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Pioniere unterm Dach

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Von: Andrea-Maria Streb

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Nina Sonntag und Georgios Kontos sind am Planen. Das künftige Bad haben sie schon mal zurechtgelegt.
Nina Sonntag und Georgios Kontos sind am Planen. Das künftige Bad haben sie schon mal zurechtgelegt. © Renate Hoyer

Das Projekt "Die Wohnung" will vergessene Räume sichtbar machen, beispielsweise Dachböden. Dabei soll das Projekt nicht fern vom gelebten Wohnen stattfinden, sondern mittendrin. „

Fünf Stockwerke geht es hinauf in dem Gründerzeithaus am Offenbacher Friedrichsweiher. Oben angelangt, steht die Tür zum Dachgeschoss einladend offen. Dahinter findet ein ungewöhnliches Projekt Platz: „Die Wohnung“. Der Ort ist ein großer, nicht ausgebauter Dachraum mit schlichten Holzdielen, einer atemberaubenden Aussicht, Resten von alten Tapeten, altem Putz und Zeitungsseiten aus den 50er Jahren an Wänden und Decke. Ein paar Designermöbel, Prototypen aus Holz und Metall, und ein Regal voller Bücher füllen den Raum nicht aus. Es bleibt Platz: für Ideen und Experimente.

Eine „Projektplattform für das Wohnen in der Stadt“, soll Die Wohnung sein, wie auf der Website zu lesen ist. Was steckt dahinter? „Wir haben die Idee, das es viele vergessene Wohnräume in der Stadt gibt, zum Beispiel Dachböden“, sagt Georgios Kontos, einer der Initiatoren. „Es wird immer gesagt, es gebe keinen Wohnraum. Das stimmt so aber nicht“, ergänzt Nina Sonntag. Anregungen dafür zu geben, solche Räume für das Wohnen nutzbar zu machen, und Ideen zu entwickeln, wie das jenseits von Luxussanierungen geschehen könnte, das ist knapp umrissen das Ziel des Projekts.

Seine Ausgestaltung findet es zum einen in Workshops, Diskussionen, Ausstellungen und anderen Veranstaltungen in der „Wohnung“. Zum anderen in dem Ort selbst. „Wir haben gezielt nach einem Wohnraum gesucht, wollten keinen Ausstellungs- oder Gewerberaum“, sagt Kontos. Denn das Projekt soll nicht fern vom gelebten Wohnen stattfinden, sondern mittendrin. „Wir wollten die Nachbarn einbinden, auch lokales Handwerk, uns mit dem Viertel beschäftigen“, erläutert Kontos. Exemplarisch zeigen, dass es diese Räume gibt und wie sie genutzt werden könnten. Und: „Die Kommunikation hier im Haus ist ein Kernaspekt.“

Kontos, der Architektur studiert hat und als Radverkehrsplaner beim Regionalverband arbeitet, Sonntag, die Kunsthistorikerin und im Goethehaus tätig ist, sowie die Baureferendarin Charlotte Döring gehören zu einer Gruppe des „werkbund.jung“, die das Projekt Die Wohnung stemmt. Unterstützt werden die jungen Leute von der Ikea-Stiftung sowie von den Hauseigentümern, der Grundstücksgemeinschaft Hock und Amberg, die das Dachgeschoss mietfrei zur Verfügung stellt. Als ersten Schritt hat die Gruppe den Dachboden in dem Zehn-Parteien-Haus freigeräumt. Das Geschoss war bis in die 80er Jahre bewohnt und stand seitdem leer, erzählen Kontos und Sonntag. Unmengen von Schutt hat die Gruppe die fünf Etagen hinuntergeschleppt, Zwischenwände entfernt, Tapeten abgekratzt, Balken ersetzt.

In ihren Veranstaltungen, die seitdem in der „Wohnung“ stattfinden, werden Aspekte des Wohnens umrissen: Bei handwerklichen Workshops geht es um Möbel aus Pappe, den Umgang mit Werkstoffen wie Beton, es geht um Ideen für das Senefelder Quartier, indem sich Die Wohnung befindet, oder um Upcycling. Kürzlich hat ein kleiner Markt mit lokalen Künstlern und Designern stattgefunden. „Wir haben die Hoffnung, Eigentümer auf neue Gedanken zu bringen“, erläutert Döring. „Mit welchen Mitteln kann ich ausbauen, wie günstig renovieren. Die Mieter einbinden, vielleicht gemeinsam sanieren.“

Im Haus selbst hätten sie erreicht, „dass die Nachbarn sich kennengelernt haben, über das Haus diskutieren“, sagt Kontos. Ein Austausch finde statt zu der Frage: Wie wohne ich eigentlich?

Vor zwei Jahren hat das Projekt begonnen, als „Saisonprojekt, weil es keine Heizung gibt“, sagt Sonntag. Als nächster Schritt stehe nun der Einbau eines Bads und einer kleinen Küche an – „wir haben die Idee, hierbei mit lokalen Firmen zusammenzuarbeiten“, sagt Kontos, „vielleicht als Lehrbaustelle für Azubis und für uns zum Mitlernen.“ Darüber hinaus bleibe der Dachboden wie er ist. Ziel könne nicht sein, ihn tatsächlich bewohnbar zu machen. Die nächsten Veranstaltungen sollen sich mit barrierefreiem Wohnen befassen, mit dem Thema geplanter Verschleiß und dem Werkstoff Holz.

„Ein weiterer wichtiger Teil des Projekts ist die Dokumentation“, sagt Kontos. Auf der Website finden sich Videos und Fotos zu allen Veranstaltungen. Für die Ikea-Stiftung werde es einen Abschlussbericht geben, und am Ende eine „Ausstellung mit den wichtigsten Erkenntnissen“, kündigt Kontos an. Und bis dahin mit Sicherheit noch viele kreative Ideen.

Weitere Infos im Internet unter www.die-wohnung.org oder www.facebook.com/wb.jung.

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