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Streit in Hessen über den Schuss auf der Weide

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Von: Detlef Sundermann

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Trockenheit in Hessen
Auch den Kühen ist es zu trocken. © Frank Rumpenhorst/dpa

Tiere erleiden zu viel Stress bei der Trennung von der Herde.

Das Rind wird nicht in den nächsten Schlachthof transportiert, sondern auf der Weide mit einer Gewehrkugel getötet und in einem speziellen Anhänger gleich geschlachtet. Das hört sich nach einem stressfreien Ende an, ist es aber nicht – zumindest in der Wetterau, so die Kritiker. Die FDP hat dazu jüngst eine Kleine Anfrage im Landtag gestellt, um aus dem Landwirtschaftsministerium zu erfahren, ob der Kreis mit seiner Vorgabe vom November 2019 für die Weideschlachtung samt Kugelschuss ausreichend das Tierwohl beachtet. Tut er nicht, so fasst die FDP die Antworten zusammen. Eindeutige Kritik erfährt hingegen der Kreis von der Landestierschutzbeauftragten. Der Kreis gibt als umstrittene Regel vor, dass das zu schlachtende Rind zuvor in einem Pferch von der Herde getrennt wird.

„Wir haben das drei Mal bei den Bullen und zwei Mal bei den Kühen praktiziert, immer gerieten die Tiere beim Separieren in Panik“, sagt Matthias Brauner vom Merzehof in Ranstadt. Danach hat Brauner, der einen Bio-Betrieb führt, erst einmal das Schlachten für einen Monat eingestellt, um für einen Änderungsbescheid zu kämpfen, mit anwaltlicher Hilfe und Expertisen. Nach Rücksprache mit dem Regionalbauernverband und dem Kreislandwirt lässt der Kreis nun eine Abweichung von der Vorgabe zur Weideschlachtung zu – nur für „jetzigen Eigentümer der Altbetriebe“.

Brauner kann mit dem Änderungsbescheid wieder so schlachten, wie er es seit drei Jahren tut. „Es gab in der Zeit keine Zwischenfälle wie ein Fehlschuss“, sagt seine Frau Martina. „Vor dem Schuss verteilen wir auf der Weide Möhren, dass die Rinder nicht zu dicht zusammenstehen“, sagt Matthias Brauner. Ein für die Aufgabe ausgebildeter Schütze, der in diesem Fall auch gleich der Metzger ist, setzt dann zum Schuss an. „Das getroffene Tier sackt zusammen, ohne dass die anderen es besonders wahrnehmen.“ Ein Tierarzt achtet darauf, dass der Tod tiergerecht erfolgt.

„Unsere Kunden schätzen diese Art der Schlachtung, denen geht es erst in zweiter Linie um Bio-Ware“, sagt Brauner. Und der Merzehof regt andere Rinderhalter zum Nachahmen an. Laut Wetteraukreis sollen zwei der sechs Viehzüchter, die Weideschlachtung praktizieren, angekündigt haben, ebenfalls einen Antrag zu stellen.

Die zuständige Erste Kreisbeigeordnete Stephanie Becker-Bösch (SPD) erklärt die Pferch- oder Coral-Regeln damit, dass „es sich bei dem Kugelschuss auf der Weide nicht um ein standardisiertes Betäubungs- und Tötungsverfahren handelt“. Dabei seien vor allem tierschutzrechtliche Aspekte im Fall eines Fehlschusses zu berücksichtigen. Sollte eine Kugel das Rind nicht töten, müsse der Zugriff auf das angeschossene Tier uneingeschränkt möglich sein, so die Kreisbeigeordnete, die sich auf die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz beruft. Daher sei es nötig, das Areal zu begrenzen in dem geschossen wird. Der Kreis schreibt dazu eine Fläche von höchstens 15 mal 15 Meter vor, die das Rind durch vorherige Anfütterung kennenlernen soll.

„Was im Wetteraukreis passiert, ist sehr befremdlich“, sagt Landestierschutzbeauftragte Madeleine Martin. „Es gibt überhaupt keinen fachlichen Grund, ein Tier in einen Coral zu treiben“, so die Veterinärin. Die Vorgabe des Wetteraukreises laufe einem erfolgreichen Modell in Hessen, dem immer mehr Rinderzüchter folgen wollen, zuwider.

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