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Eine Stunde frei sein

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Frauenschwimmen (Symbolfoto).
Frauenschwimmen (Symbolfoto). © dpa

Große Nachfrage beim Pilotprojekt: In Rödermark gehört das Badehaus jede Woche einen Abend lang den Frauen. Der Verein zur Förderung des Schwimmsports und die städtische Frauenbeauftragte bieten die Kurse an.

Von Nina Lenhardt

Große Nachfrage beim Pilotprojekt: In Rödermark gehört das Badehaus jede Woche einen Abend lang den Frauen. Der Verein zur Förderung des Schwimmsports und die städtische Frauenbeauftragte bieten die Kurse an.

Konzentriert schwimmt Attia Tahir von einem Beckenrand zum anderen. „Wir haben keine Zeit zum Quatschen, wir sind zu beschäftigt“, ruft sie und lächelt. Das Brustschwimmen klappt bei der jungen Frau richtig gut. Und heute habe sie „auf dem Rücken liegen und schweben“ gelernt. Die Stimmung im Schwimmsaal des Badehauses ist an diesem Dienstagabend fröhlich. Was erst auf den zweiten Blick auffällt: Anwesend sind ausschließlich Frauen, die meisten mit Migrationshintergrund, und auch die Schwimmaufsicht ist weiblich.

Jede Woche gehört das Badehaus einen Abend lang den Frauen. Ein Projekt vom Verein zur Förderung des Schwimmsports (VFS) und der städtischen Frauenbeauftragten bietet gezielt Kurse für Frauen – unter Anleitung von fünf Trainerinnen.

Bikini statt Kopftuch

Seit Kursbeginn im Februar kämen jeden Dienstag um 21 Uhr 50 bis 60 angemeldete Teilnehmerinnen, sagt Anne von Soosten-Höllings, Vorsitzende des VFS. Das Angebot richtet sich an Schwimmerinnen und Nichtschwimmerinnen jeden Alters. Durch den Kurs könnten sich die Frauen „Möglichkeiten erschließen, die ihnen sonst nicht zugänglich sind“, sagt die VFS-Vorsitzende, die ihr Engagement als „Steinchen im Mosaik der Integrationsbemühungen“ sieht. Die 31-Jährige Emel Ciftci erklärt die Bedeutung des Projekts so: „Wegen der Religion wollte mein Vater nicht, dass ich als Kind einen Bikini trage und schwimmen gehe.“ Einmal in der Woche könnten sich die Frauen jetzt frei entfalten – ohne Männer, ohne Kopftuch und mit Bikini. „Das heißt, wir sind frei ab 21 Uhr.“ Einige Teilnehmerinnen berichten, dass sich ihre Männer gezielt freinähmen und die Kinder beaufsichtigten, damit ihre Frauen zum Schwimmprojekt gehen können.

„Das Schöne ist, dass es durch die Frauen selbst entstanden ist“, sagt die Frauenbeauftragte Monika Hainz. Der Kontakt zwischen VFS, der eng mit der Stadt kooperiert, und Frauen aus Migrantenfamilien ergab sich über das Schwimmen selbst. Die Söhne von Soosten-Höllings und Selda Öztürk schwimmen beide im Verein. Sie habe über ihre Arbeit als Elternlotsin oft gehört, dass Mütter schwimmen lernen wollten, sagt Öztürk, die jetzt eine der fünf Kurstrainerinnen ist. So sei die Idee für das Pilotprojekt entstanden. Unterstützt habe sie bei der Umsetzung der ehemalige Badehausleiter, so Soosten-Höllings. Die extrem große Nachfrage des Kurses sei ausschließlich über Mund-zu-Mund-Propaganda zustande gekommen, sagt Hainz. Es gebe sogar eine Warteliste.

Anne von Soosten-Höllings berichtet, dass einige Ehemänner erst einmal Vorbehalte gehabt hätten. Schließlich sollen andere Männer keinen Blick auf die badenden Frauen, die außerhalb der Schwimmstunde teilweise Kopftuch tragen, werfen können.

Kritik kommt von Deutschen

Kritik habe das Frauenprojekt von Deutschen erfahren: „Es gibt schon Mitbürger, die kein Verständnis haben und fragen, wieso es da extra was gibt“, schildert die VFS-Vorsitzende. Denen hält sie aber entgegen, dass es auch eine Frauensauna gebe – und da frage auch keiner nach. Zudem hätten sich ebenso schon deutsche Frauen gemeldet. Das Angebot richte sich ausdrücklich an alle Frauen, betonen die Initiatorinnen. Wegen des großen Erfolgs und Ansturms soll der Kurs im September, nach dem Ramadan, weitergeführt werden.

Infos zum Frauenschwimmen hat Anne von Soosten-Höllings, Kontakt über E-Mail: vfs-roedermark@gmx.de

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