Status der Grube Messel als Weltkulturerbe gefährdet

In der Grube Messel bei Darmstadt herrscht zurzeit ein Grabungsstopp. Die Denkmalschutzbehörde des Landes Hessen befürchtet, die wissenschaftlichen Arbeiten gefährden ihren Status als Welterbe.
Die Bürzeldrüse sorgte kürzlich nicht nur wegen ihres Namens für Aufsehen, sondern auch, weil die im Fossil eines Vogels gefundene 48 Millionen Jahre alte Hautdrüse noch Fette enthielt, die ebenso alt sind. Und damit laut Senckenberg-Gesellschaft für Naturforschung in Frankfurt „die ältesten jemals bei einem fossilen Wirbeltier nachgewiesenen Fette“. Gefunden in der Grube Messel bei Darmstadt. Dabei ist die Bürzeldrüse nur einer von vielen wissenschaftlich bedeutenden Funden, die in den vergangenen 30 Jahren in den Ölschiefersedimenten der Grube gemacht wurden. Doch mit Grabungen im bisherigen Umfang könnte vorerst Schluss sein.
Derzeit herrscht im Eldorado für Paläontologen ein Grabungsstopp. Denn die Denkmalfachbehörde des Landes Hessen, in dessen Besitz die Grube ist, befürchtet, „dass Art und Umfang der bisherigen Grabungen nicht mit dem Status einer Weltnaturerbestätte und den Vorgaben der Unesco hinsichtlich des Umgangs mit der Grube Messel vereinbar sind“, wie Christoph Schlein, Pressesprecher des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst mitteilt. Dabei gehe es nicht um eine grundsätzliche Einschränkung der Forschungsfreiheit, sondern um einen der Welterbestätte angemessenen Ausgleich zwischen den Aspekten Erhaltung und Erforschung.
Der seit diesem Jahr geltende Grabungsstopp hinterlässt in der 4000-Seelen-Gemeinde Messel im Kreis Darmstadt-Dieburg bereits seine Spuren. „Das Moratorium hat zu einem spürbaren Rückgang bei den Besucherzahlen geführt“, sagt Bürgermeister Andreas Larem (SPD). „Der Besucher will etwas erleben, will den Grabungsteams über die Schulter schauen“, schildert er den besonderen Reiz eines Ausflugs nach Messel. Neben dem ideellen Wert für die Kommune sei der besondere Status des Weltnaturerbes auch mit Kosten und Verpflichtungen verbunden. Jüngst hat die Gemeinde für Reisende vier Wohnmobilstellplätze eingerichtet. Es habe auch verschiedene Ideen gegeben, wie man das im Ort Messel liegende Museum, in dem auch Funde gezeigt werden, mit dem direkt an der Grube liegenden Besucherzentrum besser vernetzen könnte, um mehr Besucher anzuziehen. „Doch dann kam das Moratorium dazwischen“, so Larem.
Wie es im kommenden Jahr weitergehen soll, darüber beraten seit gestern in Darmstadt Experten von Landesdenkmalschutz, Senckenberg-Gesellschaft und Hessischem Landesmuseum. Auch internationale Forscher nehmen an dem Symposium im Landesmuseum teil. Dabei soll eine Basis erarbeitet werden, aufgrund derer das Ministerium für Wissenschaft und Kunst seine Entscheidung fällen wird, wie Sören Dürr, Sprecher der Senckenberg-Gesellschaft sagt. Zwar habe das Aussetzen der Grabungen für ein Jahr noch keine erheblichen Auswirkungen auf die Forschung. „Wir werden aber darauf drängen, dass die Grabungen rechtzeitig zur nächsten Saison fortgesetzt werden können“, so Dürr. Auch Bürgermeister Larem gibt zu bedenken, dass man graben müsse, um die Funde zu erhalten.
Der Denkmalschutz spricht sich für einen vorsichtigen Umgang aus: Die Welterbestätte solle „substanziell geschützt werden und künftigen Generationen noch erfahrbar bleiben“, so Sprecher Schlein. Ziel sei, die Forschungen angesichts der begrenzt verfügbaren Ressource auch zukünftig sensibel fortsetzen zu können.
Auch die Deutsche Unesco-Kommission in Bonn räumt ein, dass der außergewöhnliche universelle Wert, für den die Stätte ausgezeichnet wurde, einen Hinweis auf die wissenschaftliche Bedeutung der fortlaufenden Forschung in der Grube Messel enthalte. „Er fordert diese aber nicht zwingend ein“, teilte Sprecherin Katja Römer mit. Darüber bestehe weiter Gesprächsbedarf. Man stehe mit den Verantwortlichen auf Landesebene in Verbindung.
Die Überprüfung des Welterbestatus erfolgt alle sechs Jahre. In der Grube Messel hat der dritte Berichtszyklus 2017 begonnen. „Alles, was den außergewöhnlichen universellen Wert bedroht, ist eine Gefährdung einer Welterbestätte“, so Römer. Das könne vom Klimawandel über Baumaßnahmen bis hin zu Vernachlässigung reichen.