Offenbach würdigt den Wegbereiter des modernen Drucks

Alois Senefelder wäre heute 250 Jahre alt geworden. In Offenbach erinnert man sich gerne an die kurze Zeit des Wirkens vom Erfinder der Lithographie.
In Offenbach ist ihm eine Statue gewidmet, eine Straße und sogar ein ganzes Quartier nach ihm benannt worden. Alois Senefelder hat zwar nur eine kurze Zeit in Offenbach gelebt – mit Unterbrechung von Ende 1799 bis 1801 –, trotzdem würdigt ihn die Stadt für die Bedeutung seines Wirkens. Am heutigen Samstag wäre der Erfinder der Lithografie 250 Jahre alt geworden. Das Haus der Stadtgeschichte feiert ab 15.30 Uhr ein Geburtstagsfest unter anderem mit einer Sonderausstellung von Senefelder-Porträtzeichnungen, einer Druckvorführung am Nachbau der Stangenpresse und einer Führung in der Druckwerkstatt im Bernardbau.
„Senefelder war dafür verantwortlich, dass die kommerzielle Nutzung des Bilderdrucks letztlich von Offenbach ausging“, sagt Harry Neß, Vorsitzender des Internationalen Arbeitskreis Druck- und Mediengeschichte. Katja M. Schneider, Kuratorin des Hauses der Stadtgeschichte, vergleicht seine Erfindung mit der Kulturrevolution, die Selfies ausgelöst haben. „Die Erfindung von Senefelder hat das Bild salonfähig gemacht. Davor konnte man Bilder immer nur in kleinen Auflagen vervielfältigen“, sagt sie. Bei Kupferplatten, die bis dahin gängig waren, seien maximal 100 Drucke möglich gewesen. Und sie waren teuer.
Im Gegensatz zu Johannes Gutenberg, dem Erfinder des Buchdrucks, hat Senefelder noch zu Lebzeiten, im Jahr 1818, ein Lehrbuch veröffentlicht. Darin beschreibt er nicht nur seine Technik, sondern auch seinen Lebensweg. „Senefelder stammt aus einfachen Verhältnissen“, sagt Neß. Er wurde am 6. November 1771 in Prag geboren und zog früh mit seiner Familie nach Bayern. Nachdem er 1793 sein Studium der Rechtswissenschaften wegen des Todes seines Vaters abbrechen musste, um seiner Mutter und seinen zwei Brüdern beim Bestreiten des Unterhalts zu helfen, ging er nach München. Dort begann er, Theaterstücke zu schreiben, er fand aber keinen Verleger. Also fing er an zu experimentieren, um seine Schriften selbst zu vervielfältigen. „Die Erzählung geht so: Er hat Notizen mit dem Fettstift auf einen Stein gemacht und dann ein Blatt draufgelegt“, sagt Neß. Dabei handelte es sich um eine Solnhofener Kalksteinplatte, die eine besondere Dichte und Härte hat.
Er tüftelte, auch dank der finanziellen Unterstützung des Komponisten und Hofmusikers Franz Gleißner, so lange herum, bis er das gewünschte Ergebnis im Jahr 1798 hatte. Der Stein muss glatt geschliffen sein, dann wird das zu druckende Motiv seitenverkehrt entweder mit Fettkreide oder mit Tinte auf die Platte gezeichnet und eine ätzende Flüssigkeit aufgetragen. Diese dringt nur dort in den Stein ein, wo keine Tinte oder Kreide aufgetragen wurde. Anschließend wird das Druckpapier auf die Vorlage gelegt, abgedeckt und auf den Schlitten der Druckpresse unter dem „Reiber“ hindurchgefahren. Ein ganz schöner Kraftaufwand. Senefelder und Gleißner gründeten eine Druckerei und erhielten vom bayerischen Kurfürsten Maximilian IV. Joseph ein „Privilegium exclusivum“ auf die Dauer von 15 Jahren. Das bedeutete, dass niemand ihnen Konkurrenz machen durfte.
Um auf ihre Druckerei aufmerksam zu machen, schalteten sie eine Anzeige, die Johannes Anton André sah. Der Notenverleger und Komponist aus Offenbach war auf der Reise nach Wien, wo er Constanze Mozart ihren Nachlass abkaufen wollte und es später auch tat. „André hat die Potenziale des Steindrucks schnell erkannt. Der Stein war haltbarer, immer wieder zu verwenden und es waren höhere Auflagen möglich“, sagt Neß. André ging in die Druckerei von Senefelder und Gleißner und schloss mit ihnen einen Vertrag. Der besagte, dass die beiden sofort nach Offenbach kommen sollten, um dort eine Druckerei aufzubauen und sie für seinen Bedarf, den Notendruck, anwenden sollten.
„Es war ein aufbrechender Markt der Hausmusik und der bürgerlichen Kultur“, sagt Neß. Fünf Kupferdruckpressen seien in der Druckwerkstatt von André in der damaligen Domstraße 21 durch Steindruckpressen ersetzt worden. Täglich konnten so 1500 Bogen gedruckt werden. „Plötzlich konnte man sich die Mariendarstellung von Rafael für kleines Geld kaufen und in das Wohnzimmer hängen“, sagt Schneider. Gleißner hat in der Zeit das erste Verzeichnis von Mozart-Notenoriginalen angelegt, dem Vorläufer des Köchelverzeichnisses. Senefelder druckte für André und lernte weitere Drucker an.
Die gute Beziehung zwischen André und dem drei Jahre älteren Senefelder hielt aber nicht lange. „Ende 1800 schickte André seinen Bruder Philip und Senefelder nach London, um ein Patent für den Druck zu erwerben“, erzählt Neß. Das habe Senefelder wohl den Eindruck vermittelt, dass André versuche, hinter seinem Rücken Geschäfte zu machen, weil er nichts von seiner Familie hörte und weil die Erwerbung des Patents bis Mitte 1801 dauerte. In Offenbach zurück, gingen die Patentstreitigkeiten in Wien weiter, wo sich die Ehefrau von Gleißner, die Mutter von Senefelder und André in die Haare bekommen hatten. „André wollte nicht, dass Senefelder nach Wien geht, weil er einen großen Auftrag hatte. Darüber sind sie so in Streit geraten, dass er weg ist aus Offenbach“, erzählt Neß. Später seien die beiden noch mal in Kontakt gekommen, als es um die Veröffentlichung von Senefelders Buch ging. André hatte sogar eine Annonce zur Leipziger Buchmesse 1816 geschaltet. Allerdings schaffte Senefelder es wohl nicht rechtzeitig und das Buch erschien 1818 in München, wo Senefelder am 26. Februar 1834 verstarb.
„Nach der Erfindung ging das wie ein Lauffeuer um die Welt“, sagt Schneider. In London, Paris, Stockholm und in Berlin wurden die Stangenpressen von Senefelder nachgebaut und das Druckprinzip weiterentwickelt. Bis zum heutigen Offsetdruck lasse sich eine rote Linie vom Steindruck ziehen. Während des Zweiten Weltkriegs ist die ehemalige Druckwerkstatt André zerbombt worden. Trotzdem sind bei Grabungen aus der Zeit noch viele Lithografiesteine gefunden worden, die im Haus der Stadtgeschichte ausgestellt sind. „Ein guter Lithograf könnte aus dem ein oder anderen Stein vielleicht noch etwas herausholen“, glaubt Schneider.
Sie hat für die Ausstellung auch verschiedene Festschriften in eine Vitrine gestellt, um Senefelders Bedeutung für die Druckerzunft zu unterstreichen. Zu allen runden Geburtstagen sind Festschriften in ganz Europa erschienen. In Offenbach gibt es heute einen besonderen Kuchen zu Ehren Senefelders – mit spiegelverkehrter Schrift. Genau so, wie er es in einen Stein gezeichnet hätte, bevor die Druckerwalze darüber hinweg rollte.




