Dreieich-Museum:Was Mode über berühmte Frauen verrät

Das Dreieich-Museum zeigt historische Kleidungsstücke von Frauen, die Geschichte schrieben. Die Kuratorin hat fast alle Stücke selbst rekonstruiert.
Wer sich ein Bild von Queen Victoria vors innere Auge ruft, sieht meist eine dicke, in tiefes Schwarz gekleidete Frau, die missmutig in die Kamera blickt. Wer allerdings im Dreieich-Museum die Ausstellung „Story behind the Dress: Kleider, die Geschichte schrieben – und wer in ihnen steckte“ besucht, wird eine neue Facette der britischen Königin kennenlernen. Anhand von Kleidungstücken werden bis zum 25. Oktober einflussreiche Frauen der Geschichte vorgestellt.
Dunkelblau war das Kleid, das Queen Victoria 1897 zu ihrem Diamantenen Thronjubiläum trug. Die Kopie, die davon in der Ausstellung zu sehen ist, hat Nicole Friedersdorf geschaffen. Sie ist nicht nur Kuratorin der Ausstellung, sondern hat bis auf zwei alle Stücke in ihrem Atelier im Niddaer Schloss gefertigt. Ihre Leidenschaft zum Nähen entdeckte die promovierte Molekularbiologin, früher in der Krebsforschung und als Beraterin pharmazeutischer Unternehmen tätig, schon als Kind. Inzwischen arbeitet sie in erster Linie für Museen.
Victoria sei eine faszinierende Persönlichkeit gewesen, begründet Friedersdorf, warum diese ihre Lieblingsfigur in der Ausstellung ist. „Sie war nicht nur Herrscherin, sie war auch liebende Frau, die nach dem frühen Tod ihres Mannes bis ans Ende ihres Lebens trauerte.“ So habe Victoria, die sich zuerst als Ehefrau und Mutter und dann erst als Königin sah, in ihre Trauerkleider als Erinnerung an den glücklichsten Tag ihres Lebens Stücke der Spitze vom Saum ihres Hochzeitskleides einarbeiten lassen.
Dreieich-Museum
Die Ausstellung „Story behind the Dress“: Kleider, die Geschichte schrieben – und wer in ihnen steckte“ ist bis zum 25. Oktober im Dreieich-Museum in Dreieich, Fahrgasse 52, zu sehen.
Öffnungszeiten: Das Dreieich-Museum ist samstags von 14 bis 18 Uhr und sonn- und feiertags von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Für Gruppen öffnet es auf Anfrage auch unter der Woche.
Der Eintritt ist frei. Das Museum freut sich aber über Spenden. lad
www.dreieich-museum.de
Viereinhalb Jahre hat es gedauert, bis Nicole Friedersdorf die Ausstellung konzipiert und die dafür notwendigen Kleidungsstücke gefertigt hatte. Die Spanne der Frauen reicht von der biblischen Judith, die dem Feldherrn Holofernes den Kopf abschlug, über die im Kreis Offenbach geborene Luftfahrtpionierin Käthe Paulus bis zu Marlene Dietrich.
Für jedes Stück, das ihr Atelier verlässt, hat Friedersdorf aufwendige Recherche betrieben. Je nach Quellenlage studiert sie Gemälde, Fotos und Zeichnungen, um die Kleider so nah wie möglich am Original konstruieren zu können. Da es aus biblischer Zeit keine Darstellung von der für die Freiheit ihres Volkes mordende Judith gibt, orientierte sie sich bei der Darstellung ihres Gewandes an einem Bild des Renaissance-Malers Lucas Cranach. Als Porträt zeigt es nur die Vorderseite des Kleides – ein Problem, wenn man das Kleidungsstück herstellen will. Doch wer Glück hat, findet Genremalerei aus der jeweiligen Epoche, die etwa Menschen beim Tanzen zeigt. „Dann bekommt man einen Eindruck davon, wie ein Kleid von hinten ausgesehen haben könnte“, sagt die Expertin.
Die Puzzlearbeit ist damit aber noch nicht vorbei. Denn wenn ein Schnittmuster vorliegt, beginnt die Suche nach den geeigneten Stoffen. Diese müssen nicht nur dem historischen Material entsprechen, sondern auch den richtigen Farbton haben. Da hilft es, dass Friedersdorf schon lange im Metier ist. Sie hat inzwischen weltweit Verbindungen zu Stoffhändlern, die ihr Proben zuschicken, sodass ein dem Original sehr nahe kommendes Kleidungsstück entsteht, das im Museum an einer Puppe hängt oder von einem Führer getragen wird.
Doch der Aufwand lohnt sich. „Die Kleidung macht einen Menschen fassbar, sie verrät etwas über dessen Persönlichkeit“, sagt Friedersdorf und verweist auf Käthe Paulus. Deren Culottes zeigen, was für eine ungewöhnliche Frau die Berufsluftschifferin für ihre Zeit war.