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Symbol der Freiheit

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Sinclair-Haus widmet sich dem Motiv der Wolke

bad homburg - Bedrohlich oder verspielt: Bei den Alten Meistern drückten Wolken Emotionen aus. Heute ist der Blick zum Himmel vielschichtiger: Dort kündigen sich klimawandelbedingte Wetterkapriolen an, da fliegen Flugzeuge und strömen Emissionen. Die Wolke hat ihre Unschuld verloren. Romantisch kann sie dennoch sein. Wie interpretieren zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler den Wasserdampf?

Nicht nur mit dem Pinsel, das zeigt die neue Ausstellung im Museum Sinclair-Haus. 14 Kunstschaffende laden dort zu einer Wolkenreise ein. Beim Reinkommen taucht man sogleich in die dramatischen Cumulus-Ballungen von Ian Fisher ein, wie sie sonst nur aus dem Flugzeug zu sehen sind. Fishers hyperrealistische Ölgemälde, die das Licht einfangen, verkaufen sich gut - Wolken sind eben doch Sehnsuchtsorte . . .

Seit mehr als 100 Jahren sind Wolken ein eigenes Motiv in der Kunst. Einer, der schon 1968 welche schuf, ist der renommierte Maler Gerhard Richter. Vier seiner Gemälde hat die Stiftung Kunst und Natur - Trägerin des Museums - meist aus Privatsammlungen entleihen können. Für Richter, der aus der DDR floh, war das Wolken-Motiv Symbol für Freiheit. Seine Bilder haben stets etwas Geheimnisvolles - so zieht uns „Ohne Titel“ in eine düstere Nachtstimmung, ein Offsetdruck schichtet zwei Himmel übereinander.

Die Technik ermöglicht heute auch andere Perspektiven. Die Bulgarin Lyoudmila Milanova betrachtet sie von oben und in ihrer Dreidimensionalität. Es lohnt, vor ihren Installationen länger stehen zu bleiben. Mit Hilfe digitaler Satellitenaufnahmen und ihren gleichzeitig von unten fotografierten Wolken zeigt sie Wolken von zwei Seiten. Durch Gravuren auf hintereinander stehenden Plexiglasscheiben entsteht der Eindruck, zwischen den Gläsern schwebe etwas Wattiges.

Mit der Staffelei auf einer Anhöhe

Im Obergeschoss bleibt es experimentell - auch in der Malerei. Gerhard Lang (* 1963) hat auf einer Anhöhe im Schwarzwald eine große Staffelei aufgebaut. So blickte er gen Himmel und zeichnete die Wolkenbewegungen. Museumsdirektorin Dr. Christina Anna Lanzl fühlt sich an die Klecks-Bilder des amerikanischen Expressionisten Jackson Pollock erinnert.

Das Gegenteil: die feinen Miniaturen von Julius Bockelt. Der Frankfurter schraffiert die Schwingungen von Wolken in seinen irisierenden Tusche-Zeichnungen. Analoge und digitale Fotografien gesellen sich im Gang nebeneinander. Klassiker in Schwarz-Weiß sind die Wolkenstudien der früheren FAZ-Fotografin Barbara Klemm, die auf einer Italienreise auf den Spuren Goethes entstanden. Während ihre Fotos den Himmel zeigen, wie er war, manipuliert Isabelle Arthuis ihr Bild mittels Software.

Auch das Element Film kommt zum Tragen. Einen eigenen Raum hat Marie-Jo Lafontaine mit ihrer Klanginstallation „Les nuages - Berauscht von Ewigkeit, vergesse ich die Bedeutungslosigkeit der Welt“. Geradezu meditativ anzusehen ist auch Berndnaut Smildes „Nimbus Atlas“: Zeitlupen-Videos von selbst erzeugten weißen Wolken auf Schwarz. Die Wolke schwebt so langsam, weil der Künstler sie mit einer Hochgeschwindigkeitskamera aufgenommen hat.

Einen kritischen Ansatz verfolgt Jonas Fischer (* 1988) mit seinem „Cloud Index“. Während der Pandemie war er öfter daheim, wo er auf ein Kraftwerk blickt. Die Emissionwolken brachten ihn auf die Idee, die Daten diverser Kohlekraftwerke in Deutschland und Polen in einer Tabelle aufzulisten und die Ausstoß-Wolken zu fotografieren. Auch wenn diese Zeichen fossiler Verbrennung bald nicht mehr zu sehen sein sollen, so wird die Online-Datenbank doch als Beweis bleiben - so wie die Schäden, die die Emissionen für unser Klima bedeuten.

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