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„Im Schnitt töten Katzen 700 Tiere pro Jahr“

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Von: Regine Seipel

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Eine Katze auf Mäuse-Jagd.
Eine Katze auf Mäuse-Jagd. © dpa

Der Geschäftsführer des Landesjagdverbandes, Alexander Michel, spricht im FR-Interview über gefährliche Miezen, Halsglöckchen und die Verantwortung der Halter.

In Nordrhein-Westfalen erlegen Jäger 11.000 Katzen pro Jahr. Wie viele schießen die hessischen Jäger?
434 wildernde Katzen waren es in Hessen im vergangenen Jagdjahr. Das geht aus der Streckenliste des Umweltministeriums hervor.

Was haben die Jäger gegen Katzen?
Überhaupt nichts, wenn die Katzenfreunde ihrer Verantwortung gerecht werden und ihre Miezen so halten, dass diese nicht zur permanenten Gefahr für freilebende Tiere werden. Laut einer Studie des Bundesumweltministeriums von 2002 gehören Katzen aber zu den wichtigsten schadensverursachenden Tieren, die ihre Verbreitung den Menschen zu verdanken haben. Die Untersuchung stellte schon damals fest, dass die freilaufende Hauskatze die größte Bedrohung der Singvögel in der Nähe von Siedlungen ist. Anderen Untersuchungen zufolge töten Katzen durchschnittlich pro Tag zwei Vögel oder Säuger, also jährlich über 700 Tiere.

Wie viele Katzen leben in Deutschland?
Nach Schätzung des Deutschen Tierschutzbundes gibt es bundesweit etwa zwei Millionen herrenlose Katzen, in Hessen dürften es rund 200 000 sein. Insgesamt leben in Deutschland etwa acht Millionen Hauskatzen plus zwei Millionen Streuner.

Die sind ja das größte Problem. Wann ist der Abschuss eines Haustieres erlaubt?
Ich möchte klarstellen, dass es hier um wildernde und in der Regel auch verwilderte Katzen geht, nicht um Schmusetiere. Das Tötungsrecht greift dann, wenn diese in einer Entfernung von mehr als 500 Meter von der nächsten Ansiedlung jagend angetroffen werden. Vom 1. März bis 31. August, in dem Jungtiere am meisten gefährdet sind, gilt nur eine Entfernung von mehr als 300 Metern. Der Abschuss muss das letzte Mittel zum Schutz der freilebenden Tiere sein.

Für welche Tierarten sind freilaufende Katzen gefährlich?
Das Beutespektrum reicht von Singvögeln über Bodenbrüter wie das Rebhuhn bis zu Junghasen und Eichhörnchen. In einem Katzenrevier stehen Vögel permanent unter Stress, sie vernachlässigen die Fütterung der Jungen. Laut einer Studie der britischen Universität Sheffield, die im vergangenen Sommer veröffentlicht wurde, sinkt im Extremfall der Vogelbestand um bis zu 95 Prozent. Deshalb wird die Hauskatze auch auf der Liste der weltweit 100 gefährlichsten invasiven Arten geführt.

Sind Arten durch Katzen vom Aussterben bedroht?
Das hängt vor allem von der Zahl der jagenden Katzen und ihrer Beutetiere ab. Alle Katzen jagen – egal wie gut sie gefüttert werden. Amerikanische Forscher haben vergangenes Jahr belegt, dass Katzen am Aussterben von 22 Tierarten beteiligt sind. Ein Biologe hat im Umfeld von Kiel die Beute von 54 Hauskatzen untersucht. Fast die Hälfte der erlegten Vögel gehörte zu bedrohten Arten. Manche Wissenschaftler, machen verwilderte Katzen für mindestens 14 Prozent der weltweit ausgestorbenen Vögel, Säugetiere und Reptilien verantwortlich. Nach diesen Forschungen sind weitere acht Prozent hauptsächlich durch Katzen kurz vor dem Aussterben.

Also sehen Sie eine ernste Gefahr für die Biodiversität?
Ja, das hat noch einen anderen Grund. Verwilderte Hauskatzen paaren sich mit unserer heimischen Wildkatzen und können so dafür sorgen, dass diese Art endgültig ausgelöscht wird.

Vogelschützer fordern daher Stubenarrest für Hauskatzen. Unterstützen Jäger den Vorschlag, Katzen einzusperren?
Das ist sicher genau so wenig artgerecht wie das längere Einsperren von Hunden in Stadtwohnungen, entspricht aber leider dem von Pseudo-Tierfreunden geprägten Zeitgeist.

Sind Halsglöckchen hilfreich, die Beutetiere warnen?
Auf alle Fälle sind sie eine mehr oder minder wirksame Sofortmaßnahme. Der Stress, dem etwa Singvögel durch jagende Katzen ausgesetzt sind, sinkt dadurch jedoch keineswegs.

Der Katzenbestand ist schwer zu erfassen. Was halten Sie von einer Katzensteuer?
Nichts. Es geht nicht darum, Katzenfreunde abzukassieren. Sie sollen vielmehr ihre Verantwortung wahrnehmen, die sie als Tierfreunde auch gegenüber freilebenden Tieren haben.

Was können die Katzenbesitzer tun, um den Konflikt zu entschärfen?
Freilaufende Hauskatzen müssen grundsätzlich kastriert und per Chip gekennzeichnet werden. Außerdem muss endlich mit der Wegwerfmentalität von Tierhaltern Schluss sein: Man kann nicht zu Weihnachten den Kindern Katzen und Hunde schenken und diese dann vor dem Urlaub am nächsten Rasthaus aussetzen. Das Kernproblem bildet die erschreckende Verantwortungslosigkeit von selbst ernannten Tierfreunden.

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