und ausgegangen, hat noch heute eine Reitbeteiligung. Mitten in der Nacht kam der Alarm übers Smartphone, fast alle waren sie da, um zu helfen, wo es eben ging. Einer der vielen Sprüche mit Lebensweisheiten, die hier an allen Wänden stehen, hat plötzlich eine neue Bedeutung bekommen. „Lasset uns am Alten, so es gut ist halten. Aber auf dem alten Grunde Neues schaffen jede Stunde.“
Sie werden viel zu schaffen haben auf dem Rettershof, wenn es eine Entscheidung für einen Wiederaufbau geben sollte. Und viel Geld brauchen. Noch ist die Schadenshöhe unklar, aber sie könnte weitaus höher sein als die zunächst geschätzten 500 000 Euro. So beurteilte Stadtbrandinspektor Alexander Kolata die Lage schon am Freitag.
Feuerwehrleute sind auch am Samstag vor Ort, sichern ein ramponiertes schmiedeeisernes Gitter am Löschteich mit Flatterband. Ein fliehendes Pferd ist in der Brandnacht in Panik in das Gitter geknallt. Am nächsten Morgen kamen die Schaulustigen. „Oh ja, das waren viele“, sagt ein Feuerwehrmann ohne Groll. Das eher unschöne Wort Katastrophen-Tourismus ist allerdings auch schon gefallen. „Hätten wir von jedem fünf Euro genommen, könnte man den Wiederaufbau schon halb bezahlen“, flachst er.
Günter Görlitz, seit sechs Jahren Kelkheimer, spinnt die Idee weiter. „Eine Spendenaktion, da könnte ’ne Menge Geld reinkommen.“ Müsste aber die Stadt inszenieren, ihr gehört seit 1980 der Gutshof, der früher mal Kloster war. Die Idee kommt an, andere Passanten, Wanderer und Wochenendausflügler stimmen zu. Viele haben Erinnerungen, die mit dem Hof, dem Schloss-Hotel oder gar mit der Zeit in den 70er Jahren verbunden sind, als die deutsche Zentrale der Hare Krishna Bewegung als Mieter des Schlösschens auf dem Gelände auch einen Tempel unterhielt.
Es muss weitergehen auf dem Rettershof, da sind sich alle einig. Auch mit dem Reitsport. Auf der Schlossterrasse wenden die Menschen den Blick wieder der Sonne zu, im „Fröhlichen Landmann“ gibt es beim kühlen Bier längst neue Themen. Die frische Taunusluft vertreibt den Brandgeruch langsam.