Entdeckt, zerpflückt, gedruckt

Daniel Eyrich nimmt Kunstwerke und Musikstücke auseinander – und setzt sie neu zusammen.
In einer Werkstatt der Hochschule geschieht es: Hier findet Daniel Eyrich in einer Sammelkiste für Materialreste Druckplatten, die seine Kunst noch stark beeinflussen werden. Der damalige Student der Hochschule für Gestaltung in Offenbach ist so begeistert von seinem Fund, dass er beschließt, die Muster wiederzuverwerten. Er schneidet die Platten auseinander und stellt sie neu zusammen. Mit Hilfe des Werkstattleiters setzt er das neue Muster auf eine Druckplatte und überträgt es auf Papier. Heute hängen diese frühen Arbeiten Eyrichs in seiner ersten Einzelausstellung in der Langener Filiale der Volksbank Dreieich. Bis zum 16. Februar 2020 sind in „Prosa der Ästhetik“ 50 Druckgrafiken des Künstlers zu sehen.
Im Jahr 2008 beginnt Daniel Eyrich sein Kunststudium. In den folgenden Jahren wirkt er an verschiedenen Projekten zur Gestaltung von Außenfassaden mit und stellt erste Drucke in Sammelausstellungen aus. Studierende der Malereiklasse bilden die Performancegruppe „Die Segel“, die Eyrich mit Musik und Soundgestaltung unterstützt. Mit einer konzeptionellen musikalischen Abschlussarbeit schließt er 2017 sein Studium ab.
„In der Zeit, in der ich studiert habe, hatte die Druckgrafik für mich eine enorme Anziehung,“ sagt der 1984 in Langen geborene Künstler. Außerdem biete die Werkstatt viele Möglichkeiten und lasse eine experimentelle Arbeitsweise zu, die die Druckgrafik so spannend mache.
Doch bevor Eyrich in der Werkstatt seine Bilder ätzen und drucken kann, geht er auf Motivsuche. Das ist der erste Schritt der Arbeitsabfolge bis hin zum fertigen Druck. Eyrich ist ein pausenloser Sammler. „Es passiert ständig, dass ich Sachen sammele, mir Dinge aufschreibe oder Fotos mache.“ Es sind die eigentümlichen Bilder, die Eyrich interessieren. Das könne auch manchmal die Entdeckung einer kaputten Hauswand sein. Später nutze er die Aufzeichnungen als Inspiration. Im nächsten Vorgang erstellt er in einem digitalen Bildbearbeitungsprogramm die Muster. Ein Prozess, bei dem er ständig Vorlagen überwerfe und umstelle. In unterschiedlichen Verfahren überträgt Eyrich dann die fertigen Bilder auf die Druckplatte.
Vortrag und Schau
Von seiner Performancegruppe „Die Segel“ sowie über seinen ästhetischen Anspruch an bildende Kunst und Musik erzählt
Daniel Eyrich am Freitag, 7. Februar, im Frankfurter Club Voltaire, Kleine Hochstraße 5. Der Vortrag beginnt um 19 Uhr.
Die Ausstellung „Prosa der Ästhetik“ läuft innerhalb des Förderprogramms „Vorsicht Kunst!“, einer Initiative der Volksbank Dreieich.
Sie ist noch bis zum 16. Februar im Beratungscenter Langen der Volksbank Dreieich zu sehen. prnk
Etwa in der Arbeit einer Ätzradierung. Hierbei ritzt er das Motiv in die feine Abdeckschicht einer Platte ein. Anschließend trägt er eine Ätzflüssigkeit auf, die dann jene Stellen angreift, an denen die Platte verletzt wurde. Oder aber die Platten werden eingefärbt. Das Einfärben sei bei ihm „sehr speziell“, sagt Eyrich. Manche Platten poliere er so blank, dass auf dem Papier kaum noch eine Spur des Druckvorgangs zu erkennen sei. „Ich finde es durchaus faszinierend, wenn ich Kunstwerke nicht sofort einordnen kann“, sagt er, während er auf eines seiner Ausstellungsstücke in der Langener Bankfiliale blickt. Hierin liegt auch die Begründung, warum Eyrich das Verfahren der Radierung neu definiert. In seinen Werken sind kaum noch Spuren von Plattentönen zu finden, die auf die traditionelle Drucktechnik hinweisen könnten.
Er benutze das Medium auch nicht zur Reproduktion seiner Muster. „Bis auf die Arbeiten, bei denen ich verschiedene Variationen zeigen möchte, mag ich es nicht, mich zu wiederholen.“ Er mache kleine Auflagen, denn lieber finde er neue Motive, als immer wieder dasselbe zu drucken. „Bei mir geht es nicht um die Möglichkeit der Vervielfältigung, sondern um den Charakter, den das Ganze bekommt.“
„Das ist das Besondere an der Ausstellung“, sagt Kuratorin Esther Erfert. „Dass ein junger Mensch den Old-Fashion-Charakter der Druckgrafik in die Moderne überträgt.“ Eyrich plant zusammen mit anderen Druckern eine weitere Ausstellung, weil er das Gefühl hat, dass es noch zu wenige zeitgenössische Positionen in der Druckgrafik gebe, sagt er. „Man wird immer schräg angeguckt, wenn man sagt, man macht Druckgrafik, weil sich die Leute durchaus etwas Anderes vorstellen.“
Eyrich löst sich zudem fast komplett von gegenständlichen Darstellungen. „Manchmal habe ich Angst, in so einen Symbolismus abzurutschen.“ Außerdem bestehe auch immer die Gefahr, politisch gelesen zu werden. „Das passiert der Kunst ja ständig, dass sie in andere Kontexte verfrachtet wird, wenn man versucht, sie zu deuten.“ Er kritisiert, dass in alles Bildliche zu viel hineininterpretiert werde. „Einige Dinge sind für mich eben auch Muster von Darstellungen.“
Diesen Denkansatz eignete sich Eyrich schon zu Studienzeiten an. In seiner Diplomarbeit habe er sich mit soziologischer Systemtheorie auseinandergesetzt. Diese sei für ihn Inspiration gewesen, um zu abstrakten Formen zu kommen. Das Formlose, nicht Interpretierbare habe Eyrich dann auch in seine musikalischen Arbeiten übernommen. Generell seien Musik und die Kunst der Druckgrafik unglaublich ineinander verwebt. Es habe ihn fasziniert, dass die Musik, die er als junger Mensch gehört habe, eine ähnliche Sprache spreche, wie die abstrakten Grafikdesigns auf den Plattencovern. Schließlich kommt auch die Idee zu seinen ersten Drucken, den „Samples“, aus der Musik. Sampling bezeichnet eine Wiederverwendung von bereits fertigen Tonaufnahmen, die in neuem musikalischen Kontext verändert zusammengesetzt werden.
Heute führt er seine Kunst fort, wie er sie damals begann, als er in der Hochschulwerkstatt mit den gefundenen Druckplatten in der Hand dachte: „Die sind so schön, die stelle ich neu zusammen.“
Von Nora Kraft