Offenbach prüft juristische Schritte gegen weitere Anflugroute

Die Flugsicherung will drei statt bisher zwei Einflugschneisen über Offenbach zulassen. Das bedeutet mehr Lärm und weitere Siedlungsbeschränkungen für die Stadt.
Die Offenbacher müssen künftig mit deutlich mehr Fluglärm rechnen, falls die Deutsche Flugsicherung (DFS) im Februar/März den Landeanflug auf alle drei Pisten des Frankfurter Flughafens ausdehnt und auch die Centerbahn wieder regulär zum Landen nutzt. Zwar kündigte die DFS an, dieses Verfahren zur Kapazitätssteigerung nur testen zu wollen. Doch daran glaubt Offenbachs Flughafendezernent Paul-Gerhard Weiß (FPD), der auch Mitglied der Fluglärmkommission ist, nicht. Er kündigte Widerstand gegen die Neuordnung der Flugrouten an.
Antilärmpakt „für die Tonne“
Eine Fachanwältin für Luftverkehrsrecht soll das Vorgehen der Flugsicherung juristisch prüfen, da der Planfeststellung für den ausgebauten Flughafen ein anderes Betriebs- und Lärmschutzkonzept zugrundeliege, sagte Weiß. „Denn wenn alles nicht mehr zählt, was Grundlage des Verfahrens und des Beschlusses war, wird es grenzwertig.“ Er geht davon aus, dass der Probebetrieb zur Regel werden wird. Das sei eine Hiobsbotschaft für die Stadt.
„Acht Jahre nach Inbetriebnahme der Nordwestbahn wird der immer als Offenbacher Märchenstunde abgetane Anflug auf alle drei Bahnen und der damit verbundene Lärmteppich über der Stadt bittere Realität“, sagte Weiß. Schon heute gehört die Stadt mit rund 750 Flugzeugen im Landeanflug zu den am stärksten von Fluglärm betroffenen Kommunen im Rhein-Main-Gebiet. Für weite Teile des Stadtgebiets gelten Siedlungsbschränkungen und diverse Bauverbote. Sollte die DFS künftig drei statt zwei Einflugschneisen über Offenbach zulassen, nähme der Flugverkehr im Süden der Stadt laut Weiß um 50 Prozent zu.
Fluglärm Die Nordwest-Landebahn , 2011 eröffnet, sollte zur Erhöhung der Kapazitäten am Frankfurter Flughafen beitragen. Seitdem sind zusätzliche Offenbacher Stadtgebiete mit Fluglärm belastet.
Laut Fraport gab es auch eine Entlastung, weil die Centerbahn nur noch für Starts genutzt wurde und damit von den bisher im Süden Offenbachs verlaufenden beiden Einflugschneisen eine entfiel. Sollten künftig Landungen auf drei Bahnen möglich sein, muss das ohnehin stark belastete Offenbach mit noch mehr Fluglärm rechnen. agsFluglärm
Aber auch für die Stadtentwicklung hätten die zusätzlichen Anflüge Konsequenzen. Weiß, der auch Stadtplanungsdezernent ist, rechnet damit, dass die bislang vor allem im Süden geltende Nachtschutzzone weiter nach Norden ausgedehnt würde. Die Folge: Wohnungsbau sei dort nicht mehr möglich. Dies gilt nach seinen Worten für den Bebauungsplan am Klinkum, wo auch Wohnungen errichtet werden sollen. „Das gibt für uns einen Wettlauf mit der Zeit“, meinte er auch mit Blick auf neue Bebauungspläne.
Laut DFS erfolgt der Probebetrieb vom 3. Februar bis zum 25. März täglich in der Zeit zwischen 6 und 22 Uhr. Das sind 52 Tage. Nach Angaben einer Sprecherin sind die Tests ergebnisoffen. Das glaubt Dieter Faulenbach da Costa, Flughafenplaner und Berater der Stadt Offenbach, nicht. Der Flugsicherung gehe es lediglich darum zu testen, wie das Verfahren verbessert werden könne. Faulenbach weist darauf hin, dass die Anflug- und Abflugverfahren schon im Luftfahrthandbuch veröffentlicht seien.
Nach Angaben der Flugsicherung ist dies seit Jahren der Fall. Die Verfahren hätten schon lange Zeit Bestand und müssten daher für den Testbetrieb nicht verändert werden. Es sei auch kein gesondertes Genehmigungsverfahren notwendig.
Faulenbach wirft der DFS, einem bundeseigenen, privatrechlich organisierten Unternehmen vor, den im Abschluss an die Mediation zum Flughafenausbau geschlossenen Antilärmpakt „auszuhebeln“. Dieser sei nun schlicht „für die Tonne“. Die Bürgerinitiative Luftverkehr (BIL) Offenbach zeigte sich nicht überrascht vom den DFS-Plänen. Man habe schon immer vorhergesehen, dass auch die Centerbahn wieder zur Landebahn werde, sagte Vorsitzende Ingrid Wagner. Sie befürchtet, dass damit die Kapazitätssteigerung selbst über die prognostizierten 700 000 Flugbewegungen jährlich (2018 waren es 512 000) vorbereitet würden. „Die von Fraport angelockten Billigfluglinien wollen ja bedient werden.“
Wagner forderte die Offenbacher Politiker einschließlich des grünen Verkehrsministers Tarek Al-Wazir auf, dafür zu sorgen, dass der Fluglärm über der Stadt vermindert werde. „Auf der juristischen Schiene alleine wird das nämlich nicht funktionieren.“