Rechte Chatgruppe: Anwärter darf kein Polizist werden

Weil er sich an einer rassistischen Chatgruppe beteiligt hatte, stellt das Land Hessen einen Polizeianwärter nicht ein. Jetzt zog der Mann vor Gericht – ohne Erfolg.
Ein hessischer Polizeianwärter, der in einer Chatgruppe mit teils rechtsextremen Inhalten aktiv war, wird nicht in den gehobenen Polizeidienst übernommen. Das Verwaltungsgericht Gießen wies am Mittwoch die Klage des 1987 geborenen Mannes ab, der von September 2016 bis Juli 2019 eine Kommissarausbildung an der Hessischen Polizeiakademie absolviert hatte und das Land Hessen dazu verpflichten wollte, ihn im Anschluss einzustellen.
Wie ein Sprecher des Gerichts mitteilte, hatte die Polizeiakademie es im Oktober 2019 abgelehnt, den Kläger zum Beamten auf Probe zu ernennen, da es „durchgreifende Zweifel an seiner charakterlichen Eignung“ gebe. Hintergrund für die Entscheidung war die Beteiligung des Mannes an einer Chatgruppe unter Polizeianwärtern, in der unter anderem rassistische Bilder geteilt worden waren. Im April 2017 hatte der Kläger in der Gruppe außerhalb seiner Dienstzeit ein Bild geteilt, auf dem ein Mann mit langem Bart im Fadenkreuz einer Schusswaffe zu sehen war. Daneben waren außerdem das Firmenlogo des deutschen Waffenherstellers „Heckler und Koch“ sowie der Schriftzug „Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt“ zu sehen.
Vor Gericht vertrat die Polizeiakademie den Angaben zufolge die Ansicht, das Bild sei rassistisch und könne nicht als geschmackloser Witz abgetan werden. Der abgebildete Mann solle offensichtlich einen Muslim darstellen, das Bild erwecke insgesamt den Eindruck, Muslime zu erschießen sei legitim. Wenn der Kläger verbeamtet würde, könne es zu einem „erheblichen Ansehensverlust“ für die hessische Polizei kommen, weil der Eindruck entstehen könne, die Polizei dulde „eine fremdenfeindliche und menschenverachtende Gesinnung“ in ihren Reihen. Zudem habe der Polizeianwärter schwer gegen seine Treuepflicht verstoßen.
Der Kläger argumentierte dem Gerichtssprecher zufolge in der mündlichen Verhandlung am Mittwoch, er sei lediglich ein „Bauernopfer“. Sein Dienstherr wolle nur weitere Kritik vermeiden. Das von ihm versandte Bild sei nicht rassistisch, er habe vielmehr den Einsatz von Waffen „gegen Menschen der Dritten Welt“ sowie Geschäfte des Waffenherstellers „mit südamerikanischen Diktaturen“ kritisieren wollen. Er sei Polizist geworden, um sich „für hilfsbedürftige Menschen einzusetzen“. Andere Länder, Religionen und Kulturen empfinde er als wertvoll, weshalb er auch viel reise.
Die Richter am Verwaltungsgericht schlossen sich in ihrer Entscheidung der Sichtweise der Polizeiakademie an. Dass er das betreffende Bild ohne Kommentar verschickt und sich zudem über einen längeren Zeitraum ohne erkennbare Distanzierung an der rechten Chatgruppe beteiligt habe, wecke berechtigte Zweifel, ob der Kläger in der Lage sei, „in seinem Dienst unvoreingenommen und ohne Ansehen der Person seine Aufgaben wahrzunehmen“. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, die Beteiligten können Berufung beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel beantragen.
In der hessischen Polizei waren in den letzten Jahren immer wieder Chatgruppen mit rassistischen und rechtsextremen Inhalten bekanntgeworden. Zuletzt waren im Juni sieben einschlägige Gruppen aufgeflogen, in denen vor allem Beamte des Frankfurter Spezialkommandos (SEK), aber auch Angehörige des Landeskriminalamts, der Bereitschaftspolizei, des Landespolizeipräsidiums und der Hessischen Polizeiakademie aktiv waren.
Insgesamt 50 aktive Beamte, 36 davon vom SEK Frankfurt, stehen unter Verdacht, rechtsextreme Nachrichten in diesen Gruppen verbreitet zu haben. Gegen 20 von ihnen wird strafrechtlich ermittelt, zudem laufen mehrere Disziplinarverfahren. Als Reaktion auf den neuen Skandal hatte Innenminister Peter Beuth (CDU) das Frankfurter SEK aufgelöst. Eine nach dem Skandal um die Morddrohungen des „NSU 2.0“ eingesetzte Kommission aus Fachleuten hatte Mitte Juli umfangreiche Reformen und eine neue Fehlerkultur innerhalb der hessischen Polizei angemahnt.