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Terroranschlag von Hanau: Ärzte verteidigen Obduktionen

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Von: Gregor Haschnik

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Im Hanau-Ausschuss weisen Rechtsmediziner Kritik zurück. Außerdem zeigt sich, dass die Anhörung von Hinterbliebenen vor der Obduktion keine Priorität hatte.

Hanau – Der Untersuchungsausschuss zum Anschlag von Hanau hat sich am Freitag erneut mit den Obduktionen der Getöteten befasst. Opferangehörige hatten unter anderem den großen Umfang der Untersuchungen kritisiert. Zudem war ein Teil von ihnen zuvor nicht gehört worden, obwohl Paragraf 33 der Strafprozessordnung dies vorschreibt.

Ein Hauptkommissar, der für den „Einsatzabschnitt Betreuung“ zuständig war, sagte, er habe den Bruder von Sedat Gürbüz am Telefon über die notwendige Obduktion seines Bruders informiert und gebeten, es den Eltern mitzuteilen. Gürbüz habe zurückgerufen und keinen Widerspruch geäußert. Kolleg:innen hätten mit Hinterbliebenen aus zwei weiteren Familien gesprochen. Allerdings sei er nicht explizit angewiesen worden, die Angehörigen anzuhören, und davon ausgegangen, die ermittelnden Beamt:innen täten dies, so der Zeuge. Gürbüz habe er angesprochen, um mit Hilfe seiner Zustimmung den Prozess zu beschleunigen und für eine frühere Freigabe des Leichnams zu sorgen. Das sei im Sinne der Verwandten gewesen, auch weil sie als Muslime Wert darauf legten, zeitnah zu bestatten.

Am 19. Februar werden drei Jahre vergangen sein, seit ein Rassist in Hanau neun Menschen erschoss. epd
Am 19. Februar werden drei Jahre vergangen sein, seit ein Rassist in Hanau neun Menschen erschoss. © Jannik Eifert/epd

Anschlag von Hanau: Die Obduktionen der Opfer lassen Fragen offen

Warum er nicht Gürbüz’ Eltern aufgesucht und gefragt habe, wollte Saadet Sönmez (Linke) wissen. Wegen seiner Leitungsfunktion sei ein Vor-Ort-Termin nicht möglich gewesen, darüber hinaus habe der Bruder gefasst gewirkt, entgegnete der Polizist.

Er räumte ein, dass das Recht von Hinterbliebenen, vor Obduktionen gehört zu werden, in der Polizeiausbildung keine Rolle spiele. Aus dem Terroranschlag habe die Polizei aber Konsequenzen gezogen und eine Einheit für Opferkontakte eingeführt.

Der Anschlag

Am 19. Februar 2020 erschoss ein 43-Jähriger aus rassistischen Motiven Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtovic, Vili Viorel Paun, Fatih Saraçoglu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov. Anschließend erschoss der Täter seine Mutter und sich selbst.

Nicht geklärt werden konnte, weshalb die meisten Obduktionen ohne Anhörung liefen. In der Nacht wechselten Zuständigkeiten. So übernahm der Generalbundesanwalt von der Staatsanwaltschaft Hanau die Leitung der Ermittlungen. Offenbar gab es Kommunikationsprobleme.

Kritik an wird zurückgewiesen – Obduktionen nach Anschlag von Hanau werden begründet

Marcel Verhoff, Direktor des Frankfurter Instituts für Rechtsmedizin, und ein an den Untersuchungen beteiligter Arzt wiesen Kritik zurück. Verhoff sagte, das Institut habe die Standards und Leitlinien erfüllt. Beispielsweise müssten alle Körperhöhlen geöffnet und die Organe untersucht werden, erklärte sein Kollege. Oft seien Verletzungen, die etwas über den Verlauf eines Verbrechens aussagten, von außen nicht sichtbar.

Auch sei es notwendig gewesen, die Identität der Toten rechtssicher etwa mit Hilfe einer DNA-Analyse festzustellen, auch wenn die Todesnachrichten bereits überbracht waren. Die Rechtsmedizin habe versucht, so sensibel wie möglich vorzugehen. Früher hätten bei Schussverletzungen größere Hautteile herausgeschnitten werden müssen, um sie zu untersuchen. Das Institut habe jedoch ein Verfahren entwickelt, bei dem etwa Schmauchspuren von der Haut „gezogen“ werden könnten. Die Verletzungen der Betroffenen stuften die Mediziner als so massiv ein, dass niemand eine Überlebenschance gehabt habe.

Unklar bleibt, warum das Angebot des Instituts an die Angehörigen, sich dort am Sonntag nach der Tat von den Toten zu verabschieden, die Familien wohl nicht erreichte. Ermittelnde, die die Information hätten weitergeben sollen, seien über die Möglichkeit informiert worden. Die Rechtsmedizin dürfe nicht selbst auf Hinterbliebene zugehen. (Gregor Haschnik)

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