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Raiffeisenbank wird zur reinen Online-Bank

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Novum in der Branche / Kundenbestand hat sich verdoppelt

HOCHTAUNUS - Die Raiffeisenbank Hochtaunus (Raiba) hat sich neu erfunden - und damit bereits im vergangenen Jahr für Furore gesorgt. Das Geldhaus hat fast alle Filialen geschlossen und gibt - mit einer Ausnahme - kein Bargeld mehr aus. Ein Novum in einem Land, dessen Bevölkerung noch immer stark auf Bargeld als Zahlungsmittel setzt, zumindest im Vergleich zu anderen Staaten.

Vorstandsvorsitzender Achim Brunner begründete diesen Schritt damit, dass nur noch der geringste Teil der Kunden tatsächlich Filialleistungen in Anspruch genommen hätte. Insgesamt verfügt die Raiba im Hochtaunuskreis über 5200 aktive Girokonten, wovon lediglich rund 1000 Kunden die Filialen genutzt hätten. Das Geldhaus hat sogar Messungen durchgeführt, die zu dem Ergebnis kamen, dass im Schnitt nur noch zwei Besucher pro Stunde eine Filiale betreten haben. Zugleich schlugen die Unterhaltungskosten jedes Jahr mit einem sechsstelligen Betrag zu Buche, für Miete, Sicherheitsvorkehrungen und Personal.

Für die Bank war die logische Konsequenz, ihre Filialen in Frankfurt-Kalbach, Steinbach, Oberursel und Wehrheim dichtzumachen und nur ihren Hauptsitz in Bad Homburg beizubehalten, in dem mittlerweile vor allem Video-Beratungen stattfinden. „Spätestens seit Corona sind diese am meisten gefragt“, sagt Brunner.

Ein Geldhaus, das fast vollständig auf direkten Bargeldverkehr verzichtet - ein Wagnis. Aber offensichtlich hat die Bank mit ihrem eigensinnigen Kurs Erfolg. Denn das Kreditinstitut ist bei Kunden, die ihre Bankgeschäften online abwickeln wollen, offenbar stark gefragt: Seit dem vergangenen Jahr habe die Bank rund 15 000 Neukunden, davon 19 Prozent aus dem Hochtaunuskreis, gewinnen können, und damit den Kundenbestand (30 000) nahezu verdoppelt. Das seien überwiegend Privatkunden. Für diese dürfte auch verlockend gewesen sein, dass die Raiba - obwohl viele andere Banken Gebühren für Girokonten fordern - noch ein kostenloses Giro-Modell angeboten hat, während Filialkunden monatlich 30 Euro aufbringen mussten.

Dennoch gab es auch Kritik an der Entscheidung, etwa, weil gerade wenig online-affine, ältere Kunden weiterhin ihre Bankgeschäfte nicht im Internet, sondern analog in einer Filiale abwickeln wollen. Nach der Schließung der Filialen hätten 240 Kunden ihre Konten gekündigt.

Neben den Filialen gab die Raiba auch fast alle Geldautomaten im Hochtaunuskreis auf. Diese zu unterhalten sei, so Brunner, ebenfalls nicht rentabel gewesen. Während er alleine die Aufstellung eines Geldautomaten auf etwa 50 000 Euro bezifferte (reine Einzahlautomaten um die 35 000 Euro), müsste eine Bank heutzutage angesichts der zunehmenden Geldautomatensprengungen um ein Vielfaches mehr in Sicherheitstechnik und Versicherungen investieren.

Hinzu komme, dass die Geräte kaum genutzt würden. „Wir mussten bei unseren Auswertungen feststellen, dass leider bei keinem Automaten im Kreis ein positiver Deckungsbetrag zustande gekommen ist.“ Zudem zeige sich auch in Deutschland, dass zunehmend weniger Bargeld gefragt sei. Damit seien Geldautomaten nicht mehr in der bisherigen Dichte notwendig, wenngleich Deutschland im Vergleich zu den skandinavischen Ländern immer noch ein „Bargeldland“ sei. judo/inf

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