Endlich wieder aufgeblüht
Das Helm-Knabenkraut nach Jahrzehnten erstmals wieder gesichtet.
Im Landkreis Offenbach galt es seit Jahrzehnten als „ausgestorben“, das Helm-Knabenkraut. Nun ist die heimische Wildorchidee wieder aufgetaucht: ein einzelnes Exemplar, irgendwo in Rodgau. Wo genau, das will Hans Schwarting vom Naturschutzbund (Nabu) Rodgau nicht verraten. Zu groß ist die Angst vor Orchideen-Räubern, die das Pflänzchen mit den speziellen Bedürfnissen in den heimischen Garten verfrachten und damit dem sicheren Pflanzentod übergeben.
In seiner unmittelbaren Nähe, genau auf der anderen Seite der Straße, soll jedoch eines der letzten Exemplare des Helm-Knabenkrautes im Landkreis gesichtet worden sein. Der ehemalige Dudenhofener Förster Herbert Klee hatte den Standort noch in seiner Dienstzeit dokumentiert – Klee ging 1987 in Rente. Sechs Exemplare der Orchis militaris soll es damals insgesamt im Landkreis Offenbach gegeben haben.
Dass das Helm-Knabenkraut hier so lange verschwunden war, könnte mehrere Gründe haben. Wildwachsende heimische Orchideen lieben den extremen Standort. Der Boden muss mager, also nährstoffarm, und kalkhaltig, die umliegende Vegetation demzufolge gering und der Boden frei von Düngemitteln sein, erklärt Joachim Hirth, Leiter der Regionalgruppe Süd im Arbeitskreis Heimische Orchideen. Der Verein hat sich deren Schutz und der Erforschung verschrieben. Im „fruchtbaren“ Landkreis Offenbach werden diese Voraussetzungen nur selten erfüllt.
Dünger und Autoabgase verringern Bestand
Doch dort, wo die Bioindikatoren stimmen, kämen das Helm-Knabenkraut und andere Wildorchideen viel häufiger vor. In Südhessen, etwa in Groß-Umstadt, Roßdorf und Babenhausen. Aber auch in Schlüchtern, wo laut Schwarting 50 Prozent aller in Hessen heimischen Orchideenarten vorkommen, oder in Mainfranken rund um Karlstadt. Zudem profitierten viele Orchideen von der lebenslangen Symbiose mit einem unsichtbaren Wurzelpilz namens Mykorrhiza. Das Helm-Knabenkraut brauche diesen Pilz sogar, um keimen zu können, so Hirth.
„Vor 50 Jahren gab es die wilden Orchideen auf viel mehr Wiesen – überall dort, wo es der Boden hergab“, sagt er. Doch der Dünger, der zuhauf in der Landwirtschaft und in heimischen Gärten eingesetzt wird, reichert den mageren Boden an. Viele Orchideenarten seien gefährdet, stark gefährdet, vom Aussterben bedroht oder gar ausgestorben. Neben dem Dünger sind dafür auch Stickoxide in der Luft verantwortlich, die durch Autoabgase und durch die Emission von Industrie und Kraftwerken entstehen.
Wird eines der Pflänzchen in Hessen entdeckt, melden Nabu oder Arbeitskreis den Fund der Unteren Naturschutzbehörde und dem städtischen Umweltamt. Denn so ein Standort muss gepflegt werden, damit die Orchidee nicht wieder verschwindet. Sobald die Pflanze ausgesamt hat und abgeblüht ist – wie das Helm-Knabenkraut blühen die meisten Wildorchideen im Mai – wird die Wiese gemäht und das Gras weggeräumt, damit die neu austreibende Knollenpflanze im nächsten Jahr genügend Licht bekommt. Denn anders als die tropischen Verwandten sind die heimischen Orchideenarten nicht immergrün. „Ohne menschliches Zutun haben die Wildorchideen heute in vielen Bereichen keine Chance“, sagt Hirth und spricht von einem Pflegemanagementplan.
Doch es gibt auch weniger lichtliebende Orchideen wie das Kriechende Netzblatt, das im Wald wächst und von seiner Form mehr an Feldsalat als an eine Orchidee erinnert. Auf die Pflege durch Menschen seien diese in Mooren und Sümpfen vorkommenden Arten nicht angewiesen, sagt Hirth. Dennoch ist das Kriechende Netzblatt das Sorgenkind der Orchideenkenner, geht hessenweit seit Jahren stark zurück.
Ganz allein muss das Helm-Knabenkraut in Rodgau aber nicht die Fahne für die Orchideenfamilie hochhalten. Denn Unterstützung erhält es eben durch jenes seltene Kriechende Netzblatt, durch die Breitblättrige Stendelwurz und das Fuchs’sche Knabenkraut, beide gehören hessenweit zu den häufigeren Orchideenarten. Und möglich auch, dass sich im Landkreis Offenbach doch noch ein Exemplar des Knaben-Helmkrautes versteckt. In der Nabu-Datenbank „Naturgucker jedoch ist der Rodgauer Fund der einzige Eintrag.