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„Pflege ist seit Jahrzehnten in der Krise“

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Kerstin Jährling-Roth. babs
Kerstin Jährling-Roth. babs © babs

Kerstin Jährling-Roth kämpft für Veränderungen / Bessere Arbeitsbedingungen nötig

Was machen wir hier nur?“, das hat sich Kerstin Jährling-Roth immer wieder gefragt auf ihrem langen Berufsweg. Fast 50 Jahre war dabei die Pflege ihr Thema. Am Mittwoch wird sie offiziell in den Ruhestand verabschiedet. „Ich wollte immer Verbesserungen, das war mein Ding“, erinnert sich die Caritas-Mitarbeiterin, die als Bereichsleiterin Gesundheitsdienste/Altenhilfe und Leiterin der Stabsstelle Qualitätssicherung manches aufgebaut und angestoßen hat.

Die Fachstelle Demenz gehört dazu, die der Caritasverband im Auftrag des Main-Taunus-Kreises betreibt. Auch die Betreuung der Demenz-Wohngruppe im Max-Schulze-Kahleyss-Haus Am Klingenborn und der Alten-Wohngruppen im Maria-Droste-Haus in Marxheim bedeuteten bei ihrer Einrichtung Neuland für den Verband, der mit den Caritas-Sozialstationen Hofheim - Eppstein - Kelkheim und Flörsheim-Hochheim schon sehr lange Träger wichtiger Anbieter ambulanter Pflege im Kreis ist.

Als der kämpferische Typ, der sie ist, hat sich Kerstin Jährling-Roth nie abfinden wollen mit Missständen in der Pflege. Dass diese immer wieder thematisiert werden, liegt für sie schlicht daran, dass sich nicht wirklich etwas an grundlegenden Dingen geändert hat. Gegen die personelle Unterbesetzung hat sie schon Ende der 1980er Jahre mit tausenden anderen ihres Berufsstands demonstriert. Die Personalbemessung sei dann für einige Zeit tatsächlich verbessert worden. „Ein paar Jahre ging es uns gut“, sagt Jährling-Roth, die lange als Ausbilderin und in der Pflegeentwicklung gearbeitet hat. Doch irgendwann seien die Verbesserungen zurückgenommen worden.

In den vergangenen Jahren hat es Neuregelungen gegeben, aber es fehlt mittlerweile überall an Pflegekräften. „Es wird für die Arbeitsbedingungen einfach zu wenig getan“, sagt Jährling-Roth, die auch berufspolitisch als Mitglied im Vorstand des Hessischen Pflegerats unterwegs ist. Dabei gehe es weniger um Geld. „Pflegeschüler haben eine vergleichsweise hohe Ausbildungsvergütung“, weiß die Fachfrau. Andere Arbeitszeit-Modelle und eine deutlich bessere Vergütung von Nacht- und Wochenenddiensten hält sie für erforderlich, um junge Menschen für diesen Beruf noch zu gewinnen.

Schon jetzt arbeiteten sehr viele Menschen mit Migrationshintergrund in der Pflege. Während größere Einrichtungen bereits Integrationsmanager für Arbeitskräfte aus dem Ausland einsetzten, sei das für kleinere Pflegedienste nicht leistbar, weiß Jährling-Roth. Manchen mehr könnten sie indes einstellen, wenn Anerkennungen von Abschlüssen aus dem Ausland gerade bei Flüchtlingen weniger lange dauerten.

„Ein Bürokratieabbau ist grundsätzlich notwendig, da klagen wir schon seit Jahren drüber, dass nichts passiert“, sagt die scheidende Caritas-Mitarbeiterin. Die angekündigte Reform der Krankenhauslandschaft könnte für die ambulanten Dienste nach ihrem Dafürhalten noch mehr Nachfrage bedeuten, denn vielfach sollten Behandlungen ja „ambulantisiert“ werden, so dass die eigentliche Pflege dann zu Hause stattfinde.

Auch die Tatsache, dass immer mehr Baby-Boomer nun in Rente gehen, zu denen sie ja selbst gehöre, werde den Pflegenotstand verschärfen. Von einem „demographischen Tsunami“ sei ja bereits die Rede. Für sie die große Frage: „Wie kriegen wir die Kuh vom Eis, dass wir genügend Fachkräfte bekommen?“ Ein Thema, dass die Wallauerin von nun an nur noch in ihren berufspolitischen Ehrenämtern umtreiben wird. „Hochzufrieden“, wie sie sagt, gehe sie „mit einem vollen Sack“ in die neue Lebensphase, von der sie nur eines sicher weiß: „Langeweile werde ich nicht haben.“

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