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Spargelanbau geht zurück

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Von: Annette Schlegl

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Auf einem Acker bei Weiterstadt-Braunshardt wird Spargel von Arbeiterinnen aus Rumänien gestochen.
Auf einem Acker bei Weiterstadt-Braunshardt wird Spargel von Arbeiterinnen aus Rumänien gestochen. © Renate Hoyer

Nach Überproduktion in den Vorjahren werden die Anbauflächen für Spargel reduziert. Die Preise bleiben auf dem Niveau von 2022.

Spargelbauer Rolf Meinhardt aus Weiterstadt blickt auf sein Handy. In weißer Schrift auf schwarzem Hintergrund sind dort Temperaturen zu lesen. „28,3 Grad oben am Spargeldamm, 15,5 Grad an der Wurzel“, sagt er. Ja, auch im Spargelanbau sind moderne Zeiten eingezogen: Eine App verrät ihm, ob es dem Spargel auf seinen Feldern gut geht und wie viel Kilo er wohl an diesem Tag ernten kann. Somit weiß er auch, wie viele Erntehelfer er braucht. „250 bis 300 Kilo Spargel pro Tag bei diesen Temperaturen“, stellt er zufrieden fest.

Die Verbraucher und Verbraucherinnen interessieren diese Temperaturen und Mengen wenig. Für sie zählt der Kilopreis des königlichen Gemüses: Zu Saisonbeginn kostet es an den Spargelbüdchen und in den Hofläden zwischen 8 Euro und 18 Euro pro Kilo – je nach Güteklasse. „Wir sind im Vergleich zum Vorjahr nicht teurer geworden“, sagt Meinhardt, der auch Vorsitzender des Arbeitskreises Spargel Südhessen ist. Er nennt das einen „attraktiven Preis, mit dem wir leben können und der Verbraucher leben kann“.

Der Spargel sei in dieser Saison sehr gut, freut sich Meinhardt. Der „Traumsommer“ im vergangenen Jahr habe bei dem Gemüse für dicke Wurzeln und geschwollene Knospen gesorgt, es habe „richtig viele Nährstoffe eingelagert“.

Eigentlich könnte für die Spargelbauern und -bäuerinnen alles in bester Ordnung sein: Die sehr hohen Düngerpreise des vergangenen Jahres haben sich mittlerweile halbiert, der Diesel für die Traktoren kostet auch weniger, der Strom für die Kühlung der Ware ist zwar teurer, wiegt aber nicht so schwer, weil viele Spargelbauern eigene Solaranlagen für die Stromproduktion nachgerüstet haben. Es gibt genügend Saisonarbeiterinnen und -arbeiter, die nun per Bus einreisen können und nicht mehr teuer für 30 000 oder 40 000 Euro eingeflogen werden müssen.

Und trotzdem sind die Zeiten nicht rosig: „Der Mindestlohn tut weh“, sagt Meinhardt, und macht eine Rechnung auf: Die Spargelernte auf einem Hektar Fläche dauere etwa 1500 Arbeitsstunden. Da der Mindestlohn im Vergleich zum Frühjahr 2022 um gut zwei Euro gestiegen sei, ergäben sich jetzt Mehrkosten von 3000 Euro pro Hektar. Die kleinen Betriebe im Arbeitskreis haben rund 30 Hektar Anbaufläche, die großen rund 100 Hektar.

Bodo Mönich vom gleichnamigen Spargelhof in Griesheim sagt, der Arbeitskreis Spargel Südhessen sei im Vorjahr um drei Mitglieder geschrumpft. „Die drei Betriebe haben aufgehört, weil der finanzielle Erfolg ausblieb“, sagt er. „Vor ein paar Jahren waren wir noch über 20 im Arbeitskreis, jetzt sind wir 13.“ Und er erzählt von einem Spargelbauer in seinem Heimatort, der im Vorjahr schon sehr wenig verdient habe und nun den um zwei Euro gestiegenen Mindestlohn nicht mehr stemmen könne.

Wer in diesen Tagen in den Kreisen Darmstadt-Dieburg und Groß-Gerau unterwegs ist, kann es angesichts schier endlos weißer Folienfelder kaum glauben, was Landwirtschaftsministerin Priska Hinz (Grüne) am Mittwoch bei der offiziellen Eröffnung der hessischen Spargelsaison in Weiterstadt berichtete: Der Spargelanbau verzeichne einen deutlichen Rückgang. Nach Jahren stetigen Wachstums sei eine Überproduktion erreicht worden. Der Ukraine-Krieg habe die Verbraucher und Verbraucherinnen im Vorjahr verunsichert; sie reagierten mit Kaufzurückhaltung.

Die Gegenreaktion der hessischen Spargelbauern und -bäuerinnen: Sie haben ihre Anbauflächen angepasst, haben Altanlagen aufgegeben und weniger ertragreiche Spargeldämme stillgelegt. „Jeder Betrieb bewirtschaftet dieses Jahr rund zehn Prozent weniger Fläche“, sagt Mönich. Auf den aufgegebenen Äckern würde dann eben anderes Gemüse oder Getreide angebaut.

Große Spargelmengen gehen an die Großabnehmer Rewe, Lidl, Aldi und Edeka. Der Großhandelspreis für Spargel liegt laut Meinhardt aktuell bei sechs bis sieben Euro pro Kilo. „Wir bräuchten diesen Preis über die ganze Saison“, sagt er. Aber der Handel übe einen immer schärfer werdenden Preisdruck auf die Produzenten aus, und irgendwann werde der Spargel dann für 1,50 Euro „verramscht“. „Wenn wir Spargelbauern nur 50 Cent pro Kilo verdienen, kommen wir finanziell nicht mehr rum“, sagt Philipp Mager. „Würden wir nur an den Großhandel verkaufen, würden wir keinen Gewinn mehr machen.“

Die Eigenvermarktung ist deshalb für die Erzeuger der beste Vertriebsweg. Doch in diesem Jahr gibt auch weniger Spargelbüdchen. „Zu wenig Personal und deshalb zehn Prozent weniger Stände“, sagt Mager. Die Stände an nicht lukrativen Standorten, die „eh schon an der Rentabilitätsgrenze waren“, fallen weg.

Das Meer aus Plastik auf den Anbauflächen vermittelt nicht unbedingt das Bild geringerer Mengen. Immer mehr Spargel wird für eine frühere Ernte unter Thermofolie angebaut, nur noch die wenigsten Erzeuger setzen auf Freiland-Spargel und damit auf die traditionelle Spargelzeit. Und auch der Öko-Anbau geht zurück: Laut Ministerin Hinz haben 2021 acht Betriebe Spargel auf ökologisch bewirtschafteten Flächen geerntet, im Vorjahr waren es nur noch fünf Betriebe.

Immerhin wird die ausgediente schwarz-weiße Tunnelfolie und die durchsichtige Minitunnelfolie nach sieben- bis achtjähriger Nutzung dem Recycling zugeführt, da sie aus sortenreinem Polyethylen besteht. Der Arbeitskreis habe für 200 000 Euro eine Maschine gekauft, die die Folie entsandet, damit man sie recyceln könne, sagt Rolf Meinhardt. Sie wird gesammelt, auf Lastwagen verladen und nach Norddeutschland zu einer zentralen Recyclinganlage gefahren, wo sie geschreddert und zu Pellets granuliert wird. „Mit dem Granulat kann neue Folie hergestellt werden“, erklärt Meinhardt.

Der heimische Spargel muss mit dem Spargel aus wärmeren Ländern in Südeuropa oder Lateinamerika konkurrieren. Deshalb wird er jetzt offensiver beworben: mit Plakataktionen, mit einem bundesweiten Tag des deutschen Spargels am 5. Mai sowie in den sozialen Medien, wo auch das Lied zu sehen und zu hören ist, das ein Chor der Spargelbauern medienwirksam zur Saisoneröffnung intoniert hat.

So soll der Spargel aussehen.
So soll der Spargel aussehen. © Renate Hoyer
Die fertige Ernte.
Die fertige Ernte. © Renate Hoyer

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