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Streik der Lkw-Fahrer: „Wie Tiere behandelt, wie Löwen gekämpft“

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Von: Gregor Haschnik

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Die Fahrer aus Georgien und Usbekistan zeigen ihre Nationalflaggen und skandieren „Schach-matt!“.
Die Fahrer aus Georgien und Usbekistan zeigen ihre Nationalflaggen und skandieren „Schach-matt!“. dpa © dpa

Der Protest der Lkw-Fahrer hat offenbar zum Erfolg geführt. Der polnische Spediteur soll zugesagt haben, die ausstehenden Löhne zu zahlen und auf Klagen zu verzichten.

Einige Lkw-Fahrer wippen zu der an Ska erinnernden Musik aus ihrer Heimat, die aus dem Lautsprecher schallt. Einer tanzt ausgelassen über den Parkplatz. Andere pusten rhythmisch in die Trillerpfeifen, die zu ihren Streikutensilien gehören. Wieder andere machen schon ihre in Riesenziffern auf den Planen klebenden Geldforderungen ab. Nachdem die Ansprachen gehalten sind und laut applaudiert wurde, skandieren die Fahrer „Schach-matt!“ – als Siegesruf. Dann setzen sie ihre Unterschriften unter die Vereinbarung, die ihr Chef bereits unterzeichnet hat.

Am späten Mittwochnachmittag herrscht Feierstimmung auf der Raststätte Gräfenhausen-West. Nachdem die rund 60 Beschäftigten, die aus Georgien und Usbekistan stammen, wegen ausstehender Löhne und Ausbeutung fünf Wochen lang gestreikt haben, wurde nun eine Einigung erzielt. Laut Verhandlungsführer Edwin Atema von der niederländischen Gewerkschaft FNV hat sich der polnische Spediteur Lukasz Mazur verpflichtet, die restlichen Gehälter, gut 97 000 Euro, zu zahlen. Gleichzeitig ziehe er seine Klagen zurück und werde auch künftig keine straf- oder zivilrechtlichen Schritte gegen die Lastwagenfahrer, die zwischenzeitlich an Hungerstreik dachten, unternehmen. Das Geld solle fließen, sobald er, Atema, das Papier unterschrieben hat. Der Gewerkschafter forderte die Mitarbeitenden auf, dies ebenfalls zu tun und ein Zeichen zu setzen: „Die Fahrer wurden behandelt wie Tiere. Sie haben gekämpft wie Löwen – und gewonnen.“ Die Lkw sollten freigegeben werden, wenn alle vollständig bezahlt sind.

Atema blickte auf einen harten Kampf zurück: Noch vor kurzem habe sich die Firma nach ersten Zahlungen geweigert, den Rest zu zahlen, und mit Klagen gedroht. Der Chef habe seine Beschäftigten als Terroristen bezeichnet, was skandalös sei. Vorher habe er nichts überweisen wollen und sei mit einem Schlägertrupp aufgetaucht, um die Lkw unter seine Kontrolle zu bringen. Vergeblich. „Die Fahrer wollen nur, was ihnen zusteht“, so Atema. Sie seien der Firma egal. Zum Umdenken habe wohl der Druck eines Kunden aus der Schweiz geführt, dessen Ladung in Gräfenhausen stehe.

Der Spediteur hatte alle Vorwürfe zurückgewiesen. Er habe rechtmäßig gehandelt, nicht ausgebeutet und habe sich mit der paramilitärisch anmutenden „Rutkowski Patrol“ nur schützen wollen. Verspätete Zahlungen seien auf notwendige Sparmaßnahmen zurückzuführen, denen die Fahrer zugestimmt hätten.

Stefan Körzell aus dem Bundesvorstand des DGB, der die Streikenden über sein Projekt Faire Mobilität unterstützte, sprach von einem „großen Erfolg für die Fahrer. Sie haben mit großer Ausdauer zusammengehalten, für öffentlichen Druck gesorgt und eine große internationale Solidarität ausgelöst“. Der Spediteur sei ein Lügner, man müsse ihn zur Verantwortung ziehen.

„Heute ist ein sehr guter Tag“, sagt einer der Fahrer. Er gehe fest davon aus, die zweite Hälfte seines Lohnes bald zu bekommen. Dann werde er nach Monaten wieder zu seiner Familie fahren und vermutlich für eine slowakische Firma arbeiten. „Es ist toll, dass wir hier zusammen sind und es zusammen geschafft haben.“ Der Trucker verabschiedet sich, er will unbedingt auf dem Gruppenbild sein.

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