Prozess um rassistische Beleidigung und Attacke: „Er hatte Todesangst“
Beim Auftakt im Prozess um eine rassistische Beleidigung und Körperverletzung in Schlüchtern belastet ein 58-Jähriger die Angeklagten. Diese weisen die Vorwürfe zurück.
Er fuhr nach der Arbeit nach Hause, als in der Schlüchterner Innenstadt zwei junge Leute aus einer Fünfergruppe auf die Straße getreten seien, erzählt der 58-Jährige. Er habe gebremst. Der 21-jährige Angeklagte habe ihm kurz darauf den Mittelfinger gezeigt, ihn als N. beleidigt, der raus aus Deutschland müsse, und gedroht: „Ich bring dich um!“
Weil er Angst gehabt habe, dass sie ihm erneut „vors Auto springen“, sei er ganz langsam weitergefahren. Nachdem der 21-Jährige behauptet habe, die Polizei gerufen zu haben, habe er in der Nähe der Metzgerei gewartet, um sich auch äußern zu können. Doch statt der Polizei kamen die Eltern des jungen Mannes. Der Vater habe ihn geschlagen, dann am Hals gepackt und „ganz fest“ zugedrückt, so dass er keine Luft bekommen habe. Er habe Todesangst gehabt und leide weiter unter dem Angriff, nehme Schlaftabletten und wache dennoch nachts oft auf.
Beim Prozessauftakt um einen Vorfall im Mai 2021 in Schlüchtern hat der Geschädigte und Nebenkläger, der in den 1980er Jahren aus Asien nach Deutschland kam, am Mittwoch vor dem Amtsgericht Gelnhausen ausgesagt und die Angeklagten belastet. Er berichtete auch davon, dass kurz nach der Tat die Reifen seines Autos zerstochen wurden.
Die Staatsanwaltschaft wirft einem 44-Jährigen und dessen 21-jährigem Sohn Körperverletzung beziehungsweise rassistische Beleidigung vor. Die Verdächtigen wiesen dies in Erklärungen, die ihre Verteidiger:innen verlasen, zurück: Demnach habe der Sohn seine Freundin wegziehen müssen, weil sie einen Fuß auf der Fahrbahn hatte, als der Anzeigeerstatter vorbeigefahren sei. Dieser habe während der Fahrt ein Handy benutzt, so dass der 21-Jährige eine Handbewegung gemacht habe, die „Pass doch auf!“ bedeutet habe. Daraufhin habe der 58-Jährige ihn beschimpft, ihm Schläge angedroht und sei ihnen nachgefahren, weshalb er Angst bekommen und seinen Vater angerufen habe.
Vorwürfe zurückgewiesen
Vor Ort angekommen, habe der 44-Jährige gefragt, was los sei. Als der Mann ihn ebenfalls beschimpft und bedroht habe, habe er ihn kurz am Oberteil gepackt, aber gleich wieder losgelassen. Sie hätten Freund:innen aus unterschiedlichen Ländern, seien definitiv keine Rassisten und zu Unrecht kriminalisiert worden.
Der Nebenkläger widersprach den Vorwürfen gegen ihn.
Eine couragierte Zeugin, die später an der Metzgerei hinzukam, bestätigte, dass der damals 57-Jährige dort wiederholt als N. beleidigt und bedroht worden sei. Sie habe gesehen, wie der 21-Jährige „mit voller Wucht“ auf die Motorhaube des Opfers geschlagen und sich „sehr aggressiv“ verhalten habe, wie unter Drogen. Die Eltern seien ebenfalls aggressiv aufgetreten. Der Betroffene „war völlig aufgelöst“, habe sich hinter ihr versteckt und gesagt, er sei beleidigt und gewürgt worden. „Er hatte Todesangst, konnte es nicht fassen.“ Sie habe den Heranwachsenden wegdrängen müssen, weil er auf den 57-Jährigen habe losgehen wollen. Um diesen zu schützen, behauptete sie, Polizistin zu sein, was Wirkung gezeigt habe. In ihrer Vernehmung bei der Polizei hatte die Zeugin darüber hinaus angegeben, sinngemäß gehört zu haben: „Verdammter N.! Wenn die Polizei nicht hier wäre …“
Ein Zeuge, der kurz vor ihr vor Ort war, habe keine Handgreiflichkeiten gesehen, aber „Beleidigungen und Bedrohungen“ vernommen und die Behauptung, der Nebenkläger habe die Freundin des 21-Jährigen anfahren wollen. Es „wurden ausländerfeindliche Worte ausgesprochen“, auch das N-Wort. Das Opfer sei eingeschüchtert, verwirrt und die ganze Zeit ruhig gewesen. Er selbst habe sich nicht an den jüngeren Angeklagten herangetraut, weil er nicht habe abschätzen können, „wie das ausgeht“.