Rodgau: Über Hindernisse zum Solarstrom

In Rodgau hätte ein Unternehmer seinen Solarstrom selbst an der Strombörse verkaufen müssen. Auch der Weg durch den Förderdschungel war grotesk und blieb für ihn erfolglos.
Unternehmer Stefan Hammel aus Rodgau hat den Amtsschimmel kräftig wiehern gehört. „Grüner“ werden wollte er mit seiner Firma Harema, die Produkte für die Gebäudereinigung herstellt und vertreibt, hat deshalb im August eine Photovoltaikanlage installieren lassen. Den Weg dorthin beschreibt der Firmenchef aber als „grotesk“ und als „Realsatire“. Erst bekam er den falschen Weg durch den Förderdschungel gewiesen, dann musste er feststellen, dass die Photovoltaikanlage auf seiner neuen Industrielagerhalle zu groß geplant war. Er hätte selbst zum Stromhändler werden müssen.
Die Idee, etwas für die Umwelt und den Klimaschutz zu tun, kam Hammel im Dezember 2019. Damals hatte er „den Neubau im Kopf“ und dachte über Photovoltaik, Erdwärme oder ein Blockheizkraftwerk zur Energieversorgung nach. „Ich bin kein Techniker und auch kein Gebäudeplaner“, sagt der Geschäftsführer. „Ich bin grün angehaucht – wenn auch kein Ur-Grüner.“
Keine Antworten für Unternehmer auf Frage der Energiewahl
Harema lebt seit dem Vorjahr mit dem Slogan „Sauber und grün“. Daher kam eine Einladung der Industrie- und Handelskammer zu einem Gespräch zur Energie- und Ressourceneffizienz gerade recht. Dort sollte die Möglichkeit thematisiert werden, sich aus dem Programm „Produktionsintegrierter Umweltschutz“ (PIUS) Zuschüsse vom Land Hessen für Nachhaltigkeits-Investitionen zu sichern. „Da saß eine Dame vom Land Hessen und Herren von der IHK“, sagt Hammel. Auf seine Frage, auf welche der drei avisierten Energiequellen er bauen sollte, hätten sie keine Antwort gewusst, erinnert er sich, hätten ihn aber gelobt, weil er „auf dem richtigen Weg“ sei. Sie empfahlen ihm das RKW Hessen, das Rationalisierungs- und Innovationszentrum der Wirtschaft.
Der RKW-Niederlassungsleiter versprach ihm im Gespräch, zwei Experten zu schicken, die vom Land Hessen – genauer gesagt von der Hessischen Initiative Energieberatung im Mittelstand – bezuschusst werden. Im Frühjahr 2020 saßen die beiden Energieberater dann tatsächlich in seinem Büro. Sie erklärten ihm, er brauche ein Gutachten zur technischen Gebäudeausrüstung (TGA), um in den Genuss einer staatlichen Förderung zu kommen. „Sie durften aber keine Empfehlung abgeben, wer so ein Gutachten erstellen kann“, sagt Hammel. Und wieder konnte ihm keiner sagen, ob nun Photovoltaik oder Erdwärme oder ein Blockheizkraftwerk sinnvoller für seine Firma wäre.
Keine staatliche Förderung für Photovoltaik-Projekt
Er bemühte sich also wie empfohlen selbst um einen testierten TGA-Sachverständigen und fand auch einen, der ihm ein Angebot machte. Als Hammel das Angebot sah, traute er seinen Augen kaum: 38 600 Euro wollte der Sachverständige für das TGA-Gutachten haben, mit dem der Firmenchef „in den erlauchten Kreis der Geförderten“ kommen sollte. „Ich bin mit ihm dann die einzelnen Positionen durchgegangen, und wir haben einige baubegleitende Maßnahmen weggelassen“, sagt Hammel. Schließlich standen 9700 Euro auf dem Papier, und für diesen Preis gab der Harema-Geschäftsführer das TGA-Gutachten in Auftrag.
Wie sich dann aber herausstellte, hatte er das Geld quasi „für die Katz“ investiert. „Ich habe gehört, dass es in Hessen keine Förderung gibt“, sagt er. Und entrüstet sich: „Ein Elektroauto wird mit 6000 Euro bezuschusst. Der, der den Strom verbraucht, wird also gefördert, der, der den Strom produziert, aber nicht.“
Unternehmer hätte an die Strombörse gehen müssen
Hammel beschloss, sich trotzdem Photovoltaik aufs Dach der neuen Industrielagerhalle setzen zu lassen – dann halt ohne staatliche Zuschüsse. Da er in seiner Firma im Jahr 2019 insgesamt 135 000 Kilowattstunden Strom verbrauchte, plante er eine 140 Kilowatt-Peak große Anlage, mit der pro Jahr 140 000 Kilowattstunden erzeugt werden können. Die Solarmodule hätten die kompletten 700 Quadratmeter seiner Dachfläche abgedeckt.
Aber wieder kam es anders: Der 62-Jährige erfuhr, dass man als Betreiber von solch großen Photovoltaikanlagen den erzeugten Solarstrom direkt vermarkten muss. „Ich hätte den überschüssigen Strom also nicht ins Netz einspeisen können, sondern hätte ihn selbst an der Strombörse verkaufen müssen“, sagt er. Das hätte für ihn bedeutet, eine Börsenhandelslizenz zu erwerben und stets den Markt im Blick haben zu müssen, um seinen überschüssigen Strom gewinnbringend zu verkaufen. „Das war der Punkt, wo das Ganze für mich in die Satire abgedriftet ist“, sagt er. Er habe schließlich „anderes zu tun als an die Börse zu gehen“.
Hammel entschied sich also für eine 100 Kilowatt-Peak-Anlage auf knapp 500 Quadratmetern Dachfläche und investierte 140 000 Euro dafür. Da bleibt zwar kein Strom zum Einspeisen übrig, aber der Betrieb kann zumindest in großen Teilen seinen Energiebedarf selbst decken. Die Photovoltaik-Anlage sollte sich in achteinhalb Jahren amortisiert haben, rechnet er vor.