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Offenbach: Der Leidenschaft für Vinyl verfallen

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Von: Timur Tinç

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Markus Flach in seinem Ladengeschäft Mr. flat record store in Offenbach-Bieber.
Markus Flach in seinem Ladengeschäft Mr. flat record store in Offenbach-Bieber. © Renate Hoyer

Markus Flach hat sich seinen Traum erfüllt und einen Schallplattenladen eröffnet. Im Mr. flat record store gibt es von Rock über Pop bis Jazz fast alles aus den 50er und 70er Jahren, aber auch einige aktuelle Platten.

Musik ist für Markus Flach mehr als nur eine Leidenschaft. New Wave und British Heavy Metal, haben es ihm als Jugendlichem in den 1970er-Jahren angetan: Iron Maiden, Motörhead, Saxon gehören zu seinen Lieblingsbands. Auslöser war ein Konzert. In seinem Haus in Obertshausen hat er ein eigenes Musikzimmer mit rund 5000 Schallplatten und unzähligen Devotionalien von Konzerten, zum Beispiel unterschriebene Plakate und T-Shirts. „Die hüte ich wie einen Augapfel“, sagt er. Im vorigen Sommer hat er sich einen Traum erfüllt: Er eröffnete im Juni einen Schallplattenladen, den „Mr. flat record store“ in Offenbach-Bieber.

„Ich habe jede Platte mindestens zwei oder drei Mal in der Hand gehalten“, sagt der gebürtige Frankfurter in seinem Ladengeschäft. In alle hat er reingehört, auch wenn ihn nicht jede Musikrichtung interessiert. Kürzlich kam eine junge Türkin und fragte nach einer Platte mit orientalischer Musik. Eine einzige hatte er tatsächlich irgendwann mal erworben. „Genau die hat die Kundin gesucht“, erzählt er. Reiner Zufall.

Solche Anekdoten und Geschichten könnte Flach den ganzen Tag erzählen. Seit einigen Jahren gebe es wieder den Trend zurück zur Schallplatte, hat er beobachtet. „Die Faszination einer Schallplatte ist der Klang. Sie klingt viel wärmer“, sagt er. „Zu fast allen Platten, die ich zu Hause habe, gibt es eine Geschichte.“ Plattenläden seien schon immer ein Ort der Kommunikation gewesen.

Für fast jeden Musikgeschmack ist etwas dabei.
Für fast jeden Musikgeschmack ist etwas dabei. © Renate Hoyer

Bis vor zwei Jahren war die Kommunikation auch sein Hauptberuf. 18 Jahre lang arbeitete Flach in einem Medienunternehmen in Bad Homburg, ehe es im Januar 2020 Insolvenz anmeldete. Flach wurde arbeitslos. „Irgendwann hab‘ ich auf dem Balkon gestanden und zu meiner Frau gesagt: ,Ich mach‘ einen Plattenladen auf’“, erzählt er. „Das ist eine gute Idee, das machst du“, habe sie geantwortet und ihn in seiner Idee bestärkt. Eines Morgens fuhr er nach Berlin, deckte sich mit einigen Tausend Schallplatten ein und fuhr noch am selben Abend zurück. „Wegen Corona waren ja alle Hotels geschlossen.“ Zu Hause angekommen, begann er die Platten zu sortieren und zu säubern. „Das habe ich aber ganz schnell wieder gelassen“, sagt Flach. Die Flüssigkeit, um die Vinylplatten zu säubern, sei ziemlich kostspielig. Die Reinigung gibt es beim Kauf einer Platte in seinem Laden aber für einen kleinen Obolus dazu.

In seinem Geschäft gibt es bis zu 5000 Schallplatten.
In seinem Geschäft gibt es bis zu 5000 Schallplatten. © Renate Hoyer

Im Februar mietete er dann den Laden in der Von-Brentano-Straße, begann ihn zu renovieren, baute die Plattenkisten auf, ordnete alles sorgfältig nach Genres und zeichnete es aus. Die meisten Platten, die er erworben hat, gehören in die Kategorie klassische Rockmusik. Dazu gibt es Pop der 50er- bis 70er-Jahre, Metal, Soul, Krautrock, Prog-Rock, Blues, Jazz, Punk, Reggae, Beat und Rock’n’Roll. Aber auch ein paar Kraftwerk-Sachen und Einzelstücke, wie besagte orientalische Platte oder ein paar wenige Techno-Scheiben.

Schallplattenläden

Der Mr. flat record store befindet sich im Offenbacher Stadtteil Bieber in der Von-Brentano-Straße 8. Geöffnet ist er sind montags, dienstags, donnerstags und freitags von 10 bis 13 und 14 bis 19 Uhr, mittwochs von 14 bis 19 Uhr und samstags von 10 bis 16 Uhr.
www.mr-flat-records.de

In Offenbach gibt es außerdem noch den Schallplattenladen Main Records in der Bieberer Straße 63, der viele Platten zu Techno, Electro und House Music hat. Öffnungszeiten nach Vereinbarung: www.mainrecords.net

In Frankfurt halten sich mehrere Läden, die Schallplatten anbieten, darunter „Die Röhre“, die auch Hifi-Geräte im Sortiment hat, Walter-Kolb-Straße 5-7, geöffnet Dienstag bis Freitag von 14 bis 18, Samstag von 10 bis 16 Uhr. Weitere Plattenläden ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

No. 2 Records, Wallstraße 15, Montag bis Freitag 11 bis 20, Samstag 10 bis 16 Uhr.

City Beat Records, Dreieichstraße 5, Montag bis Freitag 12 bis 18, Samstag 12 bis 16 Uhr.

Sick Wreckords, Schulstraße 1, Dienstag bis Freitag 14 bis 19, Samstag 11 bis 16 Uhr.

Bigblack Record Store, Eiserne Hand 8-10, Montag bis Freitag 11 bis 19, Samstag 10 bis 14 Uhr.

Mythos Records, Höhenstraße 20, Montag bis Freitag 14 bis 20, Samstag 11 bis 20 Uhr.

Lucky Star Records, Heidestraße 152, Dienstag bis Freitag 11 bis 19, Samstag 11 bis 16 Uhr.

Tactile Record Store, Friedberger Landstraße 114, Mittwoch bis Freitag 14 bis 19, Samstag 12 bis 17 Uhr.

Memphis Records, Friedberger Landstraße 100, Mittwoch bis Freitag 14 bis 19.30, Samstag 11 bis 19 Uhr.

Analogetonträger, Gronauer Straße 2, Montag bis Freitag 14 bis 19, Samstag 10 bis 16 Uhr.

Barrett’s Revenge Records, Berger Straße 335, Dienstag 13 bis 16, Samstag 11 bis 14 Uhr. (tim/ill)

Ganz wenige Platten bestellt er auch neu, zum Beispiel von Coldplay oder das aktuelle Abba-Album. „Ich habe zehn bestellt und zwei bekommen“, berichtet er. Bei der Veröffentlichung wollte sie jeder haben. Als er nachträglich noch ein paar erhielt, war das Interesse an „Voyage“ bereits verflogen.

Flachs Hauptgeschäft ist der An- und Verkauf alter Schallplatten aus Rock, Pop oder R&B. Was er nicht erwirbt, sind Schlager, Volksmusik oder Operetten, die ihm öfter aus Nachlässen angeboten werden. Die teuerste Platte in seinem Laden kostet 150 Euro. Die älteste ist die Neujahrsansprache von Reichspräsident Paul von Hindenburg aus dem Jahr 1932. „Es ist besonders schwer, an alte Sachen ranzukommen“, sagt Flach. Die Sammler gäben die seltenen Platten entweder nicht her oder verlangten Mondpreise. Einige Kunden wiederum wollten keine Schutzhülle, sondern stünden auf abgenutzt aussehende Cover.

Vor allem bekommen die Leute von Markus Flach Ratschläge. Wenn jemand seinen Laden mit dem Ziel betritt, eine eigene Sammlung aufbauen und einen neuen Plattenspieler kaufen zu wollen, empfiehlt er: „Bevor ihr was Neues kauft, schaut doch mal, ob Oma und Opa noch einen haben oder ob ihr euren kaputten reparieren lassen könnt“. Die Qualität der Schallplattenspieler aus den 70er- und 80er-Jahren sei heute nicht mehr zu finden.

Er selbst kooperiert mit „Hifi im Hinterhof“ in der Offenbacher Innenstadt, die wieder vermehrt Plattenspieler verkaufen. Und für die Schallplatten kommen sie zu ihm.

Die Kunden reisen mittlerweile aus Bad Nauheim, Gelnhausen oder aus Mannheim an. Manchmal hielten sie sich drei Stunden im Laden auf, ohne etwas zu kaufen. „Ich habe mal einen gefragt, was er da macht. Er hat geantwortet, er schreibe sich auf, was es so gibt und wolle dann im Internet danach schauen.“ Flach nimmt das hin. Er weiß, dass es nicht alle Platten im Netz zu kaufen gibt. Und dann müssen die Interessenten doch mal in den Laden, um ein bisschen zu stöbern.

„Das Wichtigste ist, dass ich davon leben und es eventuell bis zu meiner Rente machen kann“, sagt der Vinylliebhaber. Er hofft, dass er den Verkauf nicht irgendwann online betreiben muss, sondern dass die Kundschaft weiterhin in den Laden kommt.

Demnächst möchte Flach auch eine Hör-Bar einrichten. Kundinnen und Kunden können ihre eigenen Kopfhörer dorthin mitbringen und dann in die Klangwelt von Vinyl eintauchen, der Markus Flach seit seiner Jugend verfallen ist.

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