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Fördern statt rausholen

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Von: Danijel Majic

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Mitten im Spessartviertel: die Kita Kinderburg.
Mitten im Spessartviertel: die Kita Kinderburg. © Rolf Oeser

Materielle Not, Bildungsdefizite, Gewalterfahrung. Seit Anfang 2014 wird in der Kinderburg gegengesteuert – mit Hilfe von vier Sozialpädagogen des Theresien-Kinder- und Jugendhilfezentrums.

Sie trägt ihren Namen zu recht. Das zweistöckige Gebäude der Kinderburg, mit ihrer bunten Fassade und der abwechslungsreichen Architektur wirkt tatsächlich wie eine Trutzburg inmitten einer eher unwirtlichen, graugrünen Umgebung. Nur wenige Meter von ihr entfernt, ragen die Wohnhochhäuser wie ein fester Riegel in die Höhe, als gelte es, das Dietzenbacher Quartier abzuschirmen. In der rauen Wirklichkeit des Spessartviertels soll die Kindertagesstätte so etwas wie ein sicherer Hafen sein oder eben eine Burg.

Doch die soziale Realität, die sich in den angrenzenden Wohnblöcken staut, macht nicht vor den Toren der Kita halt. 140 Kinder werden hier in fünf Kindergarten- und zwei Hortgruppen betreut. Der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund liegt mittlerweile bei annähernd 100 Prozent. Noch Anfang 2014 drohte knapp einem Drittel der Hortkinder, die Inobhutnahme durch das Jugendamt. Grund waren typische Problemlagen wie sie in allen sozialen Brennpunkten gehäuft vorkommen: Materielle Not, Bildungsdefizite, Gewalterfahrung. Seit Anfang 2014 wird in der Kinderburg gegengesteuert – mit Hilfe von vier Sozialpädagogen des Theresien-Kinder- und Jugendhilfezentrums.

Positive Bilanz

„Es ist eine besondere Situation, die wir hier vorfinden“, sagt Dieter Lang, Erster Stadtrat von Dietzenbach. Nach rund anderthalb Jahren sind die Verantwortlichen der Stadt, des Theresien-Zentrums und der Kita am Dienstag zusammengekommen, um Bilanz zu ziehen. Und die fällt positiv aus. „Die Arbeit, die hier getätigt wird, fällt auf fruchtbaren Boden“, betont Lang.

Die lobenden Worte des Ersten Stadtrats sind das eine, die Zahlen das andere. Doch auch die belegen, dass sich in der Kinderburg einiges in die richtige Richtung bewegt. In mindestens neun Fällen, so hält die Stadt fest, hat die Arbeit der Sozialpädagogen verhindert, dass Hortkinder aus ihren Familien rausgeholt und in Heimen oder Wohngruppen untergebracht werden mussten.

Das Team der Sozialpädagogen versucht nach eigenem Bekunden, Problemlagen zu erfassen und Gruppendynamiken zu erkennen. Was im ersten Moment kompliziert klingt, kommt im Kita-Alltag deutlich niedrigschwelliger daher. Die vier Sozialpädagogen achten auf Auffälligkeiten, suchen ab und an das Gespräch mit den Kindern – in erster Linie aber mit den Eltern. Denn eine nicht ganz neue Erkenntnis aus dem Projekt lautet, wer den Kindern helfen will, muss an die Eltern ran.

Elterncafé

Ein Beispiel ist das zweimal im Monat stattfindende Elterncafé, bei dem die Sozialpädagogen des Theresien-Zentrums den Kontakt zu den Erziehungsberechtigten suchen und ihnen gegebenenfalls auch mit Rat und Tat beiseite stehen. „Einmal hatte eine Mutter eine Plastiktüte dabei“, erinnert sich Elke Redelberger-Qotaibah, eine der Sozialpädagoginnen, „als sie die aufgemacht, war da das volle Programm drin: Räumungsklage, Schulden und so weiter.“

Die Erfolge des Projekts seien nur möglich, weil die Kita Kinderburg im Quartier einen guten Ruf genieße. „Es gibt ein Grundvertrauen der Eltern in die Kinderburg“, betont Rainer Wolf, geschäftsführender Verwaltungsleiter des Theresien-Kinder- und Jugendhilfezentrums, „und dieses Grundvertrauen hat sich in den vergangenen beiden Jahren bezahlt gemacht.

Mit dem Ende der Sommerferien läuft auch das Pilotprojekt aus. 150 000 Euro hat der Kreis Offenbach dafür bislang ausgegeben. Eine Investition, die sich – so der einhellige Tenor – ausgezahlt hat. Alle Beteiligten gehen davon aus, dass das Projekt verlängert wird.

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