"Haftbefehl" stürmt in die Charts

Aykut Anhan alias Haftbefehl hat mit seiner Musik den Sprung in die deutsche Hitliste geschafft. Dabei nutzt dem Offenbacher Rapper auch sein Vorstrafenregister.
Von Nina Lenhardt
Pünktlichkeit kann man von einem Rapper vielleicht nicht erwarten. Mit halbstündiger Verspätung und ohne Entschuldigung lässt sich ein Mann mit frisch rasiertem Kopf in einem alten Mercedes vor eine Bar chauffieren. Es ist Happy Hour, er könnte günstige Cocktails trinken. Aber Aykut Anhan bestellt Saft und Wasser. Für seine Rap-Musik hat er sich das Pseudonym Haftbefehl zugelegt.
Das Debüt-Album „Azzlack Stereotyp“ hat es in diesem Winter mit Platz 59 auf Anhieb in die deutschen Charts geschafft. Im Internet wird er als der Retter des deutschen Rap gehandelt. Erstaunlich für den in Offenbach geborenen Musiker einer kleinen Plattenfirma. Und überraschend bei Deutsch-Rap, einem bereits totgesagten Genre.
Waffen, Gewalt, Drogen und Sex werden in den gängigen Rap-Liedern ausführlich behandelt, so auch bei Haftbefehl. Er aber habe kein erfundenes Image wie 90 Prozent der Rapper, die erst mit dem Rampenlicht kriminell geworden seien. Die Inhalte seien gleich, nur anders verpackt. Besser könne er das nicht erklären. Die Mutter sage, er solle doch „positive Musik“ machen. Weil seine Reime auch mal bei MTV laufen und eine größere Zielgruppe erreichen sollen, wird die Musik poppiger, verspricht er.
Vor dem musikalischen Erfolg kassierte der kurdische Türke viele Vorstrafen sowie drei Anzeigen wegen Körperverletzung. Mit 14 Jahren brach er die Schule ab. Verglichen mit anderen Schicksalen in der Rapper-Szene ist das keine außergewöhnliche Biografie. „Haftbefehl ist eher Entertainer als böser Bub“, sagt Niko Hüls, Rap-Experte und Chefredakteur beim Hip-Hop-Magazin Backspin, über den Erfolgsgrund von „Hafti“. Laut Internetkommentaren seiner Fans gilt er als große Hoffnung – wegen seines „Wortwitz“ und der „Selbstironie“. Für Laien ist das nur schwer nachvollziehbar bei Hits, deren öffentliche Ausstrahlung aus einem dreiminütigen Piepton bestehen würden. Bei der Unterhaltung gibt er sich durchaus humorvoll und ironisch: Als nächstes wolle er eine Lederjacken-Kollektion kreieren. „Schreiben Sie das in die Zeitung? Aber Sie dürfen mir da jetzt nicht die Idee klauen!“
Auch wenn er beim Gespräch nur selten Kraftausdrücke verwendet, Aykut Anhan erfüllt viele Klischees vom Gangster-Rapper. Manchmal zeigt sich jedoch auch eine ernsthafte, reflektierte Seite des 25-Jährigen. Im kriminellen Milieu sei er nicht mehr tätig. „Ich bin erwachsen geworden“, sagt er. Ohne Bildung sei man nichts. Wenn er eigene Kinder hätte, würde er ihnen raten, in die Schule zu gehen und zu studieren.
„Die Currywurst an der Post und die Kickers“, das gefalle ihm in Offenbach am besten, sagt er. Beim OFC war Aykut Anhan als Kind sogar selbst acht Jahre Torhüter.
Seine Jugend hat er in der Stadt verbracht, seine Freunde und Kollegen sind hier. Immer wieder dreht er sich Bestätigung suchend zu Manager und Kumpel um. „Ich bin ein Denker“, stellt Haftbefehl fest. Aber auch Denker haben Bedürfnisse, und so ist der junge Mann dann doch erleichtert, als er nach 90 Minuten Befragung in die Raucherpause entlassen wird.
Im Radiosender You-FM soll am Freitag, 14. Januar, 21 Uhr, ein Interview mit Haftbefehl laufen.