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Rhein-Main: Großrazzia im Baugewerbe wegen Schwarzarbeit

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Von: Oliver Teutsch

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700 Kräfte durchkämmen Objekte im Rhein-Main-Gebiet / 13,7 Millionen Euro hinterzogen

Mit rund 700 Einsatzkräften haben Zoll und Polizei am Mittwoch ein illegales Netzwerk im Baugewerbe zerschlagen. Der Schwerpunkt der Aktion lag im Rhein-Main-Gebiet. Durchsucht wurden 56 Wohnungen und Geschäftsräume in Frankfurt, den Landkreisen Offenbach und Main-Kinzig sowie in fünf benachbarten Bundesländern.

Als Hauptbeschuldigter gilt laut Angaben des Hauptzollamts Frankfurt ein 54-Jähriger, der am Mittwoch gemeinsam mit zwei weiteren Beschuldigten festgenommen wurde. Die Ermittlungen richten sich gegen insgesamt 21 Personen, darunter 18 Männer und drei Frauen im Alter von 23 bis 74 Jahren.

Gegen den Kern dieser Gruppierung besteht der Verdacht des bandenmäßigen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen, der Steuerhinterziehung sowie des Betruges zum Nachteil der Sozialkasse im Baugewerbe. Der Zoll geht derzeit von einem Gesamtschaden von rund 13,7 Millionen Euro aus. Gegen einen der Beschuldigten besteht zudem der Verdacht, an der Beschaffung gefälschter Impfpässe mitgewirkt zu haben.

Nach den bisherigen Ermittlungen betrieb der Hauptbeschuldigte ein größeres Bauunternehmen in Frankfurt, mit dem er in einem Zeitraum von sieben Jahren in der Baubranche deutschlandweit Leistungen erbrachte und Umsätze in Höhe von über 76 Millionen Euro erwirtschaftete. In beträchtlichem Umfang wurden hierbei die Löhne schwarz ausgezahlt.

Zur Generierung der Gelder, die zur Zahlung der Schwarzlöhne benötigt wurden, bedienten sich die Beschuldigten sogenannter Abdeckrechnungen von externen und mehreren, vom Kern der Gruppe eigens installierten und gesteuerten Scheinfirmen, deren Scheinrechnungen als angebliche Subunternehmerleistungen verbucht wurden. Die auf die Konten dieser Schein-Subunternehmen überwiesenen Beiträge wurden bar an die Täter zurückgeführt und dienten den Schwarzgeldzahlungen.

Im Rahmen des Einsatzes wurden mehrere Zufallsfunde sichergestellt. Darunter waren scharfe Munition, Waffenteile, eine Schreckschusswaffe, ein Paar Würgehölzer (Nunchakus), zwei Teleskopschlagstöcke, Elfenbein, kleine Mengen Marihuana, ein gefälschter Impfausweis sowie bewegliche Vermögenswerte in sechsstelliger Höhe, darunter Schmuck, Besteck und Bargeld.

Schon zuvor ergingen sogenannte Vermögensarreste in die Vermögen der Beschuldigten und deren Firmen über insgesamt rund 13,7 Millionen Euro, die im Zuge der Maßnahme durch Pfändungen und Sicherstellungen so weit als möglich vollstreckt werden sollen.

Für die monatelangen Ermittlungen, die laut Hauptzollamt „komplex und verdeckt“ erfolgten, war eigens eine besondere Ermittlungsstruktur namens „Zapfenstreich“ installiert worden. Die Namensgebung spielt einer Sprecherin des Zolls zufolge darauf an, dass mit den jahrelangen Betrügereien der Bande Schluss sein sollte.

Neben dem Hauptzollamt Frankfurt waren an der Großrazzia Einsatzkräfte 32 weiterer Hauptzollämter, drei Staatsanwälte, die Steuerfahndung, zwei Spezialeinheiten des Zolls sowie die Landes- und Bundespolizei beteiligt. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Frankfurt und der Finanzkontrolle Schwarzarbeit beim Zoll dauern in dem Komplex weiter an.

Das Baugewerbe ist neben dem Reinigungsgewerbe am anfälligsten für Schwarzarbeit. Da für die Verschleierung oft Firmen eingesetzt werden, die ihr Geld ausschließlich mit der Produktion von Scheinrechnungen verdienen, erhält der Zoll bei der Zerschlagung solcher Firmen oft branchenübergreifende Hinweise.

Die Zahlung von Schwarzgeldern im Baugewerbe ist teilweise dem großen Konkurrenzdruck in der Branche geschuldet, dem vor allem Subunternehmen ausgesetzt sind. So verhängte das Landgericht Frankfurt bei der Aufarbeitung eines ebenso großen Netzwerks im Baugewerbe 2019 milde Haftstrafen mit Verweis auf die prekäre Situation.

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