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Exklusiv: Polizist und Polizistin in Frankfurt sind seit Jahren vom Dienst freigestellt – bei vollen Bezügen

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Von: Pitt von Bebenburg

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Aufgrund eines Verfahrens wegen rechter Chats sind eine Polizistin und ein Polizist in Frankfurt seit viereinhalb Jahren von Dienst freigestellt. Die Disziplinarverfahren laufen noch immer. © via www.imago-images.de

Aufgrund eines Verfahrens wegen rechter Chats sind eine Polizistin und ein Polizist in Frankfurt seit viereinhalb Jahren von Dienst freigestellt. Die Disziplinarverfahren laufen noch immer.

Frankfurt - Ein Polizist und eine Polizistin vom 1. Revier in Frankfurt sind bereits seit viereinhalb Jahren von ihren Aufgaben entbunden, weil noch immer nicht geklärt ist, ob sie unrechtmäßig die Daten der Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz von einem Dienstcomputer abgefragt haben. Ihre Bezüge bekommen die beiden allerdings weiterhin. Das Dienstrecht sehe das so vor, teilte das hessische Innenministerium jetzt auf Anfrage der Frankfurter Rundschau mit.

Der Polizist und die Polizistin gehören auch zu den fünf Polizeibeamt:innen, die in einer Chatgruppe rassistische und nationalsozialistische Nachrichten austauschten. Das Landgericht hatte es abgelehnt, einen Prozess gegen sie zu eröffnen, dagegen hat die Staatsanwaltschaft Rechtsmittel eingelegt. Gegen drei von ihnen wurde eine vorläufige Dienstenthebung ausgesprochen. Bei zwei davon wurden nach Auskunft des Innenministeriums die Bezüge um 40 und 50 Prozent gekürzt. Beim dritten Beamten sei dies aufgrund „der persönlichen wirtschaftlichen Verhältnisse des Beamten“ derzeit nicht möglich.

Rassistische und rechtsextreme Chats bei Polizei in Frankfurt

Am 2. August 2018 war sechs Minuten lang von dem Dienstrechner im 1. Revier auf der Zeil nach Basay-Yildiz und ihrer Familie geforscht worden. Wenige Stunden später erhielt die Anwältin das erste Drohschreiben einer Serie, die mit „NSU 2.0“ unterschrieben war, in Anspielung auf die rechtsextreme Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU).

Eingeloggt war zum Zeitpunkt der Abfrage die Polizeibeamtin Miriam D., doch ihr Passwort war auf der Wache allgemein zugänglich. Bei den Ermittlungen zu dem Fall stellte sich heraus, dass D. an der Chatgruppe „Itiotentreff“ teilnahm, in der teilweise rassistische und rechtsextreme Inhalte ausgetauscht wurden. Dieser Chatgruppe gehörte auch ihr Kollege Johannes S. an.

Gegen beide wurde nach Auskunft des Innenministeriums am 26. Oktober 2018 „ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte“ ausgesprochen. „Beide Beamte befinden sich seitdem nicht im aktiven Dienst“, sagte ein Sprecher von Innenminister Peter Beuth (CDU). Die Disziplinarverfahren gegen D. und S. seien „bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens in gleicher Sache ausgesetzt“. Bei der Frankfurter Staatsanwaltschaft ist ein Ermittlungsverfahren gegen die Polizistin und den Polizisten wegen der „NSU 2.0“-Drohungen anhängig. Es dürfte erst vorankommen, wenn auch das Urteil gegen den arbeitslosen Berliner Alexander Mensch rechtskräftig ist.

Fünf Jahren und zehn Monaten Haft wegen „NSU 2.0“-Drohschreiben

Der heute 55-Jährige war im November 2022 wegen zahlreicher „NSU 2.0“-Drohschreiben an Politiker:innen, Journalist:innen und andere Personen des öffentlichen Lebens zu fünf Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt worden. Er ist dagegen in Revision gegangen, über die noch nicht entschieden wurde.

Das Landgericht Frankfurt hält Mensch auch für den Absender des ersten Drohschreibens vom 2. August 2018. Die Nebenklägerin Basay-Yildiz und ihre Anwältin Antonia von der Behrens sind dagegen überzeugt, dass der Polizist Johannes S. dieses Drohfax versandt hat. Er hatte vor der Tat nach Basay-Yildiz und einem ihrer Mandanten gegoogelt.

Für den Zeitpunkt, an dem das Fax versandt wurde, war S. laut einem Einsatzprotokoll unterwegs – doch die Beweisaufnahme ergab, dass dieser Einsatz in Wirklichkeit erst später stattfand, also nicht als Alibi dienen konnte.

Im schriftlichen Urteil des Landgerichts, das der FR vorliegt, heißt es, „es konnte nicht geklärt werden, ob die Zeugin D. oder ein anderer Angehöriger der 3. Dienstgruppe, die zum Abfragezeitpunkt ihren Dienst versahen, die Abfrage vornahm. Zudem blieb offen, ob die Abfrage auf eigene Veranlassung eines diensthabenden Polizeibeamten oder etwa einer telefonischen Anfrage erfolgte. Ebenso wenig konnte ermittelt werden, was im Nachgang mit den Daten der Nebenklägerin Basay-Yildiz geschah und ob diese aufgrund Datenabfrage am 2. 8. 2018 und wenn ja, auf welchem Wege in die Verfügungsgewalt des Angeklagten gerieten“.

Polizei-Skandal in Frankfurt: Daten der Linken-Politikerin Janine Wissler abgefragt

Die Kammer räumte ein, es sei anzunehmen, „dass der Zeuge S. räumlich und zeitlich in der Lage gewesen wäre, die Datenabfrage zu tätigen und das erste Fax zu versenden“. Die Indizien rechtfertigten eine entsprechende Feststellung aber nicht.

Ungeklärt blieb vor Gericht auch, wer auf Wiesbadener Polizeirevieren illegale Abfragen von Daten der Linken-Politikerin Janine Wissler und der Kabarettistin Idil Baydar vorgenommen hatte, die ebenfalls danach vom „NSU 2.0“ bedroht wurden. Man habe nicht herausfinden können, „ob der Angeklagte deren personenbezogene Daten aus Datenabfragen bei Polizeirevieren erhielt, auch wenn dies unter anderem wegen der zeitlichen Nähe nahe liegt“, heißt es in dem Urteil.

Auf dem 3. Revier in Wiesbaden waren die Daten Wisslers am 10. Februar 2020 abgefragt worden, nach Angaben des Gerichts „unter der Kennung des Polizeibeamten Kevin M.“. Baydars Daten waren am 4. März 2019 zunächst bei der Polizei in Berlin und dann auf dem 4. Polizeirevier in Wiesbaden recherchiert worden.

Auch gegen Kevin M. war ein Disziplinarverfahren geführt worden. Es sei abgeschlossen, aber nähere Informationen könnten aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht gegeben werden, teilte das Innenministerium mit. Jedenfalls sei M. nicht wie seinen Frankfurter Kolleg:innen verboten worden, seine Dienstgeschäfte zu führen. Nach Auskunft der Staatsanwaltschaften in Frankfurt und Wiesbaden läuft auch kein Ermittlungsverfahren gegen M. (Pitt von Bebenburg)

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