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Sex-Mob in Frankfurt erfunden

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Von: Stefan Behr

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Auf der Freßgass’ muss zu Silvester einiges vorgefallen sein. Einen Sex-Mob allerdings hat es wohl nicht gegeben.
Auf der Freßgass’ muss zu Silvester einiges vorgefallen sein. Einen Sex-Mob allerdings hat es wohl nicht gegeben. © Andreas Arnold

Ein Szenegastronom aus Frankfurt muss sich wegen eines fiktiven Sex-Mobs auf der Freßgass in Frankfurt verantworten. Wann der Prozess beginnt, steht derzeit noch nicht fest.

Die Frankfurter Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen den 49 Jahre alten Gastronomen Jan M. und die 29 Jahre alte Irina A. erhoben. Den beiden wird die Vortäuschung einer Straftat vorgeworfen: Sie sollen verantwortlich sein für einen Sex-Mob, der in der Silvesternacht 2016 angeblich auf der Freßgass, in Wahrheit aber lediglich durch die Medien tobte.

Anfang Februar 2017 hatte die „Bild“-Zeitung mit einem Artikel nicht nur lokal für Aufsehen gesorgt: „37 Tage nach Silvester brechen Opfer ihr Schweigen – Sex-Mob in der Freßgass“ titelte das Blatt. Kronzeugen der Geschichte waren der Gastronom Jan M., der behauptete, eine Horde besoffener Syrer – „die haben nicht mal Deutsch verstanden“ – habe sein Lokal in der Innenstadt überrannt und Gäste, vor allem weibliche, belästigt. Eine davon, Irina M., lieferte dem „Bild“-Reporter pikante Details: Überall sei sie angegrabscht worden, „ich kann froh sein, dass ich eine Strumpfhose anhatte“. Die unappetitlichen Behauptungen wiederholte sie kurz darauf nochmal im Sat1-Frühstücksfernsehen. 

Zwei Wochen später berichtet „Bild“ erneut, diesmal wesentlich verhaltener. „Mit Bedauern muss die Redaktion feststellen, dass die wiedergegebenen Aussagen und Anschuldigungen der vermeintlichen Opfer in keiner Weise von der Polizei bestätigt werden und gänzlich haltlos sind.“ 

So kann man es auch formulieren. Immerhin hatten die Ermittlungen der Polizei ergeben, dass Irina M. vielleicht tatsächlich von Männern mit gebrochenen Deutschkenntnissen belästigt worden sein könnte – allerdings in Belgrad, wo sie sich in der angeblichen Tatnacht aufhielt. Weder die Polizei, die wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung gegen Unbekannt ermittelte, noch die Journalisten anderer Medien, die nach dem „Bild“-Artikel in der Freßgass recherchiert hatten, konnten die geringsten Anzeichen eines Sex-Mobs feststellen.

Motiv für erfundenen Sex-Mob nach wie vor unklar

Unklar ist nach wie vor, was Jan M. damals geritten hatte, diese Story zu erfinden. Ausländerhass könnte ein Motiv sein – auch wenn Jan M. kurz nach seiner Falschaussage der „Frankfurter Neuen Presse“ erzählte, er habe nichts gegen Ausländer, einige seiner besten Angestellten seien Ausländer. Er wolle aber, „dass die ganzen Sozialromantiker endlich mal wahrnehmen, dass es so nicht weitergeht“. Derselbe M. hatte allerdings im September 2016 auf seiner Facebookseite das starke Abschneiden der AfD mit einem erfreuten „Weiter so!“ gelikt. 

In der Szene gilt Jan M. durchaus als ein Mann von Halbwelt, ihm werden gute Kontakte zu den Hells Angels nachgesagt. M. war auch Betreiber des Katana-Clubs, der 2014 durch eine Schießerei unter zwei rivalisierenden Rocker-Gruppierungen auch außerhalb der Club-Szene bekannt wurde und kurz darauf dichtmachte. Der umtriebige Gastronom, der unter anderem auch im „Garibaldi“ in der Kleinen Hochstraße und im „Gibson Club“ auf der Zeil mitmischt, soll vor seiner Zeit als Gastwirt auch als Manager bei einer Unternehmensberatung sowie als Investmentbanker für eine Privatbank gearbeitet haben. 

Wann der Prozess gegen Jan M. und seine mutmaßliche Komplizin beginnt, steht derzeit noch nicht fest. Nach Angaben von Nadja Niesen, Sprecherin der Frankfurter Staatsanwaltschaft, hat sich M. bislang  nicht zu den Vorwürfen geäußert.

M.s völlig aus der Luft gegriffene Anschuldigungen hatten damals zumindest bei den üblichen Verdächtigen der Kommunalpolitik ein Strohfeuer entfacht: Sicherheitsdezernent Markus Frank (CDU) könne „sein Sicherheitskonzept unmöglich weiterhin als Erfolg verkaufen“, wetterte der Vorsitzende der AfD-Fraktion im Römer, Rainer Rahn, flankiert vom aktuellen unabhängigen OB-Kandidaten Volker Stein (FDP), der das ähnlich sah. [...]

Korrektur

In einer vorherigen Version dieses Beitrags hatten wir fälschlicherweise behauptet, Herr Rainer Rahn habe nach Enttarnung der Fake-News geschwiegen. Diese Aussage ist unzutreffend. Tatsächlich hat sich Herr Rahn von seiner ursprünglichen Einschätzung nach Enttarnung der Fake-News distanziert, die AfD bezeichnete die Aussage als vorschnell.

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