Schattenseiten des Sonnenstroms

Ertrag aus Solaranlagen auf Feldern beträchtlich / Module haben aber auch Mankos
hochtaunus - Die Nachfrage nach Strom ist groß, doch der ist nicht nur knapp, sondern auch teuer. Bei der großen Menge an benötigter elektrischer Energie muss diese auch irgendwo herkommen dürfen, auch sichtbar - meint Dr. Klaus Erdle, Leiter des Amtes für den ländlichen Raum. Im Haupt- Finanz- und Digitalisierungsausschuss erläuterte Erdle mit Blick auf die Agri-Photovoltaik diverse Möglichkeiten, Sonnenstrom einzufangen, auch im Hochtaunuskreis.
Er tat dies aus der Sicht der Landwirtschaft, für die das Amt unter anderem auch zuständig ist. Landwirtschaftliche Flächen werden bereits für die Stromerzeugung genutzt, zwar noch nicht im Hochtaunus, aber im Landkreis Limburg-Weilburg, Dennoch entzauberte Erdle das Prinzip „Sonnenstromernte“ als zusätzliches Standbein für Bauern, jedenfalls teilweise.
Freiflächen-PV-Anlagen produzierten zwar viel Strom, darunter wachse aber nichts mehr, die Flächen seien für die Landwirtschaft verloren, selbst wenn sie irgendwann abgebaut werden, fände sich darunter Dauergrünland, das kaum mehr landwirtschaftlich genutzt werden dürfe.
Etwas anders sehe es bei der Agri-Photovoltaik aus, bei der Sonderkulturen überdacht und gekoppelte Nutzung möglich werde. Die zwischen den Modulen liegenden, ackerbaren Streifen erforderten von den Landwirten aber hohe Investitionen in Geräte. Grundsätzlich, so Erdle, sollte es gut überlegt sein, landwirtschaftliche Flächen, auch nur teilweise, mit PV zu überdachen.
Doppelte Nutzung bleibt möglich
Auch, weil wertvolles Ackerland dann fehle: Für die Versorgung einer Person mit pflanzlichen Nahrungsmitteln seien 1300 Quadratmeter Fläche nötig, rechnet Erdle vor. Hessen komme nur auf 756, der Regierungsbezirk Darmstadt gar nur auf 377. „Die Fläche ist knapp“, sagte Erdle. Bevor man knappes Ackerland für die Stromversorgung umwidme, solle man lieber das Potenzial auf Hausdächern ausnutzen. Im Hochtaunus werde es nur zu 5 bis 10 Prozent ausgeschöpft. Dabei seien 89 Prozent aller Mehrfamilienhäuser PV-tauglich.
FORDERUNG NACH ENERGIEMIX
Die Nutzung von Dächern müsse Priorität haben, findet FDP-Sprecher Dr. Stefan Naas im Hinblick auf PV-Anlagen im Agrarbereich und ergänzt: „Schön“ gehe anders. Naas befürchtet nämlich , ähnlich wie bei der Windkraft, Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes durch Agri-Photovoltaik, aber auch Recyclingprobleme. Hessen, so Naas, werde wohl auf Dauer Energieimportland bleiben, vielleicht lasse sich Agri-Photovoltaik aber auch in anderen Ländern besser nutzen als ausgerechnet im Ballungsraum.
Das Recycling von PV-Modulen am Ende ihres Lebenszyklus von 25 bis 30 Jahren sei dagegen kein Problem. Die Technik sei da schon sehr weit und die Module bestünden größtenteils auch nur aus Glas und Silizium. So viele Dächer auch noch ungenutzt seien mögen, selbst wenn sie alle mit PV-Anlagen bestückt würden, werde das den Strombedarf kaum decken können, erklärte Erdle, räumt der Erzeugung von Sonnenstrom ohne Verbrauch landwirtschaftlicher Flächen jedoch oberste Priorität ein. Carsten Filges (Grüne) sagte, ohne Energiemix mit Windkraft mit dem geringsten Flächenverbrauch bei hoher Stromausbeute, gehe es ohnehin nicht.
Agri-Photovoltaik hält er auch im Hochtaunus für möglich, sieht aber auch großes Potenzial auf den Dächern, das es zu nutzen gelte, auch durch den Kreis selbst mit seinen zum großen Teil PV-geeigneten Dächern. as
Die Erträge aus der Photovoltaik seien zwar beachtlich, auf 10 000 Quadratmetern lasse sich Strom für 180 Vierpersonenhaushalte erzeugen. Biogas aus nachwachsenden Rohstoffen gebe es im Umkreis nicht, aber Getreide für 150 000 Brötchen oder 1100 Liter Rapsöl pro Hektar. Vor dem Hintergrund rasant steigender Brotpreise müsse man sich fragen, „ob wir es uns leisten können, beste Ackerböden umzunutzen“.
Allein auf fünf Hektar potenzieller PV-Fläche, für die auch noch Ausgleichsflächen nachgewiesen werden müssen, ließen sich 795 000 Brötchen oder 5830 Liter Rapsöl generieren. So ertragreich und technisch machbar Agri-PV-Module auch seien, der Weisheit letzter Schluss sei das aus Sicht der Landwirte aber nicht, da die dazwischen betriebene konventionelle Nutzung Einschränkungen unterliege.
Mais werde bis zu vier Meter hoch, was, abgesehen von der Verschmutzung der Module durch Blütenstaub, für Verschattung sorge. Selbst Raps nehme den Modulen im unteren Bereich Licht weg. Vermutlich, so Erdle, werde sich dafür kaum ein PV-Investor finden. Ein weiteres Problem, auf das Erdle hinwies: Fünf Hektar am Stück gehörten selten dem, der sie beackere. Investoren hätten es oft mit Dutzenden Kleinstflächenverpächtern zu tun.
Photovoltaik auf Dauergrünland sei technisch ebenfalls machbar, erfordere kaum Zusatzinvestitionen in Geräte, erlaube durch Mahd und Beweidung auch Doppelnutzung, stehe nicht in Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion, sei aber EU-rechtlich noch nicht erlaubt.
Erdle sprach sich dafür aus, Strom so nahe am Verbraucher und bei geringstnötigem Flächenverbrauch zu produzieren. Gerade der Hochtaunuskreis am Rande der Metropole Frankfurt biete gute Möglichkeiten durch bauwerksintegrierte PV-Anlagen, etwa an Fassaden, aber auch an und über Verkehrsflächen.
Photovoltaik-Module ließen sich ohne großen Aufwand an Lärmschutzwänden montieren, aber auch als lärmmindernde Überdachungen von in Trögen liegenden Autobahnen.