Rödermark: Ein Anker für Geflüchtete

In Rödermark wird das Netzwerk für Flüchtlinge 30 Jahre alt. Es gab viele Erfolge – aber noch ist nicht alles gut.
Hunderte Flüchtlinge und Migranten verdanken diesem Verein kurzfristige Hilfe, aber auch langfristige Perspektive in Deutschland: Das Netzwerk für Flüchtlinge Rödermark e.V. ist nun 30 Jahre alt. Ein Fest der Freundschaft und des Lebens soll am Freitag in der Kulturhalle gefeiert werden, um diesen „kleinen, aber wichtigen Beitrag“, wie der Verein selbst schreibt, zu würdigen.
Netzwerk für Flüchtlinge hinterfragte Jubiläumsfeierlichkeiten selbst
„Wir haben uns gefragt, ob wir überhaupt einen Grund zum Feiern haben“, sagt die Vereinsvorsitzende Brigitte Speidel-Frey, und beantwortet diese Frage im gleichen Atemzug mit einem klaren Ja. „Wir sorgen dafür, dass sich die Geflüchteten bei uns wohl fühlen können.“ Sie weiß, dass das Netzwerk noch lange gebraucht werden wird. Nach den jüngsten Ereignissen in Afghanistan und anderen Teilen der Welt seien sogar mehr Menschen auf der Flucht als im Vorjahr, als es laut UNHCR 82,4 Millionen waren.
Der Verein
Der Balkankrieg, der 1991 begann, war die Initialzündung für die Gründung der „Flüchtlingshilfe Rödermark“, die sich 2004 in „Netzwerk für Integration“ und 2014 in „Netzwerk für Flüchtlinge“ umbenannte.
Im Jahr 2014 gründete sich als zweites Standbein der „Freundeskreis Flüchtlinge“ mit aktuell 70 Ehrenamtlichen, die Asylsuchenden helfen, aber nicht Vereinsmitglied werden wollen.
500 Geflüchtete werden aktuell in der Stadt unterstützt, die meisten aus Afghanistan (177), gefolgt von Iran (79), Pakistan (56), Eritrea (48), Somalia (35) und Syrien (33). ann
Corona hat es dem Netzwerk schwer gemacht, Flüchtlinge zu integrieren und zu unterstützen. Beispiele für gelungene Integration gibt es trotzdem. Etwa eines von Speidel-Freys Patenkindern, das mittlerweile mit einer Deutschen verheiratet ist und in Oberursel eine Arbeit gefunden hat. Oder die Iranerin, die in ihrer Heimat Mathelehrerin war und jetzt Kindern Mathenachhilfe gibt. Oder die junge Pakistanerin mit einem zweijährigen Kind, die jetzt endlich ihren Hauptschulabschluss nachmacht – mit sprachlichem Schwerpunkt Pflege.
Junge Leute machen Netzwerk für Flüchtlinge in sozialen Medien bekannt
Einfach haben es die Geflüchteten trotzdem nicht. Speidel-Frey erzählt von einem Afghanen, der jetzt noch zusätzlich jobbt, damit er seine sechsköpfige Familie in der Heimat unterstützen kann. Oder von den jungen Menschen, die, statt eine Ausbildung zu beginnen, sich als ungelernte Lagerarbeiter verdingen, weil das Lehrlingsgehalt nicht ausreichen würde, um den Schlepper zu bezahlen oder Geld nach Hause zu schicken. Oder von dem jungen Mann, der eine Ausbildung im Viersternehotel in Rödermark machte und die Praxis mit Bravour bestand, aber die theoretische Prüfung in zwei Fächern nicht schaffte.
Es stimmt die Vorsitzende zuversichtlich, dass junge Leute dazugewonnen werden konnten. „Wir sind dadurch in den sozialen Medien aktiv“, sagt sie – und freut sich, dass „wir dort bisher nur einmal einen blöden Beitrag bekommen haben“.
Zehn verschiedene Arbeitsgruppen sind gegründet, 100 Patenschaften gestiftet worden. Künftige Aktionen sind auch schon avisiert: Sprecherräte in den großen Gemeinschaftsunterkünften einführen, den dortigen Grundschulkindern Nachhilfe in Mathematik und Deutsch geben.